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Kapitel 116

Warum und wie ist der Verfall der reinen göttlichen Wahrheit entstanden? Die Menschen mit ihrem freien Willen konnten und durften auch die Lehre von Christus verweltlichen. Die Nacht erhöht das Lichtverlangen. Der Herr liebt Roms Lämmlein

Am 31. August 1849

1 Spricht der Redner: »Schätzbarster Freund, wir sehen nun wirklich ein, was an der römischen Alleinseligmacherin ist, und daß die Gotteslehre Christi ganz wohl eine echte Gotteslehre sein kann, und auch sicher ist, obgleich sie von der allerborniertesten Sekte Roms auf das greuelhafteste gemißbraucht wird. Aber nur das noch sehen wir alle nicht ein, wie denn der Herr zulassen hat können, daß diese Kirche, die in der ersten Zeit doch so zu sagen ganz rein apostolisch gewesen sein solle, in diesen letzten Jahrhunderten bis unter den Hund herabgesunken ist, so daß sie nun ganz und gar nimmer zu der Einsicht gelangen kann, daß sie so ganz eigentlich nach dem reinen Sinne des Evangeliums gar keine Kirche mehr ist. Ihr lateinisches Geplärr, ihre Ohrenbeichte, ihr Meßopfer, und ihr sonstiges heiliges Firlefanz und sinnlosestes Klinkl-Klankl, und besonders das allen gesunden Menschensinnen und aller Natur widerstrebende Zölibat sind ja doch Erscheinungen, über die sich in der Zeit schon sogar nur einigermaßen gebildetere Pudels zu mokieren anfangen, anderer über alle Begriffe dümmsten kirchlichen Gebräuche und Disziplinar-Geschichten nicht zu gedenken. Denn würde ein Mensch streng nach den römischen Gesetzen leben, so müßte er aber schon so ein dummes Luder sein, daß er dem ersten Narrenhause in Paris sicher keine Schande machen würde. Und siehe, solch eine großartigste Narrenkreirungsanstalt duldet der Herr, Dessen Lehre ein Zentralsonnenlicht den Menschen der Erde sein solle. Siehe, darin liegt der eigentliche Hund begraben, und das ist des Pudels ominöser Kern. Darüber, Freund, gebe uns noch ein mögliches Lichtlein!«

2 Spricht Bruno: »Liebe Freunde! das eigentliche wie – und warum dieses der Herr zulassen kann, müsset ihr euch aus dem heiligsten Begriffe der notwendigsten Freiheit des menschlichen Willens erklären, ohne welche Freiheit der Mensch nicht Mensch, sondern ein bloßes Tier oder ein possierlicher Automat wäre. Da aber der Mensch, um ein Mensch zu sein, einen vollkommen freien Willen haben muß, dem zufolge er tun kann, was er nur immer will, so ist es anderseits aber auch einleuchtend klar, daß es ihm auch in Hinsicht auf die noch so rein göttliche Lehre frei stehen muß, sie anzunehmen, oder nicht anzunehmen, oder als echt oder nicht echt anzuerkennen. Da aber dem Menschen solches zustehet, so ist es dann aber auch klar, daß sich mit der Zeit gar leicht aus der reinen Lehre Christi ein allerfinsterstes Papstum hat herausbilden können.

3 Denn es haben sich ja doch schon zu den Zeiten der Apostel Negozianten (Geschäftsleute) mit der Wunderlehre Christi vorgefunden; ja Christus Selbst hatte einen, der Ihn verriet, bei Sich; wie sollen sich da in den späteren Zeiten nicht Negozianten in die Menge vorgefunden haben, da sie schon Erfahrungen vor sich hatten, nach denen die Lehre Christi als eine geduldige Kuh angesehen ward, die ohne viel Futter eine ungeheure Menge Milch gibt. Da aber goldsüchtige und geldsüchtige Menschen das nur zu gut eingesehen haben, so machten sie aus der Gotteslehre eine Verkaufsware, und handelten damit in allen Ländern der Erde, und machten die besten Geschäfte. Das war schon die erste böse Tat; als aber die Kaufleute (römische Pfaffen aller Art) sahen, daß die Ware in ihrer reinen geistigen Form nicht mehr gar zu gierig gekauft ward, besonders bei den Prunk und Zeremonie liebenden Asiaten, da richteten sie auch bald ihre Ware so ein, wie sie es glaubten, daß sie den Morgenländern am meisten zusagen dürfte, und sehet, der neue Handel ging dann wieder gut von statten.

4 Aus dieser Handelsepoche datiert sich aber auch hauptsächlich zuerst die freche und willkürliche Beschnatzung und Beschneidung der Reinlehre Christi, die Erfindung des Fegfeuers, der Ablässe, der Bruderschaften und dergleichen mehr – Auch die famosen, und den verschmitzten Kaufleuten Roms gar sehr viel tragenden Kreuzzüge gehören dieser zweiten Epoche an. – In der noch etwas späteren Zeit, als die Menschen ein wenig einzusehen begonnen haben, zu wessen Nutz und Besten die Kreuzzüge Roms so eifrig und unter ungeheueren Ablässen gepriesen und mit aller Energie betrieben wurden, hat man dann dieser zu grellen Betrügerei dennoch Einhalt tun müssen, um sich vor aller Welt nicht gar zu bloß zu stellen; denn man ist sehr überrascht dahinter gekommen, daß die Kaufleute Roms mit den Sarazenen in der innigsten Geschäftsverbindung standen, und diesen allezeit treulichst kund gaben, wann sie wieder von einem fetten Kreuzzuge würden besucht werden, von welcher Seite er kommen wird, und wie stark er sein wird; wo es dann den wohlunterrichteten Sarazenen freilich stets ein Leichtes sein mußte, die blinden Kreuzritter auf das zweckmäßigste zu empfangen!

5 Als also die Menschen hinter diese Betrügereien kamen, was die fleißig beichthörenden Pfaffen nur zu blad erfuhren, da warf man sich auf die Mystik, eigentlich Escamotie (Schwarzkunst), errichtete Wallfahrtsorte mit Mirakelbildern, hüllte sich ganz in's Latein ein, produzierte wundertätige Reliquien, und baute große Tempel mit viel Wunderaltären, goß große Glocken, und dergleichen mehr. Damit handelte man bis zur Stunde; aber da in der Zeit die Menschen den Pfaffen denn doch schon wieder, und das stärker denn je, über den Kopf zu wachsen anfangen, und sogar vor dem beheiliggeisteten Manne – – keinen Respekt mehr haben, so geht nun diesen Kaufleutchen der Faden aus, und sie wissen nun nicht, wie sie die Sache anstellen sollen, um ihrer sehr verlegenen Ware einen ergiebigen Absatz zu verschaffen. –

6 Aber Freunde, diesmal wird sich's nicht mehr tun. Die Bibeln sind nebst andern hellen Schriften zu sehr unter's Volk gekommen, und diese Kaufleute haben zu offenbar gezeigt, daß sie für alles zu haben sind um Geld, und so hat sich sogar Maria, die lange ihre Hauptstütze war, samt ihrem hölzernen Christuslein bei ihnen zu empfehlen angefangen, was für diese Kaufleute ein außerordentliches malum Omen ist. Es wird ihnen nun bald nichts mehr übrig bleiben, als ihre in den Geschäftsbüchern treu aufgezeichnete Chronik als skandalös zu bekennen. Denn ich möchte beinahe um meine ganze Seligkeit wetten, daß sie in Bälde gerade vor den Völkern nicht viel anders dastehen werden, als wie eine sich stets sittlich und fromm gebärdende Tochter vor ihren ehrlichen Eltern und anderen Anverwandten, so sie von ihnen in der Unzuchtsstube einer schändlichen Kupplerin als eine feile Dirne ertappt wird. – Oder sie, die Kaufleute, werden stark mit sich handeln lassen (müssen); was aber auch ein Argumentum gegen sie sein wird, eins so schreiend wie das andere.

7 Und so wird der Herr Seine Lehre reinigen zur rechten Zeit, auf eine Art, die aller Welt wie ein Blitz in die Augen springen wird. Im Ganzen aber schadet es gerade niemandem, wenn er der Römerin secundum ad nominem angehört; denn ich kann euch alle versichern, daß der Herr die römischen Lämmer sehr lieb hat, was denn auch ein Hauptgrund ist, warum Er diesen Taubenkrämern und Geldwechslern nicht schon lange ihre schnöden Buden umgeworfen, und die Krämer mit Stricken aus dem Tempel getrieben hat. Aber was bisher noch nicht in aller Eklatanz geschah, das stehet nun vor der Tür,

8 darum alle Ehre Ihm allein, der die Seinen stets so sanft mild leitet, wie eine Henne ihre Küchlein. Ich meine nun, daß ihr nun bezüglich der Römerin vollends im klaren sein dürftet, und so wendet euch denn nun allein an Jesus Christus, auf daß euch allen ein volles Licht ewig werden möchte.«


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