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Agamemnon beruft die Fürsten, und rät zur Flucht. Diomedes und Nestor widerstehn. Wache am Graben. Die Fürsten von Agamemnon bewirtet ratschlagen. Auf Nestors Rat sendet Agamemnon, den Achilleus zu versöhnen, den Phönix, Ajas Telamons Sohn, und Odysseus, mit zween Herolden. Achilleus empfängt sie gastfrei, aber verwirft die Anträge, und behält den Phönix zurück. Die anderen bringen die Antwort in Agamemnons Zelt. Diomedes ermahnt zur Beharrlichkeit, und man geht zur Ruhe.
So dort wachten die Troer vor Ilios. Doch die Achaier Ängstete greuliche Flucht, des starrenden Schreckens Genossin; Und unduldsamer Schmerz durchdrang die Tapfersten alle. Wie zween Winde des Meers fischwimmelnde Fluten erregen, |
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5 | Nord und sausender West, die beid' aus Thrakia herwehn, Kommend in schleuniger Wut; und sogleich nun dunkles Gewoge Hoch sich erhebt, und häufig ans Land sie schütten das Meergras: Also zerriß Unruhe das Herz der edlen Achaier. Atreus' Sohn, von unendlichem Gram in der Seele verwundet, |
10 | Wandelt' umher, Herolden von tönender Stimme gebietend, Jeglichen Mann mit Namen zur Ratsversammlung zu rufen, Doch nicht laut; auch selbst arbeitet' er unter den ersten. Jetzo saßen im Rat die Bekümmerten; und Agamemnon Stand voll Tränen empor, der schwärzlichen Quelle vergleichbar, |
15 | Die aus jähem Geklipp hergeußt ihr dunkles Gewässer. Also schwer aufseufzend vor Argos' Söhnen begann er: Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und Pfleger, |
20 | Heimzugehn ein Vertilger der festummauerten Troja. Doch nun sann er verderblichen Trug, und heißet mich ruhmlos Wieder gen Argos kehren, nachdem viel Volks mir dahinstarb. Also gefällt's nun wohl dem hocherhabnen Kronion, Der schon vielen Städten das Haupt zu Boden geschmettert, |
25 | Und noch schmettern es wird; denn sein ist siegende Allmacht. Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle: Laßt uns fliehn in den Schiffen zum lieben Lande der Väter; Nie erobern wir doch die weitdurchwanderte Troja! Jener sprach's; doch alle verstummten umher, und schwiegen. |
30 | Lange saßen verstummt die bekümmerten Männer Achaias. Endlich begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes: Atreus' Sohn, gleich muß ich dein törichtes Wort dir bestreiten, |
35 | Mutlos sei ich und ganz unkriegerisch; aber das alles Wissen nun Argos' Söhne, die Jünglinge so wie die Greise. Dir gab eins nur von beiden der Sohn des verborgenen Kronos: Nur mit dem Scepter der Macht geehrt zu werden vor allen; Doch nicht Tapferkeit gab er, die edelste Stärke der Menschen! |
40 | Wunderbarer, du glaubtest im Ernst, die Männer Achaias Wären so gar unkriegrisch und mutlos, wie du geredet? Doch wenn dir selber das Herz so eifrig drängt nach der Heimkehr, Wandere! Frei ist der Weg, und nahe die Schiff' an dem Meerstrand Aufgestellt, die in Menge dir hergefolgt von Mykene. |
45 | Aber die anderen bleiben, die hauptumlockten Achaier, Bis wir zerstört die Feste des Priamos! Wollen auch jene, Laß sie entfliehn in den Schiffen zum lieben Lande der Väter! Ich dann und Sthenelos kämpfen, und ruhn nicht, bis wir das Schicksal Ilios endlich erreicht; denn ein Gott geleitet' uns hieher! |
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Jener sprach's; da jauchzten ihm rings die Männer Achaias, Tydeus' Sohn, wohl bist du der tapferste Krieger im Schlachtfeld, |
55 | Keiner mag dir tadeln das Wort, von allen Achaiern, Noch entgegen dir reden; nur ward nicht vollendet das Wort dir. Zwar auch bist du ein Jüngling, und könntest sogar mein Sohn sein, Selber der Jüngst' an Geburt! allein du sprichst mit Verstande Unter den Fürsten des Heers, da der Sache gemäß du geredet. |
60 | Aber wohlan, ich selber, der höherer Jahre sich rühmet, Will ausreden das Wort und endigen; schwerlich auch wird mir Einer die Rede verschmähn, auch nicht Agamemnon der Herrscher. Ohne Geschlecht und Gesetz, ohn' eigenen Herd ist jener, Wer des heimischen Kriegs sich erfreut, des entsetzlichen Scheusals! |
65 | Aber wohlan, jetzt wollen der finsteren Nacht wir gehorchen, Und das Mahl uns bereiten. Allein die Hüter der Scharen Gehn hinaus, und lagern am Graben sich, außer der Mauer. Solches nun befehl' ich den Jünglingen. Aber du führ' uns, Atreus' Sohn, ins Gezelt; denn du bist Obergebieter. |
70 | Gib den Geehrten ein Mahl; dir gleich ist solches, nicht ungleich. Voll sind dir die Gezelte des Weins, den der Danaer Schiffe Täglich aus Thrakia her auf weitem Meere dir bringen; Dir ist aller Bewirtung genug, der du vieles beherrschest. Sind dann viele gesellt, so gehorch' ihm, welcher den besten |
75 | Rat zu raten vermag: denn Not ist allen Achaiern Kluger und heilsamer Rat, da die Feind' uns nahe den Schiffen Brennen der Feuer so viel! Wer mag wohl dessen erfreut sein? Diese Nacht wird vertilgen das Kriegsheer, oder erretten! Jener sprach's; da hörten sie aufmerksam, und gehorchten. |
80 | Schnell zur Hut enteilten gewappnete Männer dem Lager: Dort um Nestors Sohn, den Hirten des Volks Thrasymedes; Dort um Askalaphos her und Jalmenos, Söhne des Ares; Auch um Meriones dort, um Deïpyros auch, und den edlen Aphareus, auch um Kreions erhabenen Sohn Lykomedes. |
85 | Sieben geboten der Hut; und hundert Jünglinge jedem Folgten gereiht, in den Händen die ragenden Speere bewegend. Zwischen dem Graben umher und der Mauer setzten sich jene; Dort entflammten sie Feuer, und rüsteten jeder die Nachtkost. Atreus' Sohn nun führte die edleren Fürsten Achaias |
90 | All' ins Gezelt, und empfing sie mit herzerfreuendem Schmause. Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle. Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war; Jetzo begann der Greis den Entwurf zu ordnen in Weisheit, Nestor, der schon eher mit trefflichem Rate genützet; |
95 | Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung:
Atreus' Sohn, Ruhmvoller, du Völkerfürst Agamemnon, |
100 | Drum ziemt dir's vor allen, zu reden ein Wort, und zu hören, Auch zu vollziehn dem andern, wem sonst sein Herz es gebietet, Daß er rede zum Heil; denn du entscheidest, was sein soll. Aber ich selbst will sagen, wie mir's am heilsamsten dünket. Denn kein anderer mag wohl besseren Rat noch ersinnen, |
105 | Als mein Herz ihn bewahrt, nicht vormals, oder anjetzt auch, Seit dem Tag, da du, Liebling des Zeus, die schöne Briseïs Aus dem Gezelt entführtest dem zürnenden Peleionen: Nicht nach unserem Sinne fürwahr; denn ich habe mit großem Ernste dich abgemahnt. Doch du, hochherziges Geistes, |
110 | Hast den tapfersten Mann, den selbst die Unsterblichen ehrten, Schmählich entehrt; denn du nahmst sein Geschenk ihm. Aber auch jetzo Sinnt umher, wie wir etwa sein Herz versöhnend bewegen Durch gefällige Gaben, und sanft einnehmende Worte. Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks Agamemnon: |
115 | Greis, nicht unwahr hast du mir meine Fehle gerüget. Ja ich fehlt', und leug'n es auch nicht! Traun, vielen der Völker Gleicht an Stärke der Mann, den Zeus im Herzen sich auskor: Wie nun jenen er ehrt', und niederschlag die Achaier. Aber nachdem ich gefehlt, dem schädlichen Sinne gehorchend; |
120 | Will ich gern es vergelten, und biet' unendliche Sühnung. Allen umher nun will ich die herrlichen Gaben benennen: Zehn Talente des Goldes, dazu dreifüßiger Kessel Sieben vom Feuer noch rein, und zwanzig schimmernde Becken; Auch zwölf mächtige Rosse, gekrönt mit Preisen des Wettlaufs. |
125 | Wohl nicht dürftig wäre der Mann, dem so vieles geworden, Und nicht arm an Schätzen des hochgepriesenen Goldes: Als mir Siegskleinode gebracht die stampfenden Rosse! Sieben Weiber auch geb' ich, untadlige, kundig der Arbeit, Lesbische, die, da er Lesbos, die blühende, selber erobert, |
130 | Ich mir erkor, die an Reiz der Sterblichen Töchter besiegten. Diese nun geb' ich ihm; es begleite sie, die ich entführet, Brises Tochter zugleich; und mit heiligem Eide beschwör' ich's, Daß ich nie ihr Lager verunehrt, noch ihr genahet, Wie in der Menschen Geschlecht der Mann dem Weibe sich nahet. |
135 | Dieses empfang' er alles sogleich. Wenn aber hinfort uns Priamos' mächtige Stadt die Götter verleihn zu erobern; Reichlich soll er sein Schiff mit Gold und Erz belasten, Selbst einsteigend, wann einst wir Danaer teilen den Siegsraub. Auch der troischen Weiber erwähle sich zwanzig er selber, |
140 | Die nach Helena dort, der Argeierin, prangen an Schönheit. Wann zum achaiischen Argos, dem Segenslande, wir heimziehn; Soll er mein Eidam sein, und ich ehr' ihn gleich dem Orestes, Der mein einziger Sohn aufblüht in freudiger Fülle. Drei sind mir der Töchter in wohlverschlossener Wohnung: |
145 | Deren wähl' er sich eine, Chrysothemis, Iphianassa, Oder Laodike auch, und führ' umsonst die Erkorne Heim in des Peleus Haus; ich geb' ihm selber noch Brautschatz, Reichlichen, mehr als je ein Mann der Tochter gegeben. Sieben geb' ich ihm dort der wohlbevölkerten Städte: |
150 | Enope, und Kardamyle auch, und die grasige Hire, Phera, die heilige Burg, und die grünenden Aun um Antheia, Auch Äpeia die schön', und Pedasos, fröhlich des Weinbaus. Alle sind nah' am Meere, begrenzt von der sandigen Pylos; Und es bewohnen sie Männer, an Schafen reich, und an Rindern: |
155 | Welche hoch mit Geschenk, wie einen Gott, ihn verehrten, Und dem Scepter gehorchend ihm steuerten reichliche Schatzung. Dieses vollend' ich jenem, sobald er sich wendet vom Zorne. Zähm' er sich! Aïdes ist unbiegsam, und unversöhnlich; Aber den Sterblichen auch der Verhaßteste unter den Göttern. |
160 | Mir nachstehn doch sollt' er, so weit ich höher an Macht bin, Und so weit ich älter an Lebensjahren mich rühme. Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor: |
165 | Auf denn, erlesene Männer entsenden wir, eilendes Schrittes Hinzugehn ins Gezelt des Peleiaden Achilleus. Oder wohlan, ich selber erwähle sie; und sie gehorchen. Phönix gehe zuerst, der Liebling des Zeus, als Führer; Dann auch Ajas der Große zugleich, und der edle Odysseus. |
170 | Aber Hodios folg' und Eurybates ihnen als Herold. Sprengt nun mit Wasser die Händ', und ermahnt zur Stille der Andacht; Daß wir Zeus den Kroniden zuvor anflehn um Erbarmung. Jener sprach's; und allen gefiel die Rede des Königs. |
175 | Jünglinge füllten sodann die Krüge zum Rand mit Getränke, Wandten von neuem sich rechts, und verteileten allen die Becher. Als sie des Tranks nun gesprengt, und nach Herzenswunsche getrunken; Eilten sie aus dem Gezelte von Atreus' Sohn Agamemnon. Viel ermahnte sie noch der gerenische reisige Nestor, |
180 | Jeglichem Mann zuwinkend, allein vor allen Odysseus, Eiferig doch zu bereden den herrlichen Peleionen. Beide nun gingen am Ufer des weitaufrauschenden Meeres, |
185 |
Als sie die Zelt' und Schiffe der Myrmidonen erreichten; |
190 | Gegen ihn saß Patroklos allein, und harrete schweigend Dort auf Äakos' Enkel, bis seinen Gesang er vollendet. Beid' itzt gingen daher, und voran der edle Odysseus, Nahten und standen vor ihm; bestürzt nun erhub sich Achilleus, Samt der Leier zugleich, verlassend den Sitz, wo er ruhte. |
195 | Auch Patroklos erhub sich, sobald er sahe die Männer. Beid' an der Hand anfassend begann der Renner Achilleus: Freude mit euch! willkommen ihr Teuersten! Zwar ist gewiß Not! Also sprach, und führte hinein, der edle Achilleus, |
200 | Setzte sie dann auf Sessel und Teppiche, schimmernd von Purpur. Eilend sprach er darauf zu Patroklos, der ihm genaht war: Einen größeren Krug, Menötios' Sohn, uns gestellet; |
205 |
Jener sprach's; da gehorchte dem lieben Freunde Patroklos. |
210 | Wohl zerstückt' er das Fleisch, und steckt es alles an Spieße. Mächtige Glut entflammte Menötios' göttlicher Sohn itzt. Als nun die Loh' ausbrannt', und des Feuers Blume verwelkt war; Breitet' er hin die Kohlen, und richtete drüber die Spieße, Sprengte mit heiligem Salz, und dreht' auf stützenden Gabeln. |
215 | Als er nunmehr es gebraten, und hin auf Borde geschüttet; Teilte Patrokles das Brot in schöngeflochtenen Körben Rings um den Tisch; und das Fleisch verteilete selber Achilleus; Setzte sich dann entgegen dem göttergleichen Odysseus, Dort an der anderen Wand, und gebot, daß Patroklos den Göttern |
220 | Opferte; dieser gehorcht', und warf die Erstling' ins Feuer. Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle. Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war; Jetzt winkt Ajas dem Phönix. Das sah der edle Odysseus, Füllte mit Wein den Becher, und trank dem Peleiden mit Handschlag: |