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Fortsetzung des Lebensberichtes von dem Pathetikus: Die gerechte Forderung der Ehefrau Emma. Des Generalmajors Vermittlungsmühe. Mann und Weib in seinem Streit
1 Spricht der Pathetikus weiter: »Bei dieser Darstellung ihrer Herzensnot mußten wir beide freilich wieder große Augen zu machen anfangen und sagen: Ja, wenn sich die Sachen also verhalten, da bleibt uns freilich nichts anderes übrig, als zu sagen: »Mea culpa, mea culpa, mea quam maxima culpa« (meine Schuld, meine Schuld meine eigene größte Schuld!) – und der General sagte darauf zur Emma: »Hören sie, meine liebe Frau Schwiegertochter! Wenn sich die Sachen also verhalten, da bekommt unser Prozeß freilich ein ganz anderes Gesicht, und ich werde dadurch genötigt sein, sie natürlich vor allem ganz ergebenst um Vergebung zu bitten, und hernach aber meinem Herrn Sohne so einige alte Leviten vorzulesen!?« – Spricht die Emma: »Euer Durchlaucht! ich verlange nichts als unsere erste Liebe! Ist diese da, dann will ich ihm alles vergeben, und alles tun, was nur immer sein Herz verlangt! Aber nur seine erste Liebe will ich wieder haben!« Der General wandte sich nun zu mir, und sagte: »Ja, höre du, mein Sohn! Wenn es also an dir liegt, daß dein Weib dir nun gewisserart notgedrungen solche wahrhaft bedauerlichen Exzesse macht, so mußt du nun vor allem zusehen deinen Fehler wieder gut zu machen! – Emma wünscht deine erste Liebe! Also enthalte sie ihr nicht vor!« –
2 Worauf ich, der Pathetikus, erwiderte: »Mein wahrhaftigster, hochgeehrtester und geliebtester Vater! Meine Liebe zu meiner himmlischen Emma hat sich noch nie geändert, und ist auch noch nie schwächer und geringer geworden, als sie bei unserer ersten Bekanntschaft war; aber so die gute allerliebste Emma dort Schatten und Gespenster sah, wo sie nicht waren, und auch nicht sein werden, da kann ich wahrhaft wenig oder nichts dafür! Daß ich mich nicht eifersüchtig zeigte, oder ihr gar Vorwürfe machte, so sie Gesellschaften gab, das ist allein nur meinem zu zartfühlenden Herzen zuzuschreiben; daß ich bei mir aber dennoch so manches empfand, das ich durchaus nicht zu den angenehmsten Empfindungen meines Lebens rechen kann, das weiß freilich nur ich allein! Was aber ihr großes Vermögen betrifft, da muß ich leider selbst eingestehen, daß ich darauf nie einen Wert gelegt habe, denn ich dachte mir: »Was du brauchst, um recht anständig leben zu können, das hast du; ein Luxusleben aber ist und bleibt stets ein Greuel vor Gott und aller wahrhaft besseren Welt!« – Und so muß ich offen gestehen, daß mich der Anblick des furchtbar großen Vermögens meiner Emma höchst unangenehm berührt hat; denn je reicher irgend ein Haus ist, destomehr Gelegenheit bietet es auch zu allerlei sündigen Ausschweifungen!« (mich zur Emma wendend) »Sieh', so du die Tausende den Armen hättest zukommen lassen, die dich deine abgehaltenen Gesellschaften kosteten, wie glücklich wären diese, und wie glücklich wären wir beide! Aber du wolltest mich dadurch nur necken, und sieh', das war nicht löblich von dir, und ich glaube solch' eine empfindliche Strafe von dir durchaus nicht verdient zu haben; denn einen noch zärtlicheren und nachsichtigst geduldigeren Gatten kann es wohl kaum noch irgendwo mehr geben, als ich es bin und allezeit war!?« –
3 Die Emma wußte da sozusagen weder weiß noch schwarz darauf zu erwidern, schien aber dennoch mit Ungeduld auf den Kammerdiener zu warten, den sie ehedem um die Wertpapiere gesendet hatte. Da ihr nun dieser zu lange ausblieb, so bat sie um Entschuldigung, und ging eiligst nachzusehen, was dieser so lange mache? Allein wie sie fort will, so kommt dieser ihr auch schon mit einem schweren Packe entgegen. Sie herrschte ihn sogleich heimlich zu, diesen Pack auf meinen Tisch zu legen! Ich aber fragte sie, was denn nun damit geschehen solle? Da ich doch glaube, mich nun mit ihr völlig ausgesöhnt zu haben?! – Die Emma blickte mich etwas höhnisch lächlend an und sagte: »Ich muß ja doch eher die dir angetane Beleidigung wieder gut machen, und also der verlangten Genugtuung nachkommen, bis du mir wieder gut werden kannst!« – Worauf ich ihr erwiderte: »Liebe, teuerste Emma! ich liebe dich zu sehr, als daß ich nur den allergeringsten Groll auf dich haben könnte; auch habe nicht ich, sondern mein allergeliebtester Herr Vater in einer verzeihlichen Aufwallung eine solche Forderung an dich getan, die du ihm sicher so gewiß nachsehen wirst, als wie sicher und gewiß ich dir alles von ganzem Herzen verzeihe! Nehme daher alle diese deine Wertpapiere nur wieder in deine Verwahrung, und werde mir wieder ganz dieselbe Emma, die mir vor einigen Jahren nach England gefolget ist und für die ich mein Leben tausend Gefahren preisgab!«
4 Die Emma stutzte hier und wußte nicht, was sie nun tun solle!? Nach einer Weile sagte sie mit einem wahrhaft stoischen Gleichmute: »So du mich schon liebst, wie du sagst, so tue mir doch diesen Gefallen, und nehme diese Papiere in deine Verwahrung und Sorge, denn du weißt es ja, daß ein Weib mit dem Gelde nicht umzugehen weiß!« Worauf ich sagte: »Das ist etwas ganz anderes; mit dem größten Vergnügen von der Welt will ich in dieser Hinsicht deinem mir allerteuersten Verlangen nachkommen! Aber nun mußt du mir auch deine Hand zum Zeichen, daß du mir wieder gut bist, dareichen, und auch um einen von mir schon lange vermißten Kuß nicht verlegen sein! Komm Emmchen komm, und mache mich wieder glücklich!« – Sie spricht: »Dazu hat es schon noch Zeit, mein Herr Gemahl; eine Frau muß mit dem Besten, das sie hat, nicht gar zu freigebig sein, so sie den Kuß der Liebe aufrecht erhalten will; verstehst du das?! Dann muß ich dir noch etwas besonderes bemerken, das für dich zwar eine kaum beachtenswerte Kleinigkeit sein wird, aber für mich durchaus nicht; ich habe dir schon einige Male gesagt, daß ich nicht Emma, sondern eigentlich nach meinem ersten Taufnamen Kunigunde heiße; warum nennst du mich denn immer Emma, und warum nicht Kunigunde, einen echt altadligen Namen, auf den meine Mutter und Großmutter getauft waren?! So du mich wahrhaftig liebst, so nenne mich in der Zukunft auch bei meinem würdigen rechten Namen!«
5 Ob dieser Liebebedingung kommt mir und natürlich auch dem Herrn General das Lachen, und das wegen eines, ich glaube Nestroyschen Theaterstückes, in dem eben die gute Kunigunde mit ihrem Eduard durch ein lakonisches Lied sehr profanisiert werden! Ich sage daher auch zur Emma: »Aber meine liebe zarteste Gemahlin! das tat ich ja nur aus purer Achtung zu dir; du kennst ja doch das gewisse Stück, in dem das Lied von Eduard und Kunigunde auf eine malhonnetteste Art herabgesungen wird zur Belustigung des Publikums!? So oft ich dich rief, so fiel mir auch allezeit jenes dumme Lied ein, das mich selbst schon so manche Lache gekostet hat, was ich dir auch kundgab, und du mit mir ganz einverstanden warst; denn der Name Emma klingt doch offenbar ästhetischer als Kunigunde. Willst du von nun an aber schon durchaus Kunigunde heißen, no, in Gottes Namen, so will ich dich ja auch recht gerne Kunigunde nennen.« Spricht sie darauf etwas bissig: »Ja, ja, was man nicht mag, das sucht man auf jede Weise lächerlich zu machen!« – »Aber Weibchen«, sage ich, »was fällt dir denn ein!? Ich werde dich etwa doch nicht lächerlich machen wollen, dich, die du mir so unendlich lieb, wert und teuer bist. Ich wollte dich ja eben durch den schönen Namen Emma aller Lächerlichkeit entheben, nicht aber selbst lächerlich machen; so aber eben der Name Kunigunde durch das dir so gut wie mir bekannte Theaterstück ohne unser Wissen und Wollen lächerlich gemacht worden ist, sage, kann ich da etwas dafür?! Ich hoffe aber, daß du dich darüber hinaussetzen wirst, und diesen Prozeß für beendet ansehen, und wirst mir nun die Hand zur gänzlichen Aussöhnung reichen, und geben den sehnlichst erwarteten Kuß oben darauf? oder hast du etwa noch was im Hintergrunde?« –
6 Sprach sie: »O, nur genug!« – »Was der Tausend«, erwiderte ich, »was denn alles noch, wenn ich fragen darf, meine geliebteste Em. . . . hätte bald g'sagt, bitte tausendmal um Vergebung! Kunigunde – wollte ich sagen! Nur heraus Kundl, was dich noch drückt!« –
7 Auf diese meine etwas lakonisch zärtlich gehaltene Frage hob sie den Fuß und stieß damit so gewaltig vor Zorn auf den Boden, daß darob die Gläser in meinem Schnapskasten klirrten; und diesem gewaltigen Fußstampfer folgte ein schneidendes »Nein!« Natürlich mit der Begleitung von allerlei Tränen; diesem bedeutungsvollen Nein folgte eine stumme Zornpause, auf die eine leichte Ohnmacht, und auf die kurze und leichte Ohnmacht eine ganze Legion der herrlichsten Namen an meine Person, die wahrlich der allerderbsten Obstlerin keine Schande gemacht hätten! Als sie mit diesem Register fertig war, da herrschte sie mich noch zum Schlusse also an: »Wir sind quitt; ich will von dir nichts mehr wissen, hören und sehen! ´Zahlt bist, und so sind wir quitt für ewig! Mich hänseln auch noch!? – Das ging mir gerade noch ab, von so einem Limmel, der nicht geboren, sondern nur geworfen wurde, von irgend einer bäuerischen Kuh! Du magst 1.000 Male vom Kaiser selbst zum Fürsten erhoben sein, so bist du aber für mich, eine Baronin von uraltem Geschlechte, doch nichts, verstehst du das? Gar nichts bist du gegen mich! Sehe, daß du mir ehestens aus den Augen kommst!«
8 »Mit der richten wir nichts«, sprach der General, »denn die ist eine komplette Närrin! Laß sie gehen, mein Sohn, und kümmere dich nicht mehr um sie; vielleicht bessert sie die Zeit eher als wir beide! Aber die Wertpapiere nehme nur mit dir, denn es kann sehr bald eine Zeit kommen, wo sie sogar ihr gute Dienste leisten werden, wenn sie etwa bei ihrem gegenwärtigen Haussysteme nur zu bald ihre Schätze und Reichtümer vergeudet haben wird«.
9 In diesem Augenblicke tritt auch mein Kammerdiener herein, und meldet mir, daß er eine sehr schöne sogleich beziehbare Wohnung gefunden habe, und hat auch das Darangeld bezahlt. – »Gut«, sprach der General, »also nun nur geschwinde aufgepackt und eingepackt; viele Hände machen jeder Arbeit bald ein Ende!« Spricht der Kammerdiener: »Herr, bis auf dieses Zimmer ist schon alles in der Ordnung!« Nun kommen die Träger hier herein.