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Kapitel 6

Bei äußerer Ruhe innere Unruhe, weiterer Monolog über das Leben und das Nichttotsein nach dem Tode, Verzweiflung in der Finsternis, vom Glück des Glaubens. Vom Weib und Kind, und vom Beten

1 Nach diesen Worten wird unser Mann ganz stumm und ruhig mit dem Munde, aber desto rühriger in seinem Herzen, was ihn schon wieder ärgert, da er in dieser Rührigkeit nur desto mehr Leben und ein desto umfassenderes Bewußtsein in sich wahrnimmt. Je ruhiger er wird, desto größer wird auch die innere Regsamkeit; und je mehr er dieselbe unterdrücken will, desto kräftiger tritt sie auf! –

2 Das treibt ihn schon wieder in eine neue Art von Verzweifelung und Zornwut; denn es wird ihm immer einleuchtender, daß er auch auf diese Weise des ihm schon über alles lästigen Lebens nicht los werden kann; daher fängt Robert Blum wieder zu reden an, und spricht:

3 »Nun möchte ich aber in allen Teufels Namen denn doch wissen, was denn in sich das mehr als schweinsdumme Leben ist, daß man seiner nicht loswerden kann!? – Ich habe ja doch Tausende sterben gesehen, – und sie wurden tot, und es blieb auch nicht das leiseste Lebenszeichen mehr übrig, die Verwesung war das vollkommenste Ende ihres Seines!? – Diese können doch unmöglich irgend ein Bewußtsein mehr haben, und sind sonach vollkommen dahin! Oder sollen sie etwa auch gleich mir außer dem Leibe noch ein Leben haben, und zwar gleich diesem meinen?! –

4 Ich kann einmal nicht tot werden? – Wer erhält mir denn dieses lästige Leben?! – – O du, – der du mich hast erschießen lassen, deine Henker müssen mit dem Totmachungshandwerke noch sehr schlecht vertraut sein! – Denn du hast mich nicht totschießen, sondern nur lebendigschießen lassen! – Wenn deine Helfer an allen deinen Feinden solche Effekte, wie an mir bewirken werden, dann erspare dir die Mühe; denn ich sage es dir aus dieser meiner stygischen Nacht: Du wirst deine Feinde erst recht lebendig machen durch dein Pulver und Blei! – Harter Mann, du hast an mir ein großes Unrecht geübt; denn du wolltest mir nehmen, was du mir nicht gegeben und ewig nicht wieder geben kannst; aber wie sehr lache ich dich nun aus; denn ich, den du totmachen wolltest, lebe; du aber, der du zu leben wähnest, bist nur um zehnmal toter als ich, dein erstes Opfer!

5 Es wäre im Grunde alles recht, wenn ich so ein kleinstes Schimmerchen von einem Lichte hätte!? – Aber diese totale Finsternis! – Die solle der Teufel holen! Wenn es irgend auch einen gibt! – ? – – Ich setze den Fall: Wenn ich so in dieser Lage etwa ewig verharren solle?! – O verflucht! – – –

6 Wenn ich etwa doch schon so ein Geist bin? – das wäre wohl eine ganz verteufelte Bescherung! – Nein, das glaube ich aber nicht; ein ewiges Leben kann es ja nicht geben!? – Und doch, – doch kommt es mir schon so hübsch lange vor, seit ich in dieser Finsternis zubringe! – es müssen doch schon so einige Jährchen verflossen sein?! – Nur Licht, Licht! Dann ist alles recht!

7 Ich muß es mir nun offen gestehen, daß es mir nun lieber wäre, so ein recht dummer Kerl zu sein, der an den Gottessohn, an den Himmel, nebenbei freilich auch an den ewigen Tod, an den Teufel und an eine Hölle glaubt, und in solchem Wahnglauben mit – für seine freilich beschränktesten Tugendbegriffe – ruhigen Gewisses stirbt, als daß ich hier mit meiner geläutertsten Vernunft mich in der totalsten Lichtlosigkeit befinde! – Aber was kann ich dafür! – Ich suchte stets die Wahrheit, und glaube, sie auch gefunden zu haben; aber was nützt sie, wenn es in ihr kein Licht gibt!? – Es ist nun einmal also, und so sei und bleibe es auch! –

8 Das Beste bei mir ist und bleibt meine männliche Standhaftigkeit und gänzliche Furchtlosigkeit; denn wäre ich wie so viele tausend andere ein ängstliches und furchtsames Wesen, so müßte ich in diesem Zustande notwendig in die allertiefste Verzweiflung geraten! – aber so ist mir nun schon alles eins! –

9 Mein Weib und meine Kinder fangen in meinem Herzen freilich sich nun auch ein wenig zu rühren an; – die Armen werden wohl Traurigkeit um mich haben, und einen großen Kummer! – ? – Aber – was kann ich in dieser Lage für sie tun?! – Nichts, gar nichts! – Beten, das könnte ich freilich, und hätte Zeit genug dazu! – Aber zu wem, und um was, und zu welchem Nutzen?! – Der beste Wunsch ist für sie alle ohnehin tiefst in meinem Herzen ein wahres und bestes Gebet, das ihnen sicher nicht schadet, so es ihnen auch nichts helfen kann; ein anderes Gebet aber kenne ich nicht, außer die wohlbekannten römischen »Vater unser« und »Ave Maria's«, und wie noch eine Menge anderer Mund- und Zungenwetzereien heißen! – für diese aber würde sich meine gute und gebildete Familie sicher sehr erstaunt bedanken, so sie inne werden könnte, daß ich so was für ihr Heil, gleich einem Tollhäusler täte! – Doch, sie kann es ja unmöglich je erfahren, was ich hier tue?!« –


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