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Kapitel 45

Robert Blums ermunternde Anrede an seine ehemaligen Kampfgenossen über Christen und Christus. Eine Glaubensfrage an die Gäste und deren gute Antwort, auch über Jesus und der Sehnsucht Ihn einmal zu sehen

Am 9. Februar 1849

1 Spricht Robert: »Das freut mich, das freut mich sehr von euch, ihr meine lieben Freunde und wackeren Kampfgenossen, daß ihr nun so willig alles annehmet, was ich euch anrate! Ich gebe euch allen dagegen aber auch die treueste Versicherung, daß ich, so wahr mir dieser mein und auch euer größter Freund allezeit beistehen und helfen werde, euch auch nun die durchdachteste und bestimmteste Weisung geben werde, durch die ihr allerunfehlbarst zur wahresten Wohlfahrt des ewigen unzerstörbaren Lebens, in welchem ihr euch nun nach der Ablegung der schweren Leiber befindet, gelangen müsset.

2 Es wird freilich noch gar (so) manches erforderlich sein, und ihr werdet noch so manche Proben zu bestehen haben, bevor ihr für jene großen Zwecke vollends reif werdet, die der große, heilige, ewige Urheber aller Dinge und alles Seins uns Erdenmenschen, die Er Sich zu Kindern erkor, uns allen gestellet hat!

3 Aber nur Mut und Ausharrung, und eine wahre vollkommene Liebe zu Ihm, unserem ewigen heiligen Vater! Dadurch werden wir alle die uns beirren wollenden Vorkommnisse leicht besiegen, und diejenige Reife ehestens erreichen, durch die wir uns Ihm wahrhaftigst im Geiste und in der vollsten Wahrheit werden nahen können!

4 O Brüder! ich, euer getreuester Freund Robert sage es euch: was ich selbst auf der Erde nicht einmal zu ahnen vermochte, das entfaltet sich hier vor meinen, wie auch vor euren Augen nun schon so wundersam herrlich, daß auch die gebildetste Zunge nicht darzustellen vermöchte, was Gott denen bereitet, die Ihn lieben! Aber alles, was ihr nun sehet, ist nicht einmal ein Tautröpfchen gegen das Meer! Denn Unaussprechliches erwartet uns!

5 Höret, ein Weiser auf Erden, der das Reich der menschlichen Ideen und Phantasien mit einer tiefdurchdachten Würdigung jahrelang durchprüfte, sprach in großer Entzückung: »Welch ein Reichtum, welch ein unversiegbarer Born von zahllosen Himmeln der Himmel ist in dessen kleines Herz gelegt, der auf der Erde auf zwei gebrechlichen Füßen einhergehet, und unter allen Tieren aufrecht gehend, sich Mensch nennt! Könnte dieser Mensch alle seine Ideen durch ein göttlich Werde! realisieren. O! was Großes wäre es da, ein Mensch zu sein! und doch ist aller dieser Ideenreichtum und Phantasienreichtum eines Menschen kaum nur ein gebrochenster und leisester Schimmer jener endlosen Fülle, Tiefe und Klarheit, die in Gott zu sein jedes tiefdenkenden Menschen Erkenntnis annehmen muß!«

6 So aber dieser Weise, der meines Wissens ein Heide war, schon eine so erhabene Idee vom Menschen, und durch die untrüglichsten Symptome im Menschen eine noch endlos erhabenere von der Gottheit faßte, da er noch auf der Erde mit dem Staube der Vergänglichkeit bekleidet war, um wie viel mehr haben wir nun das vollste Recht, uns ganz diesen großen Ideen hinzugeben, da wir für's erste – durch des großen Gottes Gnade über dem Staube der Verwesung uns befinden, und für's zweite – wir uns auch »Christen« nennen, die berufen sind, in des großen Gottes Reich einzugehen!

7 Freilich, und leider sind wir nur kaum dem Namen nach Christen, und viele aus uns haben sich sogar geschämt Christen zu heißen, woran aber freilich Rom und unsere eigene Dummheit die Hauptschuld trägt; aber von nun an soll es nimmer also sein; die größte Ehre unseres Herzens wird es nun sein, Christus völlig anzugehören! –

8 Ich sage es euch: Christus ist alles in allem, Er ist das ewige Alpha und Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende; Er allein ist das Leben, die Wahrheit und der Weg – allen Wesen, Menschen, Geistern und Engeln; in Seinen Händen ruhen alle Himmel, alle Welten, und alles, was auf und in ihnen ist, atmet, lebet, webet und strebet! Durch Ihn, und durch Sein heiliges ewiges Wort können wir Kinder Seines ewigen Vaterherzens werden, und sein mit und in Ihm alles in allem; ohne Ihn aber gibt es ewig kein Sein, kein Leben, und somit auch keine Seligkeit! Glaubet ihr, meine lieben Freunde, mir das?!«

9 Schreien alle: »Ja, ja, wir glauben es! Sehen wir es nun auch noch nicht vollends ein, was du uns nun gar so herrlich verkündet hast, so glauben wir es aber dennoch unerschütterlich fest; denn wir wissen es ja, daß du uns nichts verkünden kannst, und auch nichts verkünden willst, was du zuvor nicht selbst allerklarst einsiehst! Was du aber einmal einsiehst, das siehst du mit allem Grunde ein, und so glauben wir dir aber auch alles, was du uns nur immer verkünden magst und kannst! Ehre sei darum Gott in der Höhe, Der dich mit so viel Verständnis und tiefer Einsicht begabet hat! –

10 Das, was du uns nun von Chritus gar so schön vorgesagt hast, hat uns alle ganz besonders erfreut! Denn weißt du, wir hielten heimlich auf Ihn stets große Stücke; aber freilich, wie Ihn die römischen Pfaffen, besonders die gewissen Mönche, nur zu oft entstellten, und Ihn nichts anderes tun ließen, als alle Menschen, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen möchten, ohne allen Pardon schnurgerade zur Hölle zu verdammen, da freilich mußte man sich ja am Ende denn doch dieses sonst so allererhabensten Namens förmlich – wenigstens öffentlich – zu schämen anfangen! Denn einen Gott von so kaprizierter, zorniger und eigensinniger Art, wie diese Mönche einen aus dem sonst so übermenschlich guten, guten Christus Jesus gemacht haben, konnte denn doch wohl kein nur mit einiger Vernuft begabter Mensch annehmen: »Das Rosenkranzbeten, die höchst fade Litanei, alle die Heiligengebete, die Exerzitien, die Verehrung der Reliquien, das Beichten ohne Maß und Ziel, das Messenzahlen ditto, und noch zahllose ähnliche Dummheiten mehr fordere Christus für die Gewinnung des Himmels!« Weißt, Bruder, das konnte man denn im 19.Jahrhundert doch nicht mehr annehmen, besonders, wenn man als ein armer Tagwerker nur zu oft Gelegenheit zu sehen hatte, wie diese Gottesdiener sicher aus lauter strenger Buße sich beim Altare, wo sie ihre Messen herunter leierten, vor lauter Speck beim Dominus vobiscum kaum umdrehen konnten!

11 Aber den Christus, von Dem du nun gesprochen hast, nehmen wir wohl mit der größten Bereitwilligkeit an, und haben eine große Freude an Ihm! Der kann auch gar wohl Gott Selbst sein; denn Er ist nach unserem Verstande gut, weise und mächtig genug dazu, besonders so Seine Wundertaten keine Märchen sind? Was aber auch nicht sein wird, und sein kann; denn der rechte Christus muß gewiß ein ganz anderer gewesen sein, als wie Ihn die schwarzen Pfaffen Roms ums Geld den armen Sündern verkündeten?!

12 Ach, was meinst du, Bruder? und was meint etwa dein uns gar liebvoll vorkommender Freund, Der bis jetzt noch nichts geredet hat, werden wir wohl auch einmal der Gnade für wert befunden werden, diesen Christus, Den du uns nun verkündet hast, also den Wahren, wohl irgendwann einmal, so wir etwa doch eimal würdiger sein werden, nur so von ferne hin zu sehen bekommen?! Bruder! wann das möglich wäre, wenn wir Christus allenfalls so wie eine Magdalena oder wie die zwei nach Emmaus wandelnden Jünger einst könnten zu sehen bekommen, o da wären wir schon über alle Begriffe selig! Denn das könnten wir wohl nimmer verlangen, daß ein Christus, wie du Ihn nun uns verkündet hast, sich so hundsgemeinen Menschen, wie wir dahier fast ohne Ausnahme sind, männlich und weiblich durcheinander, gar öfter zeigen sollte! Bruder! wenn so was möglich wäre, so leisten wir auf jede andere Seligkeit auf ewig Verzicht! Viel wissen, und viel einsehen und verstehen – ist wohl sehr schön, aber wir haben danach wahrlich keine so große Sehnsucht, als so es möglich wäre? weißt schon was?!«

13 Spricht Robert: »Liebe Freunde! ich versichere euch auf alles, was ihr nur immer wollt, der wahre Christus, obschon das allerhöchste und heiligste Gottwesen Selbst, ist noch immer Derselbe, wie Er als Mensch auf Erden war; Er sieht nur das an, was auf der Welt niedrig und verachtet war, und die von der Welt Verfolgten sind Seine Freunde und Brüder! Alles aber, was die Welt groß und herrlich nennt, und was sie bevorzugt, ist vor Ihm ein Greuel!

14 Daher freuet euch, ihr meine lieben Freunde und Brüder, ihr werdet den wahren Christus nicht nur einmal, sondern für immer sehen und lieben – ohne Maß und Ende! Denn ich sage es euch, und glaubet es mir auf's Wort, Christus ist euch jetzt schon näher, als ihr es je glauben möchtet! ja so ich dürfte, so könnte ich euch alle beim Schopf nehmen, und eure Köpfe dorthin drehen, wo Er Sich befindet, und ihr würdet Ihn da auch ohne weiteres ersehen müssen; aber ich darf es nun noch nicht, eures Heiles willen; daher geduldet euch nur noch eine gerechte Weile, bis ihr so ums kennen reifer werdet; dann wird auch das geschehen, das glaubet mir auf's Wort! Ich will vor euch ewig als der allerverachteste Lump erscheinen, so nur eine Silbe von alledem unwahr ist, was ich euch nun gesagt habe! Seid ihr damit zufrieden?«

15 Schreien alle: »Ja, ja, wir sind alle damit vollkommenst zufrieden! Jetzt verlangeten wir Ihn auch noch nicht zu sehen; denn wir wissen wohl nur zu gut, daß wir Seines Anblickes noch gar lange nicht wert sind, aber wir wollen darum auch alles tun, um uns Seines Anblickes nur einigermaßen würdiger zu machen! 16 Denn weißt du, wir waren in Wien halt doch schöne Lumpen! Ach, wir wollen gar nicht daran denken, was wir besonders in der letzten Zeit alles angestellet haben; und so können wir's wohl unmöglich etwa bald verlangen, du weißt schon was? Denn wenn die römischen Pfaffen nur ein hundertstel Wahrheit in ihren Höllenpredigten den Zuhörern auftischten, da wären wir halt gerade reif für's Zentrum der Hölle! Wenn aber Gottes Christus Gnade dennoch größer ist, als die Prediger uns sie verkündet hatten, da dürfen wir wohl auch noch hoffen – zu der Gnade zu kommen, deren du uns versichert hast! Aber da gehört noch gar viel Zeit und Geduld dazu! Also sind wir aber nun dennoch sehr zufrieden, und danken dir und deinem Freunde für diese Zusage, und so magst du nun wohl in dein Haus ziehen, und es besehen!«


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