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Der Nutzen der Akademien
Es war gerade der Brandsonntag des Dorfs, der für den an Materialien abgebrannten Pelz so sehr das Beschneidungs-Fest wurde – welches Fest, beiläufig gesagt, wir jüdisch und symbolisch genug zum Evangelium des Neujahrstages unseres Beschneidungs-Jahrhunderts machen –, daß er die Sitzung mit der Bemerkung anhob, er habe nur diesen Tag erwartet, um einmal große Akademien, falls er bisher einer kleinen einige Ehre durch die Praxis gebracht, auch durch die Theorie zu rühmen. Er sagte erstlich den Verächtern der Akademien der Wissenschaften ins Gesicht, ihre abgenutzte Einwendung, als ob von Gesellschaften immer das Kleinste, und nur von Einzelnen immer das Größte geleistet werde, nehm' er gern an, ja er treib' es noch weiter und behaupte, daß, wenn der Staat einzelne geldarme und geistreiche Köpfe zur Unterstützung aussuchte und ferner statt der lebendigen Mitglieder lieber tote Instrumente, physikalische, chemische etc. etc., anhäufte, wir ganz reichere Werke bekommen würden, als die meisten akademischen Vorlesungen sind.
Pelz räumte willig ein, so wie von jeher große Kirchen- oder große Ratsversammlungen wenig geliefert, so sei es auch mit gelehrten Konzilien (wie, setz' ich selber hinzu, Lavater bemerkt, daß die Schattenrisse mehrerer Männer, zu einem Gesichte zusammen exzerpiert, den Schattenriß eines Narren gäben); – die Dichter oder Philosophen, zusammengetan in eine Akademie, brächten ohnehin nicht einen einzigen bessern Dichter oder Philosophen mehr zuwege, weil ja sonst die Anhäufung der Dichter oder Philosophen auch in der Zeit wie im Raume so wirken müßte, daß der letzte Dichter der beste aus so vielen würde. – Ja er gestand Gegnern der Akademien freiwillig, es sei ihm recht gut bekannt, wie erbärmlich die Gelehrten verschiedener Klassen, z. B. ein Geschichtschreiber, der eine scheidekünstlerische Vorlesung auszuhalten, ein Scheidekünstler, der eine historische zu besuchen und auszudeuten hätte u. s. w.; schon sogleich Ekel mitbrachten und Ekel mitnähmen, wie etwan zu Ciceros ZeitMeiners Geschichte des Verfalls der Sitten der Römer. es zum artigen Gast gehörte, vor der Mahlzeit ein Brechmittel zu nehmen und nach derselben wieder eins, womit Pelz gleichnisweise nur sagen wollte, der Akademist behaupte vor und nach der fremdartigen Vorlesung einen gewissen, nichts behaltenden Ekel.
Aber jetzt, nachdem er den feindlichen Taureadoren guter Akademien alles nur Billige eingeräumt zu haben glaubt, stößt er sie ziemlich unsanft mit den bloßen leichten Fragen nieder: wie niedrig sie es denn anschlügen, daß die Akademien große Säle und darin Büsten der größten Männer samt lebendigen wirklichen Mitgliedern und Ehrenmitgliedern der letztern hätten? Ob sie Sekretäre der Akademie, welche überall hinschreiben, ferner die Geburts- und Jubelfeste, die fremden Zuhörer für nichts und für Spaß ansähen? Ob nicht die Akademien jedesmal, wären auch die Vorlesungen sämtlich weniger wichtig ausgefallen, so wichtige Protokolle darüber führen ließen, daß sogar Fremde nicht dabei bleiben dürfen? Ob sie nicht die seltensten schwersten Preisfragen statt gemeiner leichter Antworten gäben und nicht, anstatt sich selber krönen zu lassen, andere krönten? – »Man nehme«, sagte Pelz, »die Akademien weg, so sind auf einmal alle Protokolle derselben kaputt und fort und die Säle, die Diener, die Ehrenmitglieder und die verschiedenen Klassifikationen der Glieder; oder wäre dies alles nichts? Ja lieset zuweilen (was nicht so unerhört ist) irgendein trefflicher Akademist vollends ein reiches herrliches Werkchen vor: so gibt das Opus noch gar Überschuß des Gewinns, welcher als ein Supernumerar- und Surplus-Opus dich auch sehr mit anzuschlagen ist. So könnt' ich mich noch besonders über die großen akademischen Gebäude und weiten Säle auslassen, insofern, wenn nach Newton der Raum das sensorium der Gottheit ist, diese Räume die sensoria gelehrter Untergötter sind. Ja ich könnte getrost die Frage aufwerfen, warum man, wenn ein Gellius Vibius am Ende selber wahnwitzig wurde, weil er als Redekunst-Lehrer seinen Schülern Gebärden und Worte von Wahnwitzigen zu oft vorzumachen gesucht, warum man, sag' ich, nicht mit viel mehr Recht verhofft, daß im umgekehrten schönern Falle der Ernst, die Würde, die Wichtigkeit, die Sprache, kurz die ganze Außenseite großer Weisen, welche von allen Akademisten gefodert und gezeigt wird, zuletzt diese selber innen in das umsetzen, was sie außen in Sitzungen vorspielen. – Ein schöner Zug der Akademisten ists noch, daß sie auf jedes Mitglied neidlos eine Lobrede halten, und zwar sogar nach dessen Tod, der es doch der Nachwelt überliefert, bei welcher ein Nach-Ruhm so sehr lange dauert; und noch dazu mit so schönem Verzicht auf sich, da der Lobredner schon weiß, daß er dadurch nicht sein eigner, sondern bald vergessen wird.Solche kalte, aber doch schmelzbare und riesenhafte Darstellungen von Personen sind schöne Schnee-Lobreden, welche Hofleute und Akademisten täglich machen, so wie jetzt in Paris ein Künstler die alten römischen Kaiser-Brustbilder kolossal in Schnee vorzeigt, oder wie die Armen dem Louis XVI. für Holz-Geschenke im harten Winter 1784 einen Obelisk aus Schnee (siehe Campes Reisebeschreibungen T. 8.) aufrichteten. Und doch schmelzt vielleicht dieser Obeliskus an der Geschichte nicht so schnell als ein steinerner. – – Mehr dergleichen könnte ich noch zum Vorteile akademischer Vorlesungen beibringen – sind indes meine eignen nur von einigem Werte, so läßt sich schon daraus urteilen, von welchem große Vorlesungen größerer Akademien sein müssen.« –
Ich Lebens-Mitbeschreiber finde gleichwohl die wahrste Empfehlung der Akademien von Pelzen ausgelassen, nämlich daß der Staat durch sie vor dem adeligen und dem unadeligen Volke und vor den Geschäftstreibern den sonst in magerer Einsamkeit nachdunkelnden Anbeter der Wissenschaft, also damit die Wissenschaft selber durch diese öffentliche Pflege und Krönung von außen auf einen unsichtbaren Neben-Thron neben sich setzt, auf welchem man leicht alle äußeren Throne nur für Thronstufen zum innern ansieht.