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London, den 15. November 1862.
Mit Trompeten und Pauken, mit Orgeln und Glocken haben sie das God save the Queen gespielt und Hurra dazu geschrien, daß die Dome zitterten. Dann fing es an zu dämmern, der Nebel wurde dicker in den bunten Säulen- und Bogengängen; doch das summende Gewimmel, das um Statuen und Trophäen, über Galerien und Treppen wogte, summte ruhig weiter; denn der Nebel ist sein Element. Später fingen, wie täglich seit sieben Monaten, die Glocken an zu schlagen, dumpf und schrill, in wirrem Durcheinander, um die Leute zum Hinausgehen anzuhalten, hatten aber, wie immer, nur den Erfolg, dichtes Gedränge um die Glockenstühle zu ziehen, das sich an der Glockenmusik weidete wie an Mendelssohns »Lieder ohne Worte«; denn ein englisches Trommelfell braucht starken Tabak, um gekitzelt zu werden. Schließlich begann die Stimme des Gesetzes in allen Ecken laut zu werden und in drohendem Crescendo zu rufen: »Bitte hinaus! Hinaus, mein Herr! Nicht diesen Weg! Bitte hinaus! Hin–aus!!« bis es zog oder vielmehr schob, und der Strom hinausfloß, langsam und zäh, und die wuchtigen Torflügel sich schlossen – zum letztenmal für die große Ausstellung von 1862.
Damit schlossen auch die sieben interessantesten Monate meines bisherigen Lebens, die ich im Schweiße meines Angesichts in vollen Zügen genießen durfte. Derartiges kommt nicht alle Tage.
Der Abschied von London ist mir ziemlich gleichgültig; ich habe von seinen Freuden nichts zu verspüren vermocht. Freilich ist eine englische Provinzialstadt im Norden mit ihrem Nebel und Rauch auch nicht verlockend, und ein Aufenthalt von drei Regentagen in Leeds – vor zwei Wochen – fiel mir einigermaßen auf die Nerven. Aber ein gesundes Menschenherz ist aus Kautschuk und durch keine gewöhnliche Säure angreifbar.