Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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45.

Kairo, den 6. April 1863.

Ein paar Zeilen; denn meine Minuten sind gezählt, und der Kamsin hat mein Tintenfaß nahezu trockengelegt. Aber doch wird Euch mit diesen Zeilen ein Stein vom Herzen fallen, weil mir einer an den Hals gehängt ist. Der Strohhalm meiner Hoffnungen, auf dem ich nach Indien zu segeln im Begriff stand, ist gestrandet. Das Nabobwerden hat ein Ende; ich sitze fest im ägyptischen Sand.

Hingegen bin ich Ingenieur en chefSeiner Königlichen Hoheit des Prinzen Halim-Pascha, des künftigen Vizekönigs (wenn wir's erleben), und somit künftiger Chefingenieur von Ägypten; denn »l'état c'est moi« ist hierzulande der berechtigte Wahlspruch der Vizekönige.

Jedenfalls bin ich neugierig, wie lange das Vergnügen dauern wird. Ein ehrlicher Kerl hat einen schweren Stand im Land Ägypten, wie schon der tugendhafte Joseph erfuhr, und mit der Stunde, in der ich meinen Vertrag unterschrieb, beginnt ein von allen Mächten der Finsternis und mit all ihren Mitteln geführter Kampf ums Dasein.

Doch, was Ihr vielleicht nicht mehr so genau wißt, und ich selbst kaum zu gestehen wage: der Lieblingsvers kirchlicher Poesie des sanften Bübleins von drei Jahren und zwei Fuß zwei Zoll Länge war damals und ist heute wieder: »Und wenn die Welt voll Teufel wär'.« –

Wie das alles kam, wie ich in Übereinstimmung mit Fowler, dem nichts lieber ist als mein Hierbleiben, meinen indischen Vertrag mittels zweier Telegramme löste, wie in den letzten Wochen alles, außer mir, auf den Schlag gepaßt hatte, wie ich jetzt in gewissen Kreisen als der abgefeimteste Spitzbube erscheine, und die Leute höflich sind mit Galle im Herzen, wie selbst Halims Harem bis ins Innerste erregt ist (dies ist kein schlechter Witz, sondern der gefährlichste Punkt für mich) – das alles kann ich jetzt nicht beschreiben; denn die gezählten Minuten sind nächstens zu Ende.

Seit ein paar Stunden bin ich von Alexandrien zurück, wo der auf drei Jahre lautende Vertrag festgestellt wurde. In ein paar weiteren Stunden bin ich wieder auf dem Wege den Nil hinab, in einem »meiner« Dampfer nach Theranis, wo mich zerbrochene Maschinen und ein geschäftliches Chaos erwarten: das A und O ägyptischer Zustände, jetzt vielleicht auch mein Anfang und Ende.

Trotzdem fühle ich mich schon fester im Sattel. Der erste Versuch mit einem für die hiesige Baumwollkultur geeigneten Pflug, den ich in den letzten Wochen notdürftig herrichten ließ, verlief über Erwarten gut. Was Euch aber am meisten ergötzen wird, ist, daß ich nächsten Sommer nach England soll, um Ankauf und Anfertigung neuer Maschinen zu leiten.

Dann geht's an den ersten Katarakt, wo mein Prinz fünftausend Hektar Wüste in einen grünen Garten verwandeln will.

Und wenn die Welt voll Teufel wär'!


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