Jean Paul
Leben Fibels
Jean Paul

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19. Judas-Kapitel

Flitterwochen

Das rosenfarbige Morgentor der Zukunft war aufgetan, und Fibel ging am Arme Pelzens hindurch.

In wenig Tagen hatte dieser die große Weltdinte, den Buchdruckerfirnis, gekocht – darauf die erste Seite des neuen Werks als geschickter Setzer gesetzt – dann sie als geschickter Drucker abgedruckt – und konnte sie dem Verfasser als geschicktem Korrektor darreichen.

Deine erste Druckseite, mein Fibel? Diesen Konfekt-Teller der Schriftstellerei – diese schönste belle-vue auf Papier – diesen Everdingischen Vorgrund eines langen herrlichen Schreib-Lebens – dieses Lustlager von tausend Hoffnungen bekamst du in die Hand? Und mit welchen Empfindungen? Sprich, angehender Autor des künftigen Werks! – Doch laß es! Wir Autoren selber haben längst diesen Himmel vorempfunden; Lesern aber, die nicht wenigstens ein oder ein paar Trauer-Anzeigen mit Mittrauer-Verboten haben drucken lassen, ist dergleichen doch durch kein Beschreiben zu beschreiben.

Dabei wurde nun noch gar in Holz geschnitten – von Fibeln Menschen und Vieh des Abc's, von Pelzen nur Sachen – die 24 Holzschnitte. Trefflich-ähnlich stiegen vom Holze oder Formbrett, dieser Bruttafel und Pflanzstätte der besten Vorbilder, sogleich der Affe und der Apfel wohlgebildet aufs Papier.

Aber was war doch dies alles, wenn Fibel seine drei einzigen Farben nahm, – rot, gelb und grün, und damit die abgedruckten Holzschnitte langsam und prächtig illuminierte und tätowierte? Wenn er die Farben-Toilette seinen Tieren machte und gleichsam über dem regendunkeln Holzschnitt den farbigen Regenbogen langsam zog? – Wenn er dies alles tat und erlebte, was war, wurde gefragt, alles andere darneben? Aber allerdings gab es noch etwas, welches sich recht gut mit seiner färbenden Freude messen konnte: es war das Zusammenfreuen und Zusammenklingen eines dreistimmigen Seelen-Satzes (Mann und Frau und Mutter); sogar der Kauz Pelz warf auf das Essen den bunten Streuzucker seiner Erzählungen. Seine Mutter ferner hatt' es so gut und wurde von der Schwiegertochter auf den Händen und Lippen getragen, und es fehlte ihr nichts als etwan – Arbeit; Drottas Liebeszeichen sog sie durstig ein, da deren ganzes Kraftwesen ihr ihren wackern Siegwart zurückspiegelte. Nur eine Ähnlichkeit mit diesem wollt' ihr nicht gefallen, daß Drotta mit Weibern ebenso ungern geschwätzig war als der stumme Vogler. – Der Magister tat oft von weitem – so zärtlich verzerrte sich der Universitäts-Goliath und Schläger –, als ob er Miene habe, die verwittibte Engeltrut gar zu – heiraten; was man dahin und an seinen Ort gestellt sein lassen muß, nämlich in die andere Welt, wo beide nun hausen; denn in dieser kam es zu nichts.

Fibel, obschon ein Ehemann, blieb doch seiner Mutter so untertan, als würd' er gar nicht älter. Drotta aber nahm ihn aus Pflicht für ein Stückchen Vater und Wildmeister; sie befragte seinen Willen in der kleinsten Sache, ob sie gleich wußte, daß er, in seine höhern gelehrten Arbeiten eingesenkt, ihr jeden ihrigen ließ; denn sie sagte: »Ein Ehemann muß sein Recht haben.« Und so stand denn sein Lebensbaum voll bunter Blüten, Früchte und Sangvögel. Unter diese Vögel gehörte besonders der metrische und rhythmische Geist der Gattin, welche – ungleich seiner zuweilen ein wenig chaotischen Mutter – alles zur rechten Zeit, für den rechten Ort, im rechten Maße bestimmte; was die Nachwelt schon daraus schließen kann, daß sie abends alles bereit hinstellte, was man am Morgen brauchte und genoß, Wasser, Milch, Bier und mehr.

Nur eine fast spitzige Feder spitzte sich aus diesem Eiderdunen-Ehebett etwas heraus und konnte stechen; und dieser Kiel war Pelz. Anfangs der Flitterwochen sah die helle Wildmeisterin dem Treiben und Reden des Magisters noch bloß nach und zu, wiewohl es ihr immer am Montage weniger gefiel als am Sonntage, und Mittwochs weniger als Dienstags. Aber mögen nun die schweigende Nachgiebigkeit die Flitterwochen geboren haben, oder überhaupt der neue Übergang aus Vaters-Händen in Gatten-Hände: immer trägt die junge Frau viel töchterliche jungfräuliche Beugsamkeit in die Ehe hinüber als ehefräuliche; ja man könnte behaupten, es werde das unschuldige Kind kaum früher aus elterlicher, mithin ehemännlicher Gewalt frei gelassen (emanzipiert), als bis es selber ein noch unschuldigeres Kind unter dem Herzen trägt, wodurch auf einmal zwei schlagende Herzen sowohl den Mann als dem Manne schlagen.

Obgleich diese Freilassung bei Drotta nicht eintrat, so nahm sie sich doch die Freiheit, ihrem Manne zu sagen, sie wisse nicht recht, was sie von Pelzen zu denken habe; womit sie wahrscheinlich andeuten wollte, er sei ein Windsack; oder er sei ihr im Hause neben Fibel das, was in der heiligen Bundeslade die Aarons-Rute neben dem Manna war. Fibel lächelte sehr im ganzen Gesichte herum und schüttelte seinen Kopf, den er in der Sache aufgesetzt. »Geht denn nicht alles«, sagt' er, »schon herrlich über die Maßen, und hat er mir nicht noch gar seinen Definitiv- und Fundamental-Rat zugesagt, den er mir auf der Stelle gibt, sobald nur drei Exemplare abgedruckt sind? – Auf diesen Fundamental-Rat muß jeder harren, wenn er nicht ein unvernünftiger Mann und Autor heißen will.«

Kurz der sonst nachgiebige Mann gab hier nicht nach. So wie es keinen vollendeten Sklaven so wenig als einen vollendeten Alleinherrscher gibt: so saß noch kein Mann im Fußblocke aus weiblichem Pantoffelholz, der nicht wenigstens ein oder das andere Glied sich freibehalten hätte. Ich kannte einen trefflichen Ehemann, welcher nicht aus Schwäche, sondern aus Kraft und Liebe immer mit dem Willen seiner Frau zusammentraf; aber doch mußte diese über einen hartmäuligen Fehler herbe klagen, den er sich nicht abgewöhnen ließ – nämlich am Morgen aus dem Bette an die Wand zu spucken, anstatt sich bloß umzukehren gegen die Stube. Das Abcmachen war für Fibel dieses Spucken. Er war ein guter Sohn, ein guter Gatte, ein guter Mensch, aber er blieb doch ein Autor. Gleich manchen Luftschiffern warf er sein als Ballast mitgenommenes Geld herunter, um höher und leichter zu steigen. Er war am Tage ebenso warm gebettet, wenn er die Federn hielt, als nachts, wenn sie ihn hielten.

Wenn indes Drotta ihn in seinem Himmels-Brot-Studium öfters durch ihre Zweifel über Pelzen störte: so beherzige doch jeder, der an dieser Sache wahren Anteil nimmt, daß sie nach ihrem magern, im Waldmoos erwachsenen Stande unter dem Küssen in der Ehe das sogenannte Schnäbeln der Tauben verstand, von welchem BechsteinIn seiner Naturgeschichte der Vögel. bewiesen, daß es kein Küssen, sondern ein wechselseitiges Atzen sei. Ich meines Orts, der ich an ihr so viel Anteil nehme, beherzige dies zuerst; und soll es auch.

Fibel aber hielt sich an die alte Antwort des Magisters fest: »Sind drei Exemplare abgedruckt, so geh' ich mit dem Fundamentalrate heraus, und dann sehen wir.«

Im eben folgenden Kapitel erfahren wir alles so gut wie Fibel.


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