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Hochzeit – und Pelz
In Warschau werden wöchentlich drei Sonntage hintereinander gefeiert: der Jude feiert seinen vor dem christlichen, der Türke seinen vor dem jüdischen, am Freitage, und nur der Christ verschiebt seinen bis Anfang der Woche.
Fibel hatte seinen Sonntag vor dem Sonnabend gefeiert, den Himmel vor dem Vorhimmel; kurz sein Hochzeittag tat – wenn er auch alt-fürstlichen Beilagern nach Verhältnis nicht nachstand, wo man die Lämmer nach Herden und die Gewürze nach Zentnern und die Flaschen nach Fässern verschluckte – es doch dem vergangnen Verlobungstage nicht gleich, wo die Stubenluft ordentlich himmelblauer Äther wurde und die Sonnenstäubchen als Sonnen darin spielten, und den ich hier gern zum zweiten Male beschriebe, wenn ich Käufer dazu fände.
Kurz im Heumonat wurd' er kopuliert, wechselte seinen Ring, und Drotta ihren Namen.
Den ganzen Tag begriff er nicht, wie eines einzelnen Menschen wegen, wie er, so vieles in Bewegung gesetzt wurde, Pfarrer – Schulmeister – Glocken – Orgel – mitsingende Leute – der Schwiegervater – Gäste; und er sah ebenso demütig als geputzt darein. Aber Himmel, wenn er erst noch höher sich hätte müssen erheben lassen und etwa eine schwere Ordenskette und ein schweres Großkreuz noch dazu auf der Brust hätte zu schleppen bekommen! Dennoch halte ich diese Schwäche einem Mann zugute, von dem so selten (heute zum ersten Male) ein ganzes Dorf auf einmal Notiz nahm. Daher bilde ein anderer, in Auszeichnungen aufgewachsener Glückssohn sich nicht so viel darauf ein, daß er sich kein besonderes Verdienst der Bescheidenheit daraus macht (was auch Verfasser dieses immer tat), wenn er gleich den größten Fürsten sich fähig fühlt, so leicht und unbeschwert einen Krönungs-Anzug, so schwer wie einen alten Panzer, Kardinalshüte mit drei Kronen oben darauf zu tragen – dabei einen Zepter, schwerer als Ehrensäbel – große Paris-Äpfel statt Rockknöpfe – einen Hosenband-Bandorden als Bruchband vornen und auf dem Hintern hinten eine breiteste Medaille. Freilich Fürsten, schon in der Wiege bloß von Huldigungen eingesungen und mit Vivats aufgeweckt, ertragen gar noch mehr; sie halten gleich Taschenspielern die Brust als Amboß unter, worauf das schwere Land gut geschmiedet wird; und wie Luftspringer auf ihren Händen Gruppen tragen, so balancieren sie auf ihren Zeptern Völker. Ja sogar berühmte Autoren härten sich zusehends so kräftig gegen Auszeichnung ab, daß sie zuletzt das größte Lob viel leichter ertragen als den kleinsten Tadel. – –
Der Bräutigam Fibel sollte in sein Hochzeithaus noch eine andere Glücksgöttin und maitresse de plaisirs hineinbekommen, als er schon darin hatte an seiner Braut. Ein Extraposthorn wurde geblasen. Nach einer Stunde meldete der Wirtssohn einen wildfremden Herrn Magister Pelz an, welcher, sagt' er, den Krug voll Bauern ganz außer sich setze, weil er ihnen die kleinsten Punkte ihrer Prozesse auswendig vorsage. Sogleich trat Pelz selber herein, noch ein frischer Jüngling nach römischem Sprachgebrauch, nämlich 45 Jahre alt, mit langem Raufer und Hut, großen Hiebschmarren auf einem entschiedenen Gesichte und einer überlangen, aber schief geschneuzten Nase, und fragte nach Herrn Fibel; »er sei«, sagt' er, »der Vetter des Buchdruckers, welchem Herr Fibel die Taschenpresse abgekauft. – Da ihm nun der Druckerherr gesagt, daß er ein neues treffliches Werk über das Abc unter der Feder habe und noch nicht unter der Presse: so biet' er ihm hiemit seine Dienste an, indem er ein ganzes Semester lange ein Drucker-Faktor gewesen; er zeige deshalb hier als Probebogen einige Druckbogen vor.« – Fibel sah die deutschen, lateinischen, griechischen Druckbogen mitten im hochzeitlichen Rausche nicht oberflächlich, sondern scharf und nüchtern durch und mußte sie ganz genehmigen. Freilich konnte mutmaßlich Pelz die Muster-Bogen bequem aus jedem Buche gerissen haben; aber Fibel sagte sich gleich heimlich beim ersten Erblick: »Daran erkennt man doch den Mann von Wort. Er fängt gleich mit der Tat an; aber wie wollte man sich denn sonst auf einen verlassen?«
»Druckerfirnis« – fügte Pelz unter dem Bogen-Besehen hinzu – »kocht wohl kein Gelehrter so schwarz als ich; aber die Sache hält schwer; und ich will ebensogut eine Glocke in der Glockengrube gießen als Druckerschwärze im Kessel sieden; denn es kommt so viel auf die Luft an, und Gott weiß auf was.«
»Herr Magister Pelz,« – antwortete endlich der Bräutigam – »ich glaube, Sie haben mir bis daher gefehlt, und wir können in Gottes Namen das Werk anfangen, wenn Sie hier bleiben. An Geldern und Manuskripten und Pressen fehlt es uns ja nicht.«
»Ich lasse mirs gefallen«, sagte Pelz. Die Braut aber sah ihn sehr scharf an (er sie auch) und sagte nichts; – sie wollte vielleicht am hohen und Sonn-Tage der Flitterwoche ihrem künftigen Manne noch nicht widersträuben. –
Jetzt legte der Magister den Raufer ab und bat um ein Glas Wein, zufügend: »Es geht zuweilen einem Gelehrten fatal; aber er hilft sich. Ich habe auf der Universität mich für jeden duelliert, ders haben wollte, und bin dabei alt geworden und satt quantum satis. – Glauben Sie mir, Demoiselle,« fuhr er gegen die Braut fort, »es tut nicht wohl, sich drei- oder viermal quer auf die Nase herumhauen zu lassen, besonders auf eine große. Ich gedachte einmal mit einer solchen Nase in den Krieg; aber nirgends gabs vernünftigen; – es hilft auch einem Magister legens nicht genug, wenn er auf Akademien von allerlei Köpfen leben will, es sei nun, daß er manche menschliche hell macht und darin aufräumt als ihr Pfeifenräumer, oder es sei, daß er meerschaumene, wie ich getan, braun raucht und solche gut absetzt an Liebhaber. Ich machte mich daher auf den Weg zu meinem Vetter, dem Buchdrucker, um ihm mit zu helfen, besonders aber mir selber. Buchdruckerei ist überhaupt etwas erstaunlich Edles, so daß sich ganze Länder um die Ehre ihrer Erfindung gezankt und gerauft; denn der Pariser schreibt sie dem Nicolas Gnason zu – der Römer dem Ulrico Gallo – der Haarlemer dem Lorenz Jansen; so gut auch alle diese Städter wissen könnten, daß der Straßburger Johann Mäntelin sie wahrhaft und zuerst, und sogar der Mainzer Gutenberg sie viel später erfunden hat. Dies war die einzige Ursache, warum ich mir ein hübsches Säckchen mit Spatzenköpfen gefüllet (es ist ordentlich, als sollt' ich immer nur von allerhand Köpfen leben), bloß damit ich mich unterwegs von Dorf zu Dorf beköstigte, indem ich die Köpfe an die Bauern absetzte, welche sie ihrem Amtmann einzuliefern hatten. – Und so bin ich denn glücklich hier angekommen und habe keinen Kopf mehr als meinen eigenen.«
»Der Herr«, sagte die Braut, »mag einen hübschen Sack voll Köpfe bei sich geführt haben, da die Extraposten bei uns so teuer sein.« – »Demoiselle,« versetzte er (und zog ein Baumblatt heraus), »dies ist mein Posthorn; darauf schmettere ich wie ein Postillion. Freilich die Räder und die Pferde fehlen einem dabei.«
Helf war ganz außer sich über die Offenheit des Mannes; er ging unter allen Hochzeitgästen herum und pries ihn jedem Gaste besonders, am stärksten aber dem Wildmeister. Pelz bat ihn um das Manuskript. Helf brachte vier oder fünf sauber geschriebne Manuskripte des nämlichen Werks aufeinander gelegt; denn gegen die Gefahr des Verlustes (sah er leicht) war es nicht oft genug abzuschreiben. Der Magister las sie alle mit der gespanntesten Aufmerksamkeit durch und trank, ohne es zu wissen, unaufhörlich darein. Dann stand er auf, faßte Fibels Hand, schüttelte sie und sagte nach einiger Pause. »Ausbund von einem habilen Autor! Ich saufe heute einen Kessel Druckerschwärze aus, wenn das Werk nicht eines ist, welches uns bisher noch gefehlt, und dabei so exzellent. Wahrlich die Manuskripte haben mich ordentlich« (hier unterbrach er sich durch einen Trunk) »berauscht.« Fibel wurde blutrot und wollte fast weinen vor Lust. Dieses offne Pelzische Lob, das später Sachsenland, Vogtland und Frankenland bloß kräftiger wiederholten durch Einführung des Werks selber, war freilich für Fibel, da es das erste gehörte war, ein köstlicher, aber betäubender Bisambeutel eines Bisamschweins. Aber ach, wollen wir Autoren alle uns doch der Allmacht des ersten Bewunderns, das wir erhielten, erinnern (wiewohl mein eignes Gedächtnis hier so weit nicht zurückreicht), um Fibels balsamische Betäubung zu teilen. Das erste Lob ist oft schon darum das schönste, weil es zuweilen das letzte ist; denn ein himmlisches, besonders aber ein originelles Schreiben gleicht dem Niesen: bei dem ersten verbeugt sich jeder im Zimmer oder ruft gar: Gotthelf!; nieset aber ein Mann aus Schnupfen fort und hundertmal hintereinander, so nimmt niemand mehr von dessen Nase Notiz. Daher bleibt jedem Schriftsteller sein erster Lobredner so unvergeßlich, indes er den spätern zwanzigsten, hundertsten, millionsten vielleicht (soll ich anders nach mir selber urteilen) kaum ebenso viele Sekunden lange im Kopfe behält.
Pelz blies freilich Fibels Feuer fieberhaft an. Denn er tat, als er die Abcbuchs-Reime auf jedes Tier und Werkzeug in den Manuskripten gelesen, die treffende Frage an den Bräutigam, warum er nicht z. B. über die Zeilen:
Der Affe gar possierlich ist, Zumal wenn er vom Apfel frißt. |
das Tier selber holzschnittmäßig und den Apfel dazu und so überall alles zum Anschauen hinsetzen wolle.
»In Holz schneiden kann ich« (stammelte freudetrunken Fibel) – »hab' ich schon geschnitten – und es war gleich anfangs mein Gedanke«; – aber die Torflügel eines langen Rosengartens hatte Pelz vor ihm aufgerissen.
»Sie könnten dann etwan die lebendigen Sachen ausschneiden; ich würde, da ich mich etwas weniger darauf verstehe, mich auf die toten legen; z. B. Sie machten den Esel, ich die ElleNämlich zum Reime:
Und so zu den übrigen bekannten Reimen des Abcbuchs. – Sie machten den Frosch, ich den Flegel – Sie die Gans, ich die Gabel – Sie den Hasen, ich den Hammer«, fuhr der Magister entflammend fort.
Der Esel träget schwere Säck,
Mit Ellen mißt der Krämer weg.
Fibel bekam Rosenkränze auf und aß Syrup mit Vorleg-Löffeln; »ach nur gar zu herrlich, Herr Magister!« sagt' er.
»Ja« – feuerte der Magister fort – »das Werk wäre zu einem unglaublichen Grade von Importanz zu treiben, wenn man gar nicht nachließe, sondern ein Farbenkästchen anschaffte und daraus jedes Tier und Instrument sehr nett für Kinder anfärbte und illuminierte.«
»Um Gottes willen, Herr Pelz, gut! Ich weiß kaum, was ich sagen soll«, versetzte Fibel; ein Kessel voll Rosenöl war auf ihn ausgeschüttet, und es verdampfte an ihm ein Rosen-Eden.
»Es ist daher auch wohl gescheuter,« versetzte Pelz, »wenn ich einen gewissen Definitiv- und Fundamental-Rat vor der Hand noch verschiebe, das Allerhöchste, womit Sie einmal dermaßen Viktoria schießen können, daß sich Mann nach Mann ordentlich einen Narren an Ihnen frißt aus bloßem Applaus.« – »Ach, du lieber Herre Gott!« rief Helf und fuhr in den Tanz hinein mit der einsamen, zweihändig dastehenden Fleglerin, um mit ihr die Tanz-Sonate à quatre mains abzuspielen. Freilich hätt' er lieber mit Pelzen gewalzt. – »Und doch« – sagt' er zu ihm fortfahrend – »steht mir noch der Fundamental-Rat bevor!« – »Aber nur nicht heute«, sagte Pelz. – »Gott! wie herrlich wird der erst lauten!« rief Fibel.
Welcher Abend indes! Wie durchströmten die beiden Paradiesesflüsse der Autorschaft und der Heirat sich einander! – Er konnte kaum die Viertelstunde erwarten, wo er der kurz- und dünnstämmigen Mutter und der großgebaueten und ungelenken Ballkönigin (Reine de Bal), seiner Braut, ausführlicher das Glück erzählen durfte, das er in Geldern und Lorbeeren mit beiden so teilen wollte, daß er höchstens das Drittel annahm. –
Endlich nach dem trägen Abfluß aller Gäste erfischte er das Glück, Mutter und Braut allein vor sich zu haben und ihnen zu melden, welche Flitterwochen und Flitterjahre allen dreien bevorständen. Vor beiden allein konnt' er sein Herz ausdrücken. Der Mutter war, da er ihr die gute Nacht anküßte, als ob sie ihre Silberhochzeit feiere; denn sie glaubte beiden Abc-Machern alles aufs Wort. Die Braut fragte nach dem einen weggegangnen, ihr verdächtigen Abc-Macher so wenig, daß sie sich schon bei dem andern dagebliebnen für selig genug hielt. Mutter und Tochter und Sohn konnten sich kaum von ihren wechselseitigen Küssen sondern.
– Und so waren denn endlich einmal drei Unschuldige vom Schicksal nicht beraubt, sondern beschenkt. – Beinahe möcht' ich meinen Anfang dieses Judas-Kapitels, der die Verlobung über die Hochzeit heben wollte, Lügen strafen; aber man prüfe doch selber!