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Die Neapolitaner haben den Ruf, schlechte Soldaten zu sein. Man erzählt, als man dem verstorbenen Könige von Neapel Vorschläge für eine neue Uniformierung seines Heeres nach französischer Art gemacht und dabei auf den Nutzen der Brustwattierung gegen Schuß und Hieb hingedeutet hätte, habe er ruhig alle diese Auseinandersetzungen mit angehört. Dann soll er lachend erwidert haben: »Kleidet sie, wie ihr mögt, aber Watten machen heiß; und wenn ich meine Neapolitaner gegen Schuß und Hieb schützen wollte, müßte ich ihnen den Rücken und nicht die Brust wattieren lassen.«
Trotzdem sehen die neapolitanischen Truppen vortrefflich aus und präsentieren sich auf das stattlichste bei dem Feste der Madonna von Piedigrotta, welches am 8. September gefeiert wird.
Die Kirche von Piedigrotta, am Ende der Villa Reale und hart am Fuße des Posilip gelegen, ist sehr klein und unansehnlich; aber die Madonna von Piedigrotta wird hoch verehrt und viel besucht. Irre ich nicht, so hat sie sich in einer Schlacht auf dieser Stelle dem neapolitanischen Herrscherhause gnädig erwiesen, und zur Erinnerung daran findet an dem Tage jenes Sieges die große Parade statt, welche den Mittelpunkt dieses Volksfestes bildet.
Die Villa Reale ist das ganze Jahr hindurch dem Teile des Volkes verschlossen, der nicht wohlgekleidet ist. Wohlgekleidet heißt aber in diesem Falle nicht etwa reinlich und sauber oder tüchtig und zweckmäßig; sondern man fordert eine Kleidung, welche den Anspruch verrät, sich den Moden der Reichen und Vornehmen anzupassen. Kein Livreediener, kein Mensch in der Volkstracht der Inseln, welche viel schöner und reicher ist als unsere moderne Kleidung, hat Zutritt in die Villa; aber die verblichenen Flitter, mit denen die törichte Putzsucht der Mittelstände den Luxus der Reichen nachzuahmen sucht, finden Gnade und wandern privilegiert unter den schattigen Alleen umher. Nur am Vorabend und während des ganzen Tages des Piedigrotta-Festes ist die Villa für jedermann, ohne Rücksicht auf die Bekleidung, geöffnet und wird dann von zahlreichen Menschenmassen besucht, die von den Inseln und der Umgegend zu der großen Parade herbeiströmen.
Schon am 7. September sieht man die reichen, fast griechischen Frauentrachten von Ischia und Procida in den Straßen prangen: lange Röcke von hellfarbigem Atlas mit Brustlätzen und Kaftans von dunkelrotem, goldverbrämtem Atlas darüber. Kleine reichgestickte Pantöffelchen, goldenes Haargeschmeide, das aus den um bunte Bänder gerollten Flechten hervorblitzt, riesige Ohrringe und Halsketten funkeln im Sonnenschein und heben die fast orientalische Gesichtsbildung der Insulanerinnen auf das vorteilhafteste hervor. Daneben gehen am Arme von Soldaten und in Begleitung von Mönchen, die zur Familie gehören, die Landbewohner in ihrer derberen und doch noch malerisch schönen Kleidung, wenn man sie mit den Kostümen des Nordens vergleicht. Auf den Häusertreppen, auf den Stufen, welche zur Villa führen, in der Villa selbst, überall fröhliche Menschen.
Längs der Riviera wird in schnell errichteten Buden und auf den tragbaren Öfen die Schneckensuppe gekocht, wohin man sieht, die Lieblingsspeise verteilt und verzehrt, ein Stück mit Obstmus bestrichenes Brot, reichlich mit gesottenen Schnecken belegt. Uns schien der Duft, der von dieser Speise zu den Balkons unserer Wohnung empordrang, höchst widerwärtig; das Volk aber genoß die wunderliche Mischung mit größtem Behagen, in den malerischsten Gruppen die Öfen umgebend.
Oben am Fuße von Capodimonte, wo der Toledo an der Brücke della Salute endet, sind lange Tafeln mitten auf den Trottoirs gedeckt, und die ganze Nacht durch schmausen hier die begüterten Handwerker auf offener Straße, während die Illumination der Häuser ihnen Licht verleiht und die bunten Fahnen an denselben die heiterste Ausschmückung bilden. Man singt, lacht, läßt Musik ertönen, und erst der Anbruch des Tages treibt die Fröhlichen zu kurzer Ruh in ihre Wohnungen.
Denn am Morgen gibt es ein neues, prächtiges Schauspiel. Die neapolitanische Marine liegt reich ausgeflagget an der Riviera vor Anker. Die Garden und alle andern Truppen bilden ein Spalier vom Palaste, dem Largo del Castello über Santa Lucia und Chiatamone fort, die ganze Riviera di Chiaia abwärts, bis hin zur Kirche von Piedigrotta. Die Uniformen der Soldaten sind auffallend reich und die der Kavallerie phantastisch zu nennen. Preußische Offiziere in unserer Gesellschaft erklärten die Kleidung für unzweckmäßig und die Kavallerie für schlecht beritten. Beides verstand ich natürlich nicht; ich war nur befremdet, alle Kanonen und sonstigen Wagen mit Maultieren bespannt zu sehen, die, groß und stattlich wie Pferde, für die dortige Berggegend viel zweckmäßiger sein sollen.
Wenn der König die Parade abgehalten hat, so tritt der Hof den Festzug nach Piedigrotta an. Die Etikette des Hofes soll noch einzelne Elemente der spanischen Zeit in sich bewahrt haben, namentlich aber auch die schöne, spanische Kleidung der Frauen. Alle Damen erscheinen bei Hofe in langen Schleppkleidern von kornblauem, mit Gold gesticktem Sammet, feuerfarbener Sammettaille, ebenfalls reich gestickt, und lange, weiße, golddurchwirkte Schleier im Haare, von Diademen gehalten.
Dieses Kostüm, noch durch eine Krone geziert, trug auch die Königin, eine kleine, unbedeutende Frauengestalt mit kränklichem Ausdruck in den habsburgischen Zügen. Sie saß an der Seite ihres sehr großen und starken Mannes in einer vergoldeten Kutsche, die mit Kronen und Federbüschen geschmückt war und deren große Glasfenster das Herrscherpaar deutlich sehen ließen. Acht Pferde, ebenfalls reich aufgeputzt, von glänzender Dienerschaft an den Zügeln geführt, zogen den Wagen; Läufer in weiß und blaßblauer Seide, Federstäbe in den Händen, gingen voraus. Der königlichen Kutsche folgten die des Kronprinzen und der übrigen fünf oder sechs königlichen Kinder, die alle noch im zartesten Alter sind. Jedes von diesen saß in einer besondern Equipage allein im Fond; die kleinsten auf kleinen Stühlchen, damit sie in den tiefen Wagen dem Volke sichtbar werden; ihre Hofmeisterinnen und Wärterinnen ihnen gegenüber. Dann kamen die Königinmutter, die Geschwister des Königs und ein zahlreicher Hofstaat, so daß ich nicht begreife, wie dieses große Gefolge und die Menge dazu berechtigter Generale und Beamten Platz finden, dem Gottesdienste in der engen Kirche beizuwohnen.
Nach demselben kehrt der Hof in gleicher Reihenfolge denselben Weg in den Palast zurück. Die Truppen und die Schiffe salutieren, abends sind die Villa Reale und die Schiffe im Hafen beleuchtet, die ganze Nacht dauert das Leben in den Straßen fort und – am nächsten Morgen ist die Villa Reale wieder nur für »Wohlgekleidete« geöffnet, obgleich ich nicht bemerken konnte, daß die Nichtwohlgekleideten während des sechsunddreißigstündigen Interregnums dort den geringsten Schaden oder die kleinste Störung verursacht hätten.