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Der Markgraf
Jeder danke Gott, der den großen Diamant Pitt nicht in der Tasche hat oder im Ohrläppchen oder am Ringfinger; weil ein Leben, worin man jede Minute fürchten müßte, ein Königreich aus der Tasche oder aus dem Ohr zu verlieren, wohl ein wahres Galgenleiter-Leben wäre. Der Schnurr-Jude hetzte dem Vogler die benachbarte Judenschaft auf den Hals, deren Prozession der Hof-Jude unter dem Deckmantel eines Wachtel-Kaufs beschloß. Da Neuigkeiten leichter als Klagen, weil diese eben selten jene sind, zu Fürsten-Ohren auffliegen: so vernahms auch der Markgraf. Er ließ den Vogler holen. Engeltrut glaubte, man rädere ihn am Hofe, Gotthelf aber, man adele ihn wohl; nur Siegwart vermutete, man wolle den Stein, und nahm ihn mit. Er hatte Mut vor Land- und Reichsgrafen; ein Markgraf, sagte er, führt so gut seinen Steiß bei sich als ich selber. – Aber nach den neuern Logikern zieht er daraus eine Fehl-Schluß-Kette. – – Ich will hier niemand unterbrochen haben, wenn ich bloß sage, daß es mit dem Anwuchse der Zeit weniger Irrtum und mehr Irrtümer, weniger Fehlschlüsse als Fehl-Schluß-Ketten geben müsse.
Der Markgraf war ein lustiger junger Herr. »Nun, mein lieber Kriegskamerad, wie ich höre, so...« Sogleich zog dieser ohne weiteres den Ring heraus und sagte: »Da ist er, der Ring!« Den Fürsten erfreute die Krieger-Keckheit und die Entfernung von den kleinlichen Sargdeckeln, hinter welchen die Lebendig-toten erst die Sachen abwarten wollen. »Ihr, lieber Korporal, könnt den Juwel zu nichts gebrauchen, ich entdecke vielleicht an Höfen den Besitzer – wieviel wollt Ihr mit einem Wort?« – »Ich bitte um so viel Souverains, als Tage im Jahr sind,« sagte Siegwart, »nämlich um halbe, denn ich weiß wohl Tag von Nacht zu unterscheiden.« – »Doch viel!« sagte der Fürst. – »Ich habe nämlich« (sagte der Mann) »366 Tage nach dem Schaltjahre gemeint, weil man doch nicht wissen kann, wann eines einfällt.«
Der Fürst holte und legte lachend ihm selber den Goldhügel von 366 halben Souverains in die Hand und wünschte den Vogler bald wieder zu sehen.
Dieser nahm unterwegs bloß den halben Schalttags-Souverain heraus, um ihn zu Hause vorzuweisen als Fürsten-don gratuit und damit den Schatz und Gang zu verstecken. – Im Dorfe selber halfs ihm wenig; in den höchsten Häusern, von Sakristei und Turm bis zum Hirtenhaus, wurde wochenlange davon gesprochen, daß der Markgraf ihm das Leben und einen halben Souverain geschenkt.