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Musikalische Ehe-Ständchen
Die Ehe seiner Eltern war ein kopuliertes Ja-Nein und doch die friedlichste im Markgraftum. Der Vogler, ein alter langer hagerer Soldat – der von seinen Heerzügen nichts heimgebracht als den Abschied und eine Kugel, die noch in ihm ging –, sprach zwar zuweilen mit sich, aber selten mit andern, höchstens sinesisch, nämlich einsilbig. Wie in einem durchsichtigen Eispalast wohnhaft, sah er ruhig und kühl die äußeren Schneestürme um sich fliegen und sagte: »Es ist halt Welt«; und war durch nichts zu ändern, nicht einmal durch die Frau. Darwider hatte sie viel; sie hatte sich in den Träumen einer glücklichern Ehe versprochen, sie werde in der ihrigen, wie jede andere Gattin, ordentlich schmollen und weinen können; aber der Alte brachte sie darum und sagte zu allem Ja und machte keine Worte, sondern bloß was er wollte. »Sagst einmal wieder Ja?« fuhr sie ihn oft außer sich an; darauf nickte er Ja. Engeltrut hatte, obwohl von gemeinem Stande (aus einem Dorfe bei Dresden gebürtig), doch etwas so Feines, Zartes und Sieches in Farbe und Bau und etwas so Weich-Warmes im Herzen und Launenhaftes im Kopfe – und dieser Fall ist überhaupt öfter, als man glaubt, in den niedern Ständen –, daß Wieland sich wahrscheinlich nur auf historische Gründe stützte, da er die Xanthippe, deren Weiberruhm er ja selber herstellen helfen, aus den vornehmen abstammen lassen; denn auch das Land trägt liebenswürdige Launen, weibliche Bisarden und lebhafte sokratische Gespräche darüber.
Der Studiosus Pelz teilt im gegenwärtigen Haubenmuster eine Geschichte mit, die es wohl bestätigt. Engeltrut fuhr, als sie einmal lange mit verbundenen Kinnbacken voll Zahnschmerzen herumgegangen, und der Vogler immer dabei so gelassen geblieben war, als hätte er sie selber, endlich los und ihn an, darüber daß er wie ein Eiszapfe dabeistehe, ohne sich nur ein Gefühl wie sie oder eine Ungeduld merken zu lassen, eine Träne gar nicht. Und doch ist eine, besonders eine männliche, oft der Tropfe Wassers, womit ein jahrelange vertrocknetes Rädertierchen wieder erwacht und lustig ins Leben schnalzet. »Gedulde dich, Trut,« versetzte er, »morgen lauft der Bader durch, der zieht das Unwesen heraus.« – »Ja, ja, morgen, wenn schon alle Schmerzen längst vorbei sind – o du harter Mann!« erwiderte sie. Statt der Antwort pfiff er darauf, wie er bei halbem Zorn über ganzen Unsinn pflegte, bloß den sogenannten scharfen Weingesang des Finken, welchen das Jagd-Handwerk gemeiniglich so in Text-Worte setzt: Fritz, Fritz, willst du mit zum Weine gehen? – Siegwart (es ist sein Taufname) wechselte indes nach den verschiedenen Anreizungen zu lachen, zu zürnen, zu schmähen, zu vergessen mit den verschiedenen Finken-Variationen, wovon wohl der Ritscher, der Groß-, der Kleinrollende, der Musketierer, der Kuhdieb und Sparbarezier die beliebtesten sein mögen, die er vorgepfiffen. Doch gabs seltne Fälle, worin er dermaßen in Zorn und außer sich geriet, daß er den Finken vergaß und die Nachtigall machte und vor kurzer Wut liebend flötete.
Engeltrut hingegen hätte gern wie von, so mit ihm gelitten; aber er sagte und klagte kein Weh. Ihren Willen – den sie oft am wenigsten wollte – ließ er ihr auch; und so war es natürlich, daß sie klagte: »Wollte unser Herr Gott, er fiele einmal grausam grob aus und traktierte einen wie ein anderer Mann; so wüßte man doch wie und woran.« Nicht einmal mit Eifersucht, dem Fumet der Ehe, war diese schmackhaft zu machen – ob die Frau gleich, um nur etwas von der Würze dieser Blumen-Zwiebel zu genießen, zuweilen, wenn er Eier und Semmel niemand gab als seinem Gevögel, die Frage aufwarf: »Ein Star ist dir also lieber als eine Frau?« Wie gewöhnlich gab er ihr recht und nickte.
Sein Fehler war wohl – wenn wir dem Haubenmuster trauen dürfen – sein Name Siegwart, der ihn wider jedes Weinen und Jammern erbitterte; denn Siegwart kommt her von guard, werd und heißt Beschützer, daher Edward, Burckward, Siward, Weromir, Werner und (im Verkleinerungs-Sinne) Wernlein.
Er hatte für die Frau noch eine böse Sitte, daß er an den heiligen drei Festen nie zu Hause war, sondern auf den Beinen, um Vögel abzusetzen und die Kirche zu umgehen. Zum Unglück schleppte er stets den Kleinen mit und überließ Mutter und Sohn dem gegenseitigem Sehnen nach einander.
Alle von Dorfjungen eingebrachten Haubenmuster bestätigen, daß ers getan, um ihn dazu zu machen, was er selber gewesen – zum Rekruten. Gotthelf zeigte eine so goldne Streckbarkeit des Leibes – was sucht aber ein Werber und Fürst anders als, gleich dem Magneten, die Länge? –, daß der langarmige Affe und der ähnliche Artaxerxes ihn in nichts erreichten als im Arme. Um ihn nun zum Soldaten, ja zum Offizier zu bilden, wollte er ihn nichts lernen lassen – verbot ihm Mutter und Kirche wie einen Hof – prügelte ihn fast zum Prügeln – forcierte ihn zu forcierten Märschen – Wett-Laufen und Steif-Stehen, Schweißtropfen und Zähne-Klappen, Auswintern und Aussömmern konnte nach ihm der Junge nicht genug haben, der doch Verfasser des künftigen sächsischen Abcbuchs werden sollte.
O wie ging es besser! Helf schrieb später das Seinige und ich hier das Meinige über jenes!