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Kapitel 77

Max Olafs Fürbitte vor dem Herrn bei der Vorstellung seiner gewonnenen kleinen Herde. Sein gutes Bekenntnis von der Gottheit Jesu, und seine völlige Hingabe in den Willen des Herrn

Am 8. Mai 1849

1 Etliche zwanzig an der Zahl bewegen sich an der Seite Max Olafs hin zu Mir, und der Anführer bei Mir ankommend und sich tief verneigend, spricht: »Mein Herr, und mein allerhöchster Freund! nach Deiner gnädigsten Verheißung habe ich, wie Du es hier ersiehst, eine kleine Werbung, die mein Herz ausgeführt hat, hier vor Dich her gebracht!

2 Einer zwar wollte nicht mitkommen, weil ihn einige Individuen wegen zu großer Bekanntschaft mit seinen irdischen Lebensverhältnissen zu sehr genierten; aber ich meine da, daß er darum doch noch nicht völlig verloren sein werde? Denn Du bist ja der eigentliche Herr dieses Hauses; und wer einmal Dein Haus betreten darf, der, glaube ich, kann doch unmöglich verloren gehen?! Er war auf der Welt im Grunde nie ein böser Mensch; seine Hauptschwäche war sein Fleisch, und da er leider der irdischen Mittel in großer Menge gesaß, so verfiel er dabei in einen Wust von allerlei Begierlichkeiten, die er auch bald und leicht ins Werk setzte. Ich muß es offen gestehen, daß sie mir nicht gefallen, und machen seinem Geiste wahrlich keine Ehre; aber was kann man nun machen? Verübt sind sie einmal! und so glaube ich, daß er wohl in Zustände kommen möchte, die ihm zur Besserung und zur gerechten Demut verhelfen dürften; aber ihn darum etwa zu richten und zu strafen, das käme wenigstens mir doch etwas zu hart vor?!

3 Übrigens sind das bloß nur meine Ideen und Meinungen, mit denen ich Dir, o Herr, nicht im geringsten vorgreifen möchte! Denn Dir gegenüber sage ich bloß nur: O Herr, o Freund! was Du willst, das geschehe!«

4 Rede Ich: »Ich sage dir aber, daß hier deine Meinungen und Ideen sehr gut, und daher auch gar sehr zu brauchen sind. Aber mit dem Geiste wird noch so manches geschehen müssen, bis er zur wahren Einsicht und Besserung gelangen wird! – Ich will auch von seinem irdischen höchst unkeuschen Lebenswandel gerne nichts sagen, obschon er sehr geeignet wäre, ihn um das ewige Leben zu bringen; aber dieser Geist ist auch zugleich voll des sehr stinkenden Hochmutes und voll des verderblichsten Übermutes; und siehe, da sieht es bei weitem schlimmer für diesen Geist aus, als wie du es meinen möchtest. Der Sinnlichkeit kann bald ein taugliches Mittel das Ziel setzen; aber dem Hochmute und dem Übermute ist auf dem Wege der ungebundenen Freiheit wohl nur sehr schwer oder aber auch wohl gar nicht beizukommen! – Doch wir werden sehen, was da zu machen sein wird.

5 Was solle Ich aber nun diesen deinen Mitgebrachten tun? – Sage es Mir ganz unverhohlen!«

6 Spricht Max Olaf: »Herr! was Du zufolge Deiner mir unbegrenzt vorkommenden Güte nur immer willst! Denn Deine Weisheit geht über alles; Deine Güte kennt keine Grenzen, und vor Deinem Willen werden Welten zum Staube!«

7 Rede Ich: »Aber lieber Freund, wie Ich es aus deinen Worten merke, so hältst du Mich ja sogar für das allerhöchste Gottwesen!? Sage Mir doch woher kommst du zu solch einem Glauben?!«

8 Spricht Max Olaf: »Herr! zu diesem wohlbegründeten Glauben, eigentlich nicht mehr Glauben, sondern zu dieser wohlbegründeten Anschauung gelangte ich ehedem eben durch Dein heiliges göttliches Wort! Denn Worte, wie die Deinen, so voll Wahrheit, so voll der höchsten Kraft, Weisheit und Liebe, zeiht keines geschaffenen Geistes Zunge! Daß die Gottheit Selbst in Ihrem innersten Urwesen niemand schauen kann und leben zugleich, das weiß ich recht wohl! Denn welcher endliche Geist könnte wohl je das unendliche Gottwesen schauen, und leben zugleich?! – Aber die Gottheit, die durch Moses redete, lehrte nach etlichen Jahrhunderten in aller Ihrer Fülle aus dem Menschensohne Jesus; und Dieser sagte: »Ich und der Vater sind eins, wer Mich sieht, der sieht auch den Vater!« – So also aber Jesus das lehrte, und Seine Jünger Ihn gar wohl schauen und hören durften, ohne daß sie dadurch ihr Leben einbüßten, so sehe ich wahrlich gar nicht ein, wie man sich Gott in einem ewig unzugänglichen Lichte vorstellen solle oder könnte?! Dazu kommt noch, wie es mir nun ganz untrüglich vorkommt, daß Du eben derselbe Herr Jesus bist, Der uns allen solch eine allererhabenste Lehre gegeben hat!? und so bin ich ohne der geringsten Täusche schon mit meinem Herzen, und mit meinem Glauben, und untrüglichsten Dafürhalten schon weidlichst am rechten Platze und Orte! Und ich meine, ich werde, je mehr ich Dich mit dem Herzen und den Augen anschauen werde, nicht nur nie das Leben verlieren, sondern dasselbe nur stets mehr und mehr gewinnen!? Habe ich recht oder nicht?«

9 Rede Ich: »Ich sehe schon, daß du in deinen Behauptungen fest und unerschütterlich bist, und so muß Ich dir's vorderhand schon gelten lassen, was und wie du von Mir das Außerordentlichste und Höchste haltest; die Folge aber wird es dir erst ganz klar machen, worin du nun noch in irgend einem Zweifel sein könntest. Im Übrigen aber sei du Meiner Liebe und Freundschaft für ewig versichert! –

10 Saget Mir! habt ihr keinen Hunger, und keinen Durst!?«

11 Sprechen alle: »O du bester himmlischer Freund! mehr als wir brauchten, um auf der Welt vor Hunger und Durst hin – zu werden! Wenn wir so eine kleine Stärkung haben könnten?! O, wie würde das unsere Gemüter aufrichten! – Darum sei so gut und lasse uns nach Deinem besten Willen so etwas zukommen!«

12 Ich winke dem Blum, dem Jellinek, dem Messenhauser und dem Becher, daß sie Brot und Wein diesen Armen reichen sollen, was dann auch alsogleich geschieht.

13 Mit großer Verwunderung, und mit tausend Dank und Lob essen und trinken diese Max Olaf'schen Herbeibringlinge, und als sie gar bald sehr gesättigt und gestärkt dastehen, spricht Max Olaf: »O Herr! nun stehe ich vor Dir hier, ohne allen Zweifel; Du bist es, und sonst ewig keiner mehr! Dir allein sei alle unsere Verehrung, Anbetung und Liebe!« –

14 Diese Olaf'schen Worte wiederholen alle die seinen, die er mitgebracht hatte. Blum lächelt vor Freuden über solch' eine schnelle Zurechtbringung sonst von der Welt sehr perturbierter (verstörter) Gemüter; auch der Dr.Becher, und der Messenhauser verwundern sich nun ganz gewaltig, daß ihnen der Max Olaf mit seiner Gesellschaft zuvorgekommen ist; auch unsere Helena (die Lerchenfelderin) fällt vor Mir nieder!


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