Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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61.

Schubra, den 30. Mai 1864.

Dankbar muß ich dafür sein, daß mir mein arbeitüberfülltes Wanderleben nilauf, nilab doch auch mancherlei Allotria zuführt, die Geist und Sinne munter erhalten.

Soeben komme ich von Thalia zurück, das ich selten besuche, ohne mich mit der einen oder andern wunderlichen Beute zu belasten. Die Wüste, welche das Gut berührt und es manchmal an einzelnen Stellen mit ihrem glänzenden Sand überflutet, so daß man Felder findet, bei denen nur noch die sonnegedörrten Ähren aus dem Boden ragen, erhält auch dem mühsam bebauten Boden etwas von der ursprünglichen Wildheit Libyens. Die Fußspuren der Wölfe und Hyänen, das nächtliche Geheul des Schakals, welche rudelweise im Mondschein schwärmen, haben etwas Wohltuendes für das europamüde und kulturüberdrüssige Herz, das ich – nicht habe. Freilich erreichen auch die Flöhe dieses Distrikts eine seltene körperliche Entwicklung und verbinden mit ihrer gewöhnlichen schlauen Gewandtheit die Gefräßigkeit von Raubtieren. Meine diesmaligen Errungenschaften sind ein junger Adler und zwei kleine, lieblich gestreifte Wildschweine. Alle drei werden die ersten Zöglinge meiner neubegründeten »Erziehungsanstalt für afrikanische Säugetiere« bilden, worin der Adler als außerordentlicher Schüler sogut Platz finden wird als seinerzeit ein Jude im protestantischen Seminar zu Schöntal.

Morgen früh bin ich wieder auf dem Weg nach Mahallet el Mesir, wo nicht nur eine Maschine, sondern auch ein Maschinenwärter in Stücke gegangen ist. Übermorgen soll ich, koste es, was es wolle, wieder hier sein, um auf einer Insel, Schubra gegenüber, die nach Wasser schreit, eine Zentrifugalpumpe in Gang zu setzen, welche Hollier, der Pumpen-Baschmahandi, in einer Weise aufgestellt hat, daß sie nicht einen Tropfen Wasser gibt. Dann geht's nach Theranis, um eine sechzigpferdige Pumpe mit Ventilen zu versehen, dann – doch weiter zu rechnen ist Wahnsinn, da ich morgens nie weiß, wo der Stein liegt, auf dem ich abends mein Haupt niederlege.

Hollier, der entschlossen zu sein scheint, sich totzutrinken, wie so viele seiner Landsleute, ist abgedankt, was er reichlich verdiente. Ich bin Monarch – Dampfpflüge, Dreschmaschinen, Werkstätten, Gasfabrik, Pumpen, Dampfschiffe, Baumwollengins, Zuckerfabriken – alles ist mein. Auch habe ich jetzt ein arabisches Pferd, drei Kawassen, zwei Esel, zwei Schreiber! Was fehlt mir noch, um glücklich zu sein?

Hätte ich Zeit – es wäre am Platz, mit Hauffs Großvater im »Bremer Ratskeller« einen Schalttag zu halten. Vor dreizehn Jahren um diese Zeit verließ ich die liebe Heimat, Demosthenes und Horaz, voll Begeisterung für ein Ziel, von dem ich selbst keine Ahnung hatte. Vier Jahre später stürzte ich von idealen Höhen der Hochschulträume herab in das Schlosserlehrlingselend und tat einen schweren Fall. Wieder vier Jahre später schnitt ich meinen Wanderstab und begann mit etwas bänglichem Gefühl, aber mit dem Mut der Verzweiflung, das Handwerksburschenleben unsrer Zeit. Und abermals nach vier Jahren – Wüstensand – Nilschlamm – fern von allem, was mir teuer ist – einen Haufen Sorgen und ein Häuflein Gold! Sollte das das Ziel sein?


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