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In Ludwigsburg fing nun für mich ein ernsterer Schulunterricht an.
Es war dort ein strenger, aber guter Lehrer der klassischen Sprachen, mit Namen Breitschwerdt, der, soviel als möglich war, alles aufbot, bei mir das früher Versäumte nachzuholen.
Es war ein Mann von steifer, militärischer Haltung, in seinen Glanzstiefeln hatte er, wie in einem Köcher, Haselnußstecken verwahrt, mit denen er, zwar mich nicht, aber andere seiner Schüler, oft empfindlich durchschlug. Mit mir schien er, als einem ohne eigene Schuld Vernachlässigten, mehr Mitleiden zu haben.
In dieser Schule waren übrigens viele tüchtige junge Leute, denen ich, weil sie schon größere Fortschritte gemacht hatten, nacheifern mußte; sie hießen: Roser, Weigle, Ruoff, Burnitz usw., und jetzt, wo sie zu Männern herangereift sind, hat ihr Name im Vaterlande einen guten Klang. Weigle und Ruoff zeichnen sich in Ludwigsburg als Gewerbsmänner aus, Roser, jetzt Legationsrat in Stuttgart, ist neben treuer Erfüllung seiner Berufspflichten ein eifriger Naturforscher, besonders in der so merkwürdigen Welt der Insekten, und Burnitz, von dem ein älterer Bruder, den ich besonders zu meinen Jugendfreunden zu zählen hatte, frühe in Frankfurt als geschätzter Kaufmann starb, ist in Frankfurt einer der ausgezeichnetsten Baukünstler unserer Zeit und, was noch mehr, eine durchaus rechtliche, fromm denkende Seele.
Ein Knabe, namens Pflüger, der immer einer der ersten in dieser Schule war, ist Drehermeister in Ludwigsburg. Er war sehr stark in Verfertigung von Hexametern und gab mir zu solchen die erste Anweisung.
Ich hatte an den römischen Autoren große Freude. Sallust, Cäsar etc. wurden meine Lieblingsbücher, und als ich an die Dichter kam, namentlich an Ovids Verwandlungen, so erwachte in mir auch die Poesie immer mehr, und ich lieferte dem Lehrer häufig meine Übersetzungen in gebundener Sprache. Dabei wurde nun auch Italienisch und Französisch geübt und vieles von Metastasio, Petrarca usw. in Versen übersetzt. Aus dieser Zeit besitze ich noch die »Isola deserta« von Metastasio, von mir in Jamben übertragen. Weniger Fortschritte machte ich in der griechischen Sprache, ob mich gleich die Dichter Griechenlands sehr ansprachen, wobei ich aber immer die Übersetzungen zu Hülfe nahm; namentlich die Vossische Übersetzung beim Homer, die ich mit meiner Schwester Wilhelmine in einem Wäldchen bei Neckarweihingen, wohin wir dazumal im Frühling alle Abende wanderten, mit steigender Begeisterung las.
Es folgten dem bald eigene Nachbildungen und epische Versuche in Hexametern.
Der als Dichter bekannte Philipp Conz war dazumal Diakonus in Ludwigsburg. Er wurde der Beichtvater meiner Mutter und nahm sich meiner Fortschritte nicht nur in den toten, sondern auch in den lebenden Sprachen (namentlich auch im Italienischen) sehr an. Er war die Güte und Naivetät selbst.
Was ich in gebundener Rede verfertigte, brachte ich ihm; aber seine Dichterbildung war eine sehr klassische, und meine unklassischen Versuche veranlaßten ihn nicht, mich zum Dichten aufzumuntern, daher ich auch später, besonders als mich die deutsche Volkspoesie mehr als alles Klassische anzog, alle Verse ihm lieber verbarg.
Mein Bruder Carl mühte sich ab, mir Unterricht in der Mathematik zu geben; aber er konnte mich hier nicht weiter als zur sogenannten Eselsbrücke, dem pythagoreischen Lehrsatze, bringen.
Er sagte oft zu mir: »Den allerdümmsten meiner Artilleristen kann ich in diesem Wissen weiterbringen als dich.« Man mußte den Unterricht aufgeben, denn ich war und blieb für die Mathematik durchaus vernagelt.
In die damalige unschöne Literatur arbeitete ich mich durch die reichlich mit Kramerschen, Spießischen, Lafontaineschen etc. Schriften versehene Lesebibliothek des Herrn Antiquar Nasts ein, welcher oft selbst die Auswahl leitete, damit nichts Verderbliches ins junge Blut übergehe; aber je abenteuerlicher Titel und Inhalt dieser Bücher waren, desto mehr drang ich in ihn, sie mir abzugeben.
Dagegen sorgte mir Conz für Schillers neueste Tragödien, für Klopstocks, Höltys, Mathissons, Salis Gedichte; Göthes Werke lernte ich erst etwas später kennen.
Mein Bruder Carl war ein großer Verehrer von Seume, dessen Gedicht an Münchhausen:
»Freund trinkst du einst an Deutschlands schönem Rheine« etc.
er immer im Munde führte; daß ich nun Seumes Gedichte auch mit Liebe las und Nachbildungen versuchte, konnte nicht fehlen.
In ästhetischen Dingen folgte ich in früher Jugend zu sehr oft fremdem Urteile und Dafürhalten. Ich stand auch zu gern jedem nach, wobei auch immer das Gefühl in mir vorherrschend war, ich würde einen andern betrüben, und betrüben wollte ich nie einen Menschen. So gab ich auch damals in ästhetischen Urteilen meinem Bruder Carl gerne nach, obgleich die Poesie seine schwache Seite so wie meine die Mathematik war.
Ich fand, daß oft gerade ein Dichter, der mir nicht zusagte, außerordentlich gepriesen wurde, und dies machte mich dann oft an mir selbst irre.