Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Schon nach dem Tode Herzog Carls und noch mehr nach dem Herzog Ludwigs wurde Ludwigsburg durch Abzug des Hofes und eines Teils vom Militär sehr verödet – Bevölkerung und Gewerbe waren ohnedies klein, und desto auffallender die Menschenleere in den langen, weitgebauten Straßen. Ich erinnere mich noch mancher Sonntage, wo nachmittags der große Marktplatz vor unserm Hause so still war, daß man auf demselben fast die Perpendikel der benachbarten Turmuhr gehen hörte. In den Arkaden waren oft die einzige Bevölkerung die Hühner des Italieners Menoni, und nur das Krähen derselben unterbrach die Stille, die oft ringsherum herrschte. Eine auf die Hauptwache ziehende Schildwache, ein in der Ferne durch die Straßen eilender Perückenmacher waren oft stundenlang die einzigen Figuren, die man von den Fenstern der Oberamtei in dem großen Raume erblickte, außer der stehenden, steinernen Figur des Herzogs Eberhard Ludwig, des Erbauers dieser Stadt, die mitten auf dem Markte auf dem Brunnen stand. Es war in Wahrheit so, wie ich in meinen »Reiseschatten« anführte, wo die Stadt Ludwigsburg unter dem Namen Grasburg vorkommt, weil aus dem unbetretenen Pflaster mancher Straßen und Plätze hohes Gras wuchs.
Besondere Gefühle von Verlassenheit und Trauer wandelten einen in den vielen langen und menschenleeren Alleen der Stadt an. So hatten auch die großen, verlassenen Räume des Schlosses und namentlich die Gegend des Corps de Logis etwas Unheimliches, Gespensterhaftes. Im Corps de Logis war das Gemach, in welchem Herzog Carl Alexander starb, von dessen Tode allerlei unheimliche Sagen gingen. Hier war es auch, wo in späteren Jahren die Schildwachen in der Nachtzeit mehrmals wie von einer unsichtbaren, gewaltigen Hand gepackt und über die Balustrade am Schlosse geworfen wurden. Auch waren mehrmals diese Wachen genötigt, die Posten zu verlassen, um auf der Schloßwache Anzeige zu machen von Lärmen und Tönen, als gingen Menschen die Treppen und Gänge auf und ab, wobei sie Schlüssel rasseln und Türen auf- und zugehen hörten. Es wurden mir diese Vorfälle von einem damals wachhabenden Offiziere, der im Augenblick in Begleitung seiner ganzen Mannschaft Untersuchung darüber anstellte, selbst erzählt und versichert, daß er weder einen Betrug gefunden noch eine natürliche Ursache erforscht habe, woher das von ihm angehörte nächtliche Unwesen hatte kommen können. Einen Soldaten, der auf seinem Posten dort einmal nächtlich gepackt und über die Balustrade gegen die Gruft hinabgeworfen wurde, sprach ich selbst einmal über diesen Vorfall. In diesen gespenstisch gewesenen Teil des Schlosses wurden in späterer Zeit die Geschäftszimmer aufgeklärter Regierungsherren verlegt, wo wohl bald sieghaft deren Geist diesen abergläubischen Spuk zum Wohle der Aufklärung vertrieb.
In Ludwigsburg war um diese Zeit kein Stadt- und kein Landleben mehr; ja, es hatte durch das, was noch vom Hofe und Militär übriggeblieben, noch mehr Drückendes, besonders für den Beamten. Der Aufwand für einen solchen war auch in Ludwigsburg größer als in einer Landstadt, obgleich das Einkommen der Oberamtei Ludwigsburg sehr klein war. Mein Vater, überdies ein großer Freund der Natur, wünschte sehr, eine Stelle zu erhalten, die, wenn sie ihn auch mit größeren Arbeiten belastete, ihm doch eine freiere Bewegung als die Stelle in einer Residenz gab.
Als nun die wohldotierte Oberamtei Maulbronn im Jahr 1795 frei wurde, meldete er sich um dieselbe und erhielt sie auch, trotz des Widerstrebens der Bürger der Stadt und des Amtes von Ludwigsburg, die ihn aufs herzlichste liebten und ehrten und ihn um keinen Preis von sich scheiden lassen wollten. Während seiner Amtsführung hatte er in Stadt und Land das Gemeindewesen in die beste Ordnung gebracht, und viele Einrichtungen, die er traf, sind noch jetzt ein Muster für andere.