Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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109.

Honesdale (Pennsylvanien), den 8. Juli 1867.

Manchmal ist mir doch, als sollte ich diese Schlepperei nicht mehr weiterschleppen. Das Widerstreben gegen alles, was aus der Alten Welt und namentlich aus England kommt, ist hier im Norden eine förmliche Macht, gegen welche es nahezu unmöglich ist anzukämpfen. Neue, erst in der Entwicklung begriffene Gedanken können unter solchen Umständen nicht gedeihen. Sie brauchen, wie jedes junge Pflänzchen, neben der mühevollen Pflege auch einen Boden und ein wenig Sonnenschein zum Wachsen.

Daß die Sache selbst im Laufe der Zeit Wurzel fassen wird, davon bin ich überzeugt. Jetzt aber geht sie durch jene Feuerprobe, die jede Erfindung durchzumachen hat und die bei tiefgreifenden Neuerungen nur zu oft eine halbe Lebenszeit, wenn nicht mehr, von verlorener Arbeit und getäuschten Hoffnungen verschlingt. Es ist nicht zu erwarten, daß es uns besser gehen sollte als andern.

de Mesnil ist noch immer in Europa. Er wird täglich zurückerwartet. Mittlerweile habe ich auf dem Hudson-Delaware-Kanal Vorstellungen gegeben und wenigstens zweitausend Dollar erobert, die ein paar weitere Versuche bezahlen können.

Nebenbei hatte ich wieder mit der Regierung der großen und unteilbaren Republik zu tun. Oberst Olcott, das Kongreßmitglied, das uns zum Preis von x Dollar Zollfreiheit für Dampfpflüge erstritt, hat die viertausendzweihundert Dollar, die ich in Neuorleans als Eintrittsgeld für den dortigen ersten Pflug bezahlen mußte und die wir infolge des Gesetzes zurückbekommen sollten, mit strategischem Geschick in seine eigne Tasche laufen lassen, weshalb ein Prozeß anhängig ist, um sie wieder herauszubekommen. Dies ist jedoch hierzulande kein Hindernis, mit ihm wegen der Schleppmaschinen in neue und ähnliche Verhandlungen zu treten! Um y Dollar will uns nun der tapfere Oberst auch dieses zweite Gesetz durchsetzen. Die naive Bestechlichkeit, das landesübliche Backschisch des Orients wird fast erträglich in dieser Welt republikanischer Tugenden.

Samstag vor acht Tagen kam ich hier an. Honesdale ist ein kleines, niedliches, kohlengeschwärztes Städtchen in wilder, waldiger Gebirgsgegend, bei dem der »Hudson-Delaware-Kanal« seinen Anfang nimmt und sich alsdann in Schlangenwindungen dem hundert Meilen entfernten Hudson zuwindet. Der Verkehr auf diesen Kanälen ist unglaublich. Täglich verlassen 60–70 Schiffe, mit Kohlen beladen, das Dörfchen und 60–70 kehren von Rondout oder Neuyork zurück. 3–4000 Pferde sind acht Monate lang beschäftigt, um gegen zwei Millionen Tonnen Kohlen nach dem Osten zu bringen. Bloß die Taue, an welchen die Pferde ziehen, kosteten in den letzten zehn Jahren viermalhunderttausend Dollar.

Auf meine Versuchsmaschinen mußte ich hier zunächst zwei Tage lang warten, die der Himmel dazu benutzte, mir einen wunderlichen Wink zu geben. In der Abenddämmerung hatte ich in dem kleinen, einsamen Gasthof Klavier gespielt, um mir die Zeit und die etwas trübe Stimmung zu vertreiben. Da erschienen am folgenden Morgen drei schwarzgekleidete Herren, die mich feierlich einluden, die Stelle des vor vierzehn Tagen verstorbenen Organisten der Baptistengemeinde des Ortes zu übernehmen. »Nennen Sie Ihren Preis. Wir brauchen einen Mann wie Sie!« schloß der höfliche Sprecher.

Recht befriedigend verliefen sodann die Versuche auf dem Kanal, so daß ich jedenfalls noch nicht Baptistenorganist zu werden brauche. Nur zittern die Quäker in Philadelphia, in deren Hände die Entscheidung liegt, noch zu sehr vor den hohen Summen, um die es sich handelt, wenn die Seilschiffahrt auf ihrem Kanal vollständig eingeführt werden sollte. –


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