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Neuorleans, den 3. Februar 1867.
Ein Monat harter Arbeit, voll kleiner, bunter Zwischenfälle, die das Blut warm halten, was nun kaum mehr nötig wäre. Ob er gute Folgen haben wird oder nicht, läßt sich noch nicht voraussehen. Allzu hoffnungsvoll bin ich nicht. Es ist mir, als hätte ich einen Tropfen Blut ins Meer gegossen, um es rot zu färben; so entsetzlich weit und groß ist hier alles.
Die Leute, mit denen ich in unmittelbarer Geschäftsverbindung stehe, sind vor allem die Herren Longstreet, Owen & Cie. General Longstreet ist ein einhändiger Soldat der konföderierten Armee, ein schlichter, ehrlicher Biedermann. Er gehört zur Aristokratie Luisianas und ist als tapferer Heerführer berühmt geworden. Seine zwei Geschäftsteilnehmer sind junge Leute, die, der eine als Major, der andre als Hauptmann, den Krieg mitgemacht haben. Heute sind sie wieder Bankiers und Baumwollenhändler und bilden zusammen eines der achtbaren Häuser der Stadt. Nächst schätzenswert unter meinen Bekannten ist General Taylor, der liebenswürdigste Mann von Neuorleans, der ebenfalls eine Rolle in der Rebellion gespielt hat und jetzt einen Kanal verwaltet, welcher die Stadt mit dem mexikanischen Golf verbindet. Soweit bin ich in die Hände der alten Rebellen und Sklavenhalter gefallen, die in ihrer gegenwärtigen Verfassung heldenmütiger Ergebung etwas förmlich Rührendes haben. Zu der entgegengesetztesten Partei gehört Freund Forstall, Quäker und Baumwollpflanzer, der schon vor dem Krieg, wenn auch ohne Pulver, mannhaft für freie Arbeit focht.
Meine Maschinen kamen am 5. Januar an. Mit demselben Schiff sollte einer von Fowlers besten Arbeitern abgeschickt werden, um mir für die rauheren Arbeiten zur Verfügung zu stehen. Das Schiff brachte jedoch weder einen Arbeiter noch einen Brief, und ich war mit meinen vierunddreißig Kisten voll Maschinen allein.
Klagen, schimpfen, nach England schreiben waren nutzlos. Nachdem ich das zweite eine Viertelstunde lang getan, beschloß ich, mich so gut als möglich durchzuschlagen, und zeigte zunächst der Welt in vier Zeitungen an, daß ein Dampfpflug angekommen sei.
Alsbald erschienen mit der Behendigkeit der Amerikaner Leute, die denselben ohne weiteres auf ihre Farmen nehmen wollten, um ihn dort einer gründlichen Prüfung zu unterwerfen. Namentlich war ein Mr. Lawrence, Zuckerplantagenbesitzer dreißig Meilen unterhalb der Stadt, sehr dringend. Auch Mr. Forstall wollte ihn hundertundzwanzig Meilen flußaufwärts schicken. Allein Longstreet und ich lehnten diese Anerbieten höflich ab.
Die erste Schwierigkeit bot die Zollfrage. Sie wurde, um keine Zeit zu verlieren, nach acht Tagen dadurch gelöst, daß ich unter Vorbehalt die Summe von 4200 Dollar auf den Zollamtstisch legte.
Auch ein Yankee war durch die ersten Anzeigen herbeigelockt worden, ein Mr. Stone, der »aus Interesse für die Sache« mir seine Dienste als Mechaniker anbot. Einen zweiten Schlosser bekam ich aus einer hiesigen Fabrik. Ferner wurde ein Irländer und sechs Neger als Helfershelfer aufgetrieben. Letztere bekommen für das Hin- und Hertragen von Gegenständen zweieinhalb Dollar den Tag, ein Verdienst, mit dem ein deutscher Professor zufrieden ist.
Das Ausladen des Schiffs dauerte bis zum 14. Januar, worauf ich natürlich alsbald anfing, die Maschinen zusammenzustellen. Sechs Tage nachher waren die zwei Lokomotiven, die Pflüge und Kultivatoren bereit, sich auf den Weg zu machen. Da keine Kranen zur Verfügung standen, so war die Arbeit manchmal keine leichte, und meine Finger am Schluß der Woche zum Klavierspielen ungeeignet. Wieder ein Trompetenstoß in den Zeitungen.
Außerhalb der Stadt, etwa sieben englische Meilen vom Landungsplatz der Frachtdampfer, liegt der Fairground, das heißt der Ausstellungsplatz der Landwirtschaftsgesellschaft von Luisiana, die ihn mir durch Longstreets Vermittlung als passendes Arbeitsfeld anbot.
Dorthin setzte sich demgemäß ein Zug, bestehend aus der Hälfte der Geräte: einer der Straßenlokomotiven, dem Sechsfurchenpflug und dem Kultivator, in Bewegung. Als Steuermann war ich selbst auf der Maschine, wie ich denn auch später in Ermanglung eines besseren Mannes selbst auf dem Pfluge zu sitzen hatte, wozu neben den Erinnerungen an Berg-Stuttgart und Leeds auch etwas Philosophie gehörte.
Das Rennen und Getümmel des Volks war sehenswert. Es war die erste Maschine dieser Art in Neuorleans. Im Mittelpunkt der Stadt, in den verhältnismäßig engen Straßen, namentlich aber infolge der Ungeschicklichkeit meines Maschinenwärters, der natürlich an diese Art von Geschäft nicht gewöhnt war und den Kopf ein wenig verloren hatte, geriet die Maschine in eine tiefe Straßengosse. Nachdem mir die Unmöglichkeit, sie aus dieser Lage je wieder herauszubringen, von dem teilnehmenden Publikum minutenlang mit aller Bestimmtheit erklärt worden war, fuhr ich weiter und erreichte, etliche kleine Brückchen zusammenbrechend, mittags glücklich das offene Feld und den Fairground.
Den Tag darauf dampfte die zweite Maschine mit einem ähnlichen Zug durch andre Straßen, namentlich mit Berücksichtigung der Zeitungsbüreaus und ohne irgendwelchen Unfall, nach ihrem Bestimmungsort.
Am Mittwoch machte ich meinen ersten Pflugversuch. Der Boden, ein alter Swamp, und wenn je, seit zwanzig Jahren nicht bearbeitet, bot keine kleinen Schwierigkeiten dar. Noch schlimmer war die völlige Unkenntnis meiner sämtlichen Leute in der Bedienung der Maschinen. Doch pflügte ich ein paar Morgen, ohne einen allgemeinen Zusammenbruch zu erleben, und vertraute für den folgenden großen Tag auf eine gütige Vorsehung.
So erschien denn auf besondere Einladung die ganze Geld- und Geburtsaristokratie Luisianas, die Generale Bragg, Taylor, Longstreet, Colonel Johnson, Lawrence u.s.w., die ganze Presse und eine Anzahl unbekannter Größen zweiten Grades ließen sich vorpflügen, hielten Reden und frühstückten mit gutem Appetit auf Kosten von John Fowler & Co., wie solches alles in den »New-Orleans-Times« und andern Zeitungen zu lesen ist.
Am folgenden Tag begann die öffentliche Ausstellung und eine Woche von Zwischenfällen aller Art. Stone, ein kluger, älterer Mann, der mir redlich hilft, wurde am dritten Tag krank. Mein Irländer, den ich zum Pflüger heranbilden wollte und der gerade anfing nützlich zu werden, verschwand mit seinem ersten Wochenlohn spurlos. Einen halben Tag lang hatte ich und ein Schlosser die zwei Maschinen und den Pflug allein zu bedienen, und trotz alledem wurde gepflügt. Aber am Mittwochabend wurde mir klar, daß es, wenn es noch ein paar Tage so fortgegangen wäre, nicht lange mehr gedauert hätte. Dazu regte sich auch bald neben Anerkennung und Bewunderung eine entschiedene Gegenströmung. Zweimal wurden mir Eisenstücke zwischen Zahnräder gesteckt, um einen Zusammenbruch der Maschinen herbeizuführen, so daß schließlich ein Geheimpolizist aufgestellt werden mußte, der die Maschinen bewachte. In einer Zeitung wurde sogar öffentlich zum Widerstand gegen »John Bull's intrusion on American soil« aufgefordert.
Halbkrank vor Ermüdung packte ich schließlich zusammen. Die Ausstellung war gelungen, soweit dies unter den gegebenen Verhältnissen möglich war. Heute bin ich wieder wohl und erwarte die Dinge, die da kommen sollen.
Zwei Schwierigkeiten stehen einem günstigen Ergebnis entgegen. Erstlich haben die Ansässigen kein Geld, und die Herren vom Norden tun alles, die vom Süden nicht so bald wieder aufkommen zu lassen. Zweitens sind die Maschinen für die Kultur von Zucker und Baumwolle, wie sie hier landesüblich ist, nicht ganz geeignet. Wir haben neue, eigentümliche Geräte zu erfinden, um den hiesigen Pflanzern mundgerecht zu werden. Das aber erfordert Zeit und Geld, Geduld und Ausdauer. Was die Gesundheitsverhältnisse des Landes betrifft, so fand ich eine alte Erfahrung auch hier bestätigt. Der Ruf eines schlechten Klimas ist immer übertrieben, manchmal ganz unverdient. Woher dies kommt, ist erklärlich: »Der Tod ist der Sünde Sold,« und krank werden Menschen überall. Es ist aber bequem und schmeichelt der Eitelkeit, Krankheiten, deren Ursachen in der eignen Natur oder öfter noch in der unvernünftigen Lebensweise liegen, auf das »Klima« zu schieben. Ferner verbreitet sich die Nachricht, daß fünf Leute an Cholera oder gelbem Fieber gestorben sind, zehnmal weiter und nachdrücklicher, als daß fünfhundert Gesunde die fünf Gestorbenen zu Grabe getragen. Auch klingt »Schleimfieber in Ulm« nicht halb so tragisch als gelbes Fieber am Mississippi, und doch ist es ebenso schlimm. Leute, die dreißig, vierzig Jahre lang hier gewohnt haben, sagen, daß es, seit die steigende Kultur Luisiana trockener gelegt hat, kaum eine gesündere Stadt gäbe als Neuorleans. Ein Bayer, der in der Nähe des Fairgrounds eine Wirtschaft hält, erzählte mir, mit Ausnahme eines Nasenbeinbruchs habe ihm nie etwas gefehlt. Der Arzt, der ihm die Nase eingerichtet, habe ihm gesagt, »er habe auch entschieden gelbes Fieber«; – »Den hob' i aber die Trepp' 'nunterg'jogt!« –