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Schubra, den 5. Januar 1866.
Prosit 's Neujahr! Wie es bei Euch angebrochen, hell oder trüb, weiß oder grün, leid- oder freudvoll, kann ich in der Entfernung kaum wissen.
Bei mir beugen sich die Zitronen- und Pomeranzenbäume unter ihrer goldenen Last; die Klee- und Kornfelder stehen im frischesten Schmuck der ruhelos schaffenden Natur; der Himmel, wenn auch nicht ewig blau, ist für gewöhnlich hell und klar, und die wunderbar übertünchten Totengräber Ägyptens glänzen in ihrer alten Pracht.
Aber drei Jahre haben mich aufgeklärt über diese ewige Schönheit. Ich weiß jetzt, was unter der Decke steckt und trete das neue Jahr nicht mit dem alten Mut an. Und es ist, als ob sich auch außer mir manches wenden wollte.
Ich schrieb schon des öfteren von der Mißstimmung zwischen Halim-Pascha und dem Vizekönig. Dieselbe steigerte sich in der letzten Zeit zur förmlichen Kriegführung, und da der Vizekönig Gewalt und Geld auf seiner Seite hat, so ist das Ende des Streites abzusehen. Dazu kommt, daß Halim-Paschas Recht eine Achillesferse hat. Diese liegt in Oberägypten. Dort, auf seinen Gütern in El Mutana, ist ein Franzose Verwalter. Diesen Mann halte ich für einen der größten Spitzbuben des Landes. Er verbindet mit der Schlangenhöflichkeit seines Volkes die Barbarei und Grausamkeit des inneren Afrikas, ist der Bigamie angeklagt, läßt seine erste Frau verhungern, treibt in Oberägypten Sklavenhandel und setzt bei uns hier unten die frechsten Hofintrigen in Bewegung; kurz, ich hasse den Menschen, und er weiß es. Dort nun griff die Regierung Halim-Pascha zuerst an. Weil, wie sie behauptet – und es ist wohl möglich, daß es wahr ist –, der Franzose einen großen Teil jener Güter den durch Stockprügel erweichten Schechs der Umgegend zu einem Spottpreis abgekauft habe, erklärte der Vizekönig, daß er die Güter konfisziere. Halim wandte sich an die öffentliche Meinung. Eines der ägyptischen Blätter besprach die Sache freimütig. Der Vizekönig entzog demselben die Erlaubnis des Erscheinens, ließ aber den Plan fallen. Hingegen wurden nun von sämtlichen andern Gütern meines Paschas alle Leute weggezogen, die nicht förmlich Halims Leibeigene sind. Thalia steht verlassen; die Baumwolle verfault auf den Feldern. Leute, die ich seit drei Jahren zu Maschinenwärtern und Dampfpflügern herangezogen habe, werden gezwungen, als Karrenbauern oder Erdarbeiter am Suez- oder Moezkanal zu arbeiten, und ich habe mir neue heranzuschulen. Bei der Zahl unsrer Maschinen ist dies keine kleine Arbeit und läßt mich meines Lebens nicht froh werden.
Verargen kann ich's Halim-Pascha nicht, wenn er unter solchen Umständen die Freude an seinem Ingenieurwesen verliert. Mehr oder weniger ist alles derartige bei solchen Herren eine Spielerei im großen. Ist das Spielzeug neu, oder läuft es gut, oder bewundern es die Nachbarn, so wird eifrig weitergespielt. Kommt's aber anders, so wirft man's beiseite. Warum nicht? – Halim-Pascha ist ein Mann voll guter Absichten, aber nicht ohne Launen und kein Freund von Pech und harten Brettchen. Seine Hauptbeschäftigung wurde plötzlich der Fischfang, bei dem er und sechs Mamelucken den Tag über, wenn sie fleißig sind, einen Taler verdienen.
Es ist möglich, daß diese Schwierigkeiten durch irgendwelche Wendung des Schicksals beseitigt werden, und in einem Lande, in dem der allgemeine Ton des Lebens ein gesünderer ist, würde es eine Schwäche sein, eine Stellung wie die meinige wegen einer augenblicklichen, wenn auch ziemlich tiefgehenden Unbehaglichkeit aufzugeben. Hier aber –
Es ist zehn Uhr. »Keine Ruh bei Tag und Nacht!« Vier Maschinen pfeifen in der »mondbeglänzten Sternennacht« alle zwei Minuten ihre antwortenden Signale draußen. Und morgen früh finde ich wahrscheinlich ein zerrissenes Drahtseil, einen zerbrochenen Pflug, einen dem Platzen nahen Kessel zum Frühstück.