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Die Oberamtei hatte zwei Erker (kleine Türmchen) an jedem Ende. In dem Erker, der gegen das Fronhaus hinschaute (ein langes Gebäude, in welchem sich mehrere Familien von Kloster-Insassen, Weingärtner etc. befanden), war mir mein Aufenthalt angewiesen. Rings an den Wänden befanden sich Bücherständer, die mir mein Vater meistens mit naturhistorischen Werken, mit geographischen und mit Reisebeschreibungen aus seiner großen Bibliothek, die im untern Stock des Hauses eingerichtet war, gefüllt hatte. Bonnets »Betrachtungen der Natur«, Hallers, Reimarus' Werke verschlang ich und las eine Menge Reisebeschreibungen. Es gab damals eine aus dem Französischen übersetzte Reisebeschreibung in mehr als 30 Bänden (»Delabordes Reisen«), die fast die ganze Welt umfing; von dieser führte ich lange Zeit immer einen Band mit mir und las in demselben auf dem Heuboden, im Garten, im Walde und in den Klostergängen. Ein altes Werk über die Eroberung und Geschichte Mexikos in Quart mußte mir auch oft als Begleiter in Wälder und Felder dienen. Da schwärmte ich in der romantischen Geschichte der Inkas, träumte von Sonnenjungfrauen und Tempeln von Gold und zürnte ihren habsüchtigen Eroberern. Länger konnte ich nie in meinem Erkerkäfig ruhig bleiben, als die verschiedenen Stunden meines Unterrichts dauerten. Die vielen Tiere, die mein eigen waren, ließen mich auch nicht ruhen. Hatte ich aber nur einen Vogel, einen Hund bei mir in meinem Käfig, so vertiefte ich mich neben ihm schon auch gerne in ein Buch und las in demselben bis zum Ende fort. Vor den Fenstern meines Erkers standen in Töpfen meine Blumen, und meine gute Schwester Wilhelmine half mir in deren Pflege. Oft kam auch der ältere Freund Gottfried hinter sie mit prüfendem Blicke und ordnete deren Beschneidung, Versetzung und Aufbindung usw. an. Das mittlere Zimmer des Oberamteigebäudes war zum Staatszimmer bestimmt, und mein Vater hatte in dasselbe seine Gemäldesammlung gebracht, die er schon in Ludwigsburg besaß. Es waren meistens Ölgemälde, Landschaften von Harper, historische Darstellungen, Nachtstücke, Seestücke, Blumen- und Tierstücke, Kopien und Originalien, deren Meister mir nicht bekannt wurden.
Durch sie ward in mir die erste Lust, in Öl zu malen, erweckt, die ich in späteren Jahren ausübte. Die lebensgroße Darstellung eines Greisen im Kerker (Cimons), dem, um ihn vom Hungertode, zu dem er verdammt war, zu retten, seine Tochter die Brust reichte, war wohl das schönste Bild der Sammlung.
In demselben Zimmer befand sich auch ein sehr schöner Heiland am Kreuze, von Bronze und vergoldet, auf einem Piedestal von schwarzem Marmor, ein altes Familienstück, das nachher meinem Bruder Louis als Geistlichem zufiel und später in die Hände der frommen Gräfin von Maldeghem kam.
Auch ein anderes plastisches Kunstwerk zierte dieses Zimmer; es waren zwei Pferde von Bronze in steigender Stellung, sehr kunstreich und lebendig. Sie stammten von meinem Großvater Stockmayer und deuteten auf das Wappen von Stuttgart, ein Ehrengeschenk dasiger Bürger. Sie kamen später meinem ältesten Bruder, Georg, zu und befinden sich jetzt in Hamburg.
Im untern Stock der Oberamtei befanden sich die Amtszimmer und rechts beim Eintritt das Bibliothekzimmer meines Vaters, da wo ehemals die mit Stein belegte Schlachtstube des Wildes war; denn dieses Gebäude diente früher dem Herzog Christoph zu einem Jagdschlosse und war von dem berühmten Baumeister Schickard gebaut.
Der Oberamtei gegenüber stand das große Prälaturgebäude und vor der ersteren auf einem freien Platze ein schöner, lebendiger Brunnen mit vielen Röhren, die ihre Wasserstrahlen in bronzene, große Schalen ergossen. Es war ein Kunstwerk alter Zeit.