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Der Auftritt der Choreographiennen zur Probe der Weiberliebe der drei Freunde Robert Blums, und gute Examensreden von Jellinek und Messenhauser
1 Auf diese Rede des Jellinek begibt sich Blum sogleich in den schon bekannten hinteren Teil dieses Zimmers, wo sich die 24 Tänzerinnen nun hinter einem reichen Vorhange befinden, welcher Vorhang erst nach der Bekleidung dieser Tänzerinnen auf ihr bittend Verlangen ist hergestellt worden, und zwar auf die wohlfeilste Art von der Welt, nämlich: bloß durch Meinen Willen. Als Robert Blum da anlangt, zieht er den Vorhang auseinander und spricht zu den hier ganz ruhig versammelten Tänzerinnen: »Nun, meine Lieben, ist es an der Zeit, tretet sonach hervor; und machet vor jenen drei Gästen einige recht artige Bewegungen! Aber machet eure Sache gut, und machet diesem Hause auf keine Weise irgend eine Schande!« –
2 Die Tänzerinnen tun sogleich, was Blum von ihnen nun verlangt; sie treten hervor, und bevor sie noch einen sogenannten Pas machen, spricht die erste zum Blum: »Nur das bitten wir dich, daß du es uns nicht zu irgend einem Fehler anrechnest, so wir durch unsere hier merkwürdig äußerst üppige Gestalt etwa gefährlich würden?! – Denn dafür könnten wir wahrlich nicht! Kannst du aber so was im voraus vermuten, da wäre es uns allen wohl lieber, du ließest uns nicht vor jene deine drei neuen Gäste treten! Denn es wäre uns allen wahrlich sehr leid, so wir Böses anrichteten, da wir nur ganz vollernstlich Gutes wirken möchten!«
3 Spricht Blum: »Meine lieben Schwestern, gar sehr erfreut diese eure Äußerung mein Herz; denn ich entnehme daraus klar, daß ihr alle vollkommen eines guten und reinen Sinnes seid! Aber es sei euch allen darum nicht im geringsten bange; denn dafür wird schon mein liebster Freund dort, und ich auch – die beste Sorge tragen, daß ihr jenen Gästen, und die Gäste euch – nicht den allergeringsten Schaden zufügen werden! Tretet sonach nur mutig und unerschrocken auf! Denn nichts Böses oder doch wenigstens Gefährliches, sondern nur Gutes und Ersprießliches sollet ihr durch euren Tanz an jenen drei Gästen bewirken!«
4 Als die Tänzerinnen solche Versicherung vernehmen, da treten sie dann ganz rasch in den sehr hellen Vordergrund des Zimmers, und beginnen sogleich mit den freundlichsten Mienen ihre Künste durch allerlei artige Bewegungen zu entfalten. – Blum, der nun schon wieder bei den drei Freunden sich befindet, fragt sogleich den Jellinek: »Nun Bruder Jellinek, wie gefallen dir diese unsere Haustänzerinnen? Hast du auf der Erde je etwas Vollendeteres in diesem Genre gesehen?!« –
5 Jellinek betrachtet diese Tänzerinnen eine Weile mit großer Aufmerksamkeit, und spricht danach wie mit einem tiefen Seufzer: »Ach lieber Bruder! – Kann mir nicht helfen; aber mein Gefühl beim Anblicke solcher Produktionen bleibt sich stets gleich! Ich muß es dir ganz offenherzig sagen, daß ich daran nie ein wahres Vergnügen gehabt habe; im Gegenteile bin ich dabei stets nur mit einer gewissen Art von einer ganz sonderbaren Wehmut erfüllet worden, und verließ ganz sonderbar das Komödienhaus! Ich dachte auf der Erde gar oft über diese seltsame Erscheinung oder vielmehr über den sonderbaren Vorgang in meinem Gemüte nach; aber ich war stets unfähig mir darüber eine begründete Rechenschaft zu geben! Nun aber fange ich darüber so ein recht tüchtiges Lichtlein zu bekommen an, und das freuet mich mehr, als alle diese wirklich allerausgezeichnetste Tanzkunstproduktion. Der Grund liegt in der totalen Zwecklosigkeit dieser künstlerischen Gliederverrenkungsproduktion. Sage mir, welchen Nutzen kann diese Kunst wohl je bezwecken?! Siehe, nach meinem dafürhalten – nicht den allergeringsten für's Allgemeine! Alle anderen Künste, als da ist die Tonkunst, die Dichtkunst, und die Malerkunst und die Bildhauerkunst, können in ihrer wahren und würdigen Haltung dem menschlichen Gemüte wohl von einem sehr wesentlichen Nutzen sein, indem sie das Herz sänftigen und veredeln, und so nicht selten aus einem ganz rauhen Menschen einen sanften und gemütlichen ziehen, und nicht selten eine rechte Liebe in der Brust erwecken und beleben. Nun aber lassen wir diese Tanzkunst eine noch so reine und würdige Haltung annehmen, so werden durch sie stets nur die unlautersten Gefühle in der Seele wach, und die Natur fast eines jeden Mannes wird nach einer solchen Produktion stets ums vielfache sinnlicher und begehrender. Wer aus den Zuschauern ein Reicher ist, der sieht darauf Tausende nicht an, um das zu erreichen, danach er schon während der Produktion so sehnlichst getrachtet hatte! Der ärmere Teufel aber, dessen Kasse zu beschränkt ist, als daß er sich nach einer solchen im höchsten Grade alle Sinne aufreizenden Produktion auch noch die bewußte Quintessenz des sinnlichen Genusses verschaffen könnte, zieht dann allezeit wehmütig nach Hause, wenn es gut geht, und spielt einen Philosophen; geht es aber ein bißchen schlechter, da sucht er sich die nächste und beste feile Dirne auf, und treibt dann gegen einige Groschen Genußtaxe das mit ihr, was er, so es möglich wäre, freilich um eine Million lieber mit der Tanzprimadonna treiben möchte!
6 Ich meine, liebster Bruder, daß dieser von mir nun ganz offenherzig angeführte Grund meines Mißbehagens beim Anblicke solcher Produktionen allerdings beachtenswert zu nehmen ist, obschon er nicht so ganz eigentlich die Quelle meiner Wehmut war, die, wie schon gesagt, stets meine Gefährtin nach solchen Produktionen war, – die ich zwar allezeit sehr eifrig besuchte, – aber allezeit den gleichen Lohn davon trug. Die eigentliche Quelle meiner ominösen Wehmut bei und hauptsächlich nach solchen Produktionen war, wie ich's nun recht deutlich wahrnehme, der gute Gedanke, durch den ich so eine wohlgestaltete Tänzerin wie durch ein magisches Theaterperspektiv als einen gefallenen Engel ansah! –
7 O wie oft dachte ich da nicht also, und sprach bei mir selbst: »Was könntest du meinem Herzen sein, wenn dein Herz je begreifen könnte, was dir mein Herz sein möchte! Aber du bist ein gefallener Engel, und erkennest nimmer den Wert eines Herzens, das dich gar so gerne aus dem eitlen Schlamme deiner Gesunkenheit wieder zu einem wirklichen Engel erheben möchte! – Der Welt Mammon ist nun dein Gott, und dein eigen Herz trittst du, Blinde, mit den Füßen, mit denen du, die du einen Sonnentempel bewohnen könntest, so du den Wert deines Herzens erkennetest, die frechste Unzucht der Gäuler (Geiler) anstachelst, und manchen Armen seiner Natur bewußten Zuschauer für die etlichen Gulden, die er dir opferte, mit ein paar Dutzend schlaflosen Nächten straftest, – ja, manchen mit noch etwas viel Ärgerem! Aber, was kümmern dich tausend arme Teufel, die dich bezahlt, bewundert, beklatscht, und oft an deinem Wagen sogar Tierdienste verrichtet haben! Dein Herz ist stumm gegen sie, wie eine Marmorbüste; du kennst sie nicht, und willst sie auch nicht kennen lernen; denn du hast ja Tausende eingenommen, und hast dazu dir noch privatum die Säcke der reichen Wollüstlinge zinsbar bemacht; was kümmern dich die Herzen, in die deine zauberischen Füße mit jedem Pas giftige Pfeile geschleudert haben!? Wenn sie gar schauerlich gewaltig etwa vor deinem Hotel par Excellence dich noch einmal zu sehen verlangen, da wirfst du ihnen dann höchst eigenhändig einen Pantoffel auf ihre Köpfe, womit sie zufrieden sein können!« – und du kehrst darauf wieder in dein Prachtgemach zurück!
8 Siehe Freund Blum, solche Gedanken waren stets meine Begleiter, und stimmten meine Seele ganz sonderbar schlecht. – Hatte ich aber nicht Recht, wenn ich so dachte, wie eigentlich ein besseres Herz seinem Mitmenschen gegenüber doch allezeit denken solle?! Weil ich aber aus gutem Grunde bei solchen Gelegenheiten stets so dachte, und nun eben also denke, so frage dich nun selbst, ob mir nach deinem allfälligen Dafürhalten diese Tänzerinnen, die nun glücklicherweise ihre Produktionen beendet haben, und nun uns zu behorchen scheinen, je gefährlich werden könnten? Vielleicht meinen beiden lieben Brüdern, dem Messenhauser und dem Becher? – Was ich aber auch nicht behaupten möchte; mir sind sie in dieser Situation wohl am wenigsten gefährlich, so wie auch diesem meinem nun wohl allerliebsten Freunde, der diese meine Rede nun mit sichtlicher Rührung angehöret hat. Also muß ich dir, liebster Freund Blum, die vollste Versicherung geben, daß alle diese 24 Künstlerinnen samt ihren 48 allerschönsten Füßen meiner Jesus-Liebe nicht den allerleisesten Eintrag gemacht haben! Im Gegenteile – nur erhöht haben sie diese meine nun heiligste Liebe, denn siehe, ich habe nun ein rechtes Mitleid mit diesen armen gefallenen Engeln, und so es mir möglich wäre, sie aus dieser ihrer Niedrigkeit zu wahren Menschen zu erheben, so gäbe ich mein halbes Leben darum; – aber lassen wir das; es sind auf der Erde gar manche meiner Wünsche zu Wasser, ja – am Ende sogar zu Blut geworden; warum solle das hier nicht auch der gleiche Fall sein können? – Aber nun saget auch ihr beide, du Messenhauser und Becher, wie euch dieses Spektakel gefallen hat?«
9 Sprechen die beiden: »No, no, so, so; – gar nicht übel! Aber etwas komisch kommt uns die Sache offenbar vor! Auf der Erde kommen einem solche Exzentrizitäten menschlicher Dummheiten ganz erträglich vor; – aber hier im Geisterreiche, – muß ich dir offen gestehen, Bruder Blum – du wirst es uns nicht für übel nehmen, kommen uns solche Aberrationen (Abweichung) des menschlichen Strebens wohl ein bißchen gar zu sonderbar vor! – Denke dir, so wir nun wieder zur Erde zurückkehren könnten, und dort erzählten unseren Freunden, daß wir soeben einem himmlischen Ballette beigewohnt hätten! No, das Gelächter möchte ich hören! – Aber sage mir nun das einzige, wie du so ganz eigentlich zu diesem tollen Gedanken gekommen bist, dir hier im Reiche des Geistes ein förmliches Serail, gleich nur von so ein paar Dutzend der saubersten Ballettänzerinnen zu halten? Hast du sie denn förmlich in deinen Sold oder was genommen? – Oder ist das etwa der Himmel der Neukatholiken? Geh', fahr' ab mit diesen deinen neukatholischen Engelchen! und bringe uns dafür lieber noch so eine Bouteille von dem letzten; von dem ist ein Tropfen mehr wert, als alle die 48 schönen Füßlein!« – Blum lächelt dazu, und holt die zweite Bouteille.