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Kapitel 47

Der Herr und Robert Blum gehen in Robert Blums Haus. Belehrung über den Herzensverkehr mit dem Herrn. Die »Wiener«. Die geistige Entsprechung der Stockwerke von Robert Blums Haus

1 Darauf begibt sich Robert mit Mir ins Haus, das da drei hohe Stockwerke nebst dem sehr majestätisch schönen Erdgeschosse hat; jedes Stockwerk aber hat eine andere Farbe, und das Erdgeschoß ebenfalls eine andere, und zwar in der Ordnung und Art: Das Erdgeschoß ist hell saftgrün, und ist mit weiß und rot mannigfach verziert; das erste Stockwerk ist vollends weiß, und ist mit lichtgelb und blau verziert; das zweite Stockwerk ist hellblau, und ist mit violett und rosenrot verziert; und das dritte Stockwerk ist rot, gleich dem Morgenrot, und hat durchaus keine Verzierungen.

2 Dem Robert fallen diese verschiedenen Färbungen und Verzierungen des gesamten Hauses auf, und er fragt Mich heimlich beiseits: »O Herr! müssen diese Färbungen und Verzierungen also sein, wie sie sind, oder ist das eine bloße Geschmackssache der hiesigen Bauleute? Denn auf der Erde, etwa in Wien, oder in Dresden, oder in Berlin, oder in Frankfurt und noch in gar vielen Orten Europas würde man so einen Baustil, der sich hier zwar wunderherrlich ausnimmt, für entweder chinesisch oder auch wohl gar für närrisch halten! Ich möchte daher wohl von Dir darüber eine Aufklärung bekommen! So es Dein heiliger Wille wäre, da könntest Du mir ein paar Wörtchen aus Deinem heiligsten Munde allergnädigst zukommen lassen!«

3 Rede Ich: »Für's erste – liebster Bruder, mußt du, so du mit Mir sprichst in Gegenwart dieser deiner vielen Freunde und Gäste, bloß nur in deinem Herzen sprechen, auf daß du Mich nicht vor der Zeit an ihnen verrätst! Denn so alle diese Mich nun dir gleich erkenneten, da müßte ich dann offenbar weichen, weil sie alle noch viel zu wenig Festigkeit haben, um Meine Gegenwart vollends ertragen zu können. So du aber schon mit Mir in Gegenwart aller dieser etwas reden willst, um sie dadurch auf eine höhere Erkenntnisstufe zu setzen, so heiße Mich nur gleichweg Freund und Bruder, aber ja nicht Herr, so wirst du mit diesen deinen Gästen und Freunden in einer kurzen Zeit recht sehr weit kommen, was eben Mein sehnlichster Wunsch ist!

4 Für's zweite aber – was deine eigentliche Frage betrifft, bist du ja ohnehin in der Farbenlehre und Blumensprache bewandert, und weißt daher genau, was diese verschiedenen Färbungen dieses deines Hauses besagen; so du aber das weißt, siehe da ist ja eitel dein Fragen, besonders hier, in der Gegenwart dieser vielen, die noch hübsch lange nicht wissen dürfen, wer Ich bin!

5 Nehme dich alsonach nur in der Zukunft recht in acht, besonders wo es sich um Reden über Mich handelt; sonst könntest du bei deinem wahrlich allerbesten Willen dennoch mehr Schaden als Nutzen stiften! Denn du mußt dich nicht auf die Reden und Bejahungen dieser deiner Freunde stützen, und glauben, so ihnen alles recht ist, was du ihnen sagst, daß sie dadurch der Vollendung schon sehr nahe sind; Ich sage es dir; da ist oft gerade das Gegenteil von dem, was du meinst, vorhanden.

6 Siehe, Ich kenne dir Menschen hier, und noch eine Menge auf der Erde, die Mich bei weitem besser kennen von allen Seiten, als du nun; und Ich sage es dir, daß Ich ihnen so schön gleichgültig bin, wie ein alter abgetragener Rock, und ihre Liebe zu Mir ist so stark, daß sie ein Mädchen mit nur einigen sinnlichen Reizen ausgestattet, bis auf den letzten Tropfen aufzehren kann! Und Ich habe dann zu tun, um bei solchen Meinen Bekennern nicht ganz in die schönste Vergessenheit überzugehen!

7 Und siehe, gerade das könnte auch bei diesen deinen Freunden der Fall sein; sie sind sämtlich »Wiener«, also Genußmenschen und Spektakelhelden; so wir ihnen stets eine Menge Wunderchen etwa in der Art eines Eskamoteurs (Taschenspieler bzw. Zauberkünstler) vormacheten, sie dabei recht gut bewirteten, und ihnen auch eine Menge recht sauberer, rundgesichteter und dickschenkliger Jungferchen zuführten, mit denen sie sich ganz ungeniert vergnügen könnten, wie es nur ihrer noch starken Sinnlichkeit am meisten zusagen möchte, da würden sie auch stets unsere besten Freunde sein, und wir möchten ihnen sogar unentbehrlich werden; aber so wir mit der Zeit nötigster Weise denn doch etwas ernster zu reden würden anfangen, da würdest du dich hoch verwundern, wie sie uns einer nach dem andern gar schön möchten den Rücken zuwenden! Es gibt dir unter diesen Wesen einige so geile Böcke, daß sie allen Himmeln entsageten, so sie so einer recht üppigen Dirne sinnlich beiwohnen könnten; wir werden sie schon noch näher kennen lernen, und werden mit ihnen auch noch eine recht schwere Not bekommen! Aber durch eine recht weise Leitung können sie dennoch gewonnen werden! Ja, Ich sage dir insgeheim: Einige werden sogar den ersten Grad der Hölle zu verkosten bekommen müssen, um von ihrer zu großen Weibergier los zu werden! Wir werden zwar wohl alles eher noch versuchen, was sich nur immer mit ihrer Freiheit verträgt; aber so etwa am Ende dennoch alles das nichts fruchten möchte, da freilich wird leider zu dem äußersten Mittel geschritten werden! Sei daher und darum ja recht vorsichtig, und verrate Mich durch gar keine Miene, und suche sie vor allem auf ihre Sinnlichkeit und auf deren Folgen aufmerksam zu machen, so werden wir mit ihnen noch am leichtesten über Ort kommen. Ich werde sie schon auch bearbeiten; aber nur dürfen sie es, wie gesagt, noch lange nicht erfahren, Wer Ich bin. –

8 Nun höre denn aber auch noch ganz kurz, was die verschieden gefärbten Stockwerke dieses deines Hauses bedeuten. Siehe, das saftgrüne Erdgeschoß stellt den geistig naturmäßigen Zustand dar, dessen Hauptlebenszug sich im Hoffen ausspricht, welches Hoffen mit Glauben und Liebe umkleidet ist. Der erste Stock stellet den reinen und wahren Glauben dar, der mit sanfter Ruhe und Beständigkeit umkleidet ist. Der zweite Stock stellet die Liebtätigkeit dar, die aus dem reinen Glauben entspringt, entsprechend der irdischen Himmelsfarbe blau, durch die ebenfalls die beständigste Liebtätigkeit des Lichts sprechend und wohlerkenntlich verkündet wird allen, die eines verständigen Herzens sind; dieser Stock ist darum auch geziert oder bekleidet mit tiefer himmlischer Weisheit (violett) und reinster Nächstenliebe (rosenrot). Das dritte Stockwerk endlich bezeichnet durch sein jungfräuliches hehrstes Morgenrot den allerhöchsten Unschuldshimmel und pursten Liebehimmel, der eigentlich der vollends wahre Himmel ist, in dem Ich mit allen jenen zu wohnen pflege, die Mich über alles lieben; dieser Himmel ist daher auch ohne Verzierung, weil er in dem Wesen seiner Färbung schon ohnehin alle erdenklichen Vollkommenheiten in sich faßt, und Mich ganz allein zu seiner Zierde hat.

9 Nun hast du ganz kurz die richtige Bedeutung der sonderfärbigen Gestaltung deines Hauses; frage aber nun um nichts weiter; denn wie du in diesem deinem Stockwerkhause selbst von Stock zu Stock höher kommen wirst, da wird dir auch ohnehin alles klar werden, was du jetzt noch nicht einsehen und begreifen könntest.

10 Wir werden nun aber ins Erdgeschoß einziehen, allwo wir uns für's erste Stockwerk vorbereiten werden. Und so denn gehen wir voran hinein, und lassen dann auch alle anderen nach uns hineingehen, so sie es wollen; die aber nicht wollen, die sollen aber auch tun, was sie wollen! – Hast du wohl alles verstanden?« –

11 Spricht Robert: »Ja Bruder! und werde es auch getreust beobachten! – Aber sonderbar ist es denn doch, daß es unter diesen gutmütigen Wesen so verstockte und leichtfertige Wesen geben solle; wahrlich, das ist mir ein Rätsel der Rätsel!«

12 Rede Ich: »Ja du Mein geliebtester Bruder! du wirst dich noch ganz absonderlich zu wundern anfangen, wenn du mit mehreren Charakteren der Geister dieser Welt wirst zu tun bekommen! Du wirst die Schönsten finden können mit schneeweißer Wolle äußerlich angetan, und innerlich werden sie lauter reißende Wölfe, Löwen, Hyänen, Bären und Tiger sein!

13 Aber siehe da, nun sind wir schon in deines Hauses, und zwar in dessen Erdgeschosses ersten Eintrittsgemächern; wie gefallen sie dir?«


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