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Als jene die Kammer verlassen, saß Joseph, den Kopf in die Hand gestützt, noch eine Weile schweigend da. Seine Trostlosigkeit hatte an diesem Abend den höchsten Grad erreicht. Es dämmerte bereits, und im Schloß herrschte eine lautlose Stille, weil die Besatzung sich nach dem gegebenen Befehl zum Gebet versammelt hatte. Die Kammer ward durch eine Tageshelle erleuchtet, die plötzlich von außen durch das Fenster hereindrang, und Joseph fuhr auf. Ein Blick hinaus zeigte ihm, daß das gegenüber liegende, nah an den Pulverthurm gebaute Haus von dem langsam fortglimmenden Feuer in Brand gerathen war.
Die einzige noch übrige Glocke auf der Schloßkapelle läutete zum Zeichen, daß der Gottesdienst beginne. Im Hof erblickte Joseph das Knäblein eines deutschen Knechtes, das, unbekümmert um alles, was verging, sein Schiffchen aus Tannenbork in dem steinernen Brunnentrog schwimmen ließ, während die etwas ältere Schwester desselben am Eingang zur Küche saß und Späne schnitzte.
»Wilhelmchen«, rief das Mädchen, »bet', es läutet zu Abend.«
Das Knäblein ließ sein Spielwerk, legte die Hände zusammen und betete:
»Lieber Mensch, was soll's bedeuten,
Daß man thut die Glocke läuten?
Das bedeutet abermal
Deines Lebens Ziel und Zahl.
Dieser Tag hat abgenommen,
Jetzund wird der Tod bald kommen.
Lieber Mensch, so schicke dich,
Daß du sterbest seliglich! Amen.«
» Daß du sterbest seliglich!« wiederholte Joseph, des furchtbaren Ernstes gedenkend, der gerade an diesem Abend in den Worten des harmlosen Kindes lag. »Wehe, wehe, wehe dem Menschen, der, wenn er sterben soll, nicht anders dazu sich zu schicken weiß, als daß er klagt: O Tod, wie bitter bist du! Die beiden haben mich nicht verstanden, als ich ihnen vorhin mein Herz ausschütten wollte – sie können's auch nicht. Sie wissen nichts von einer Angst, wider die es keinen Trost gibt. O, ich kenne sie wohl, diese Christen! Gestern Abend hat der Konrad vor dem Schlafengehen gewiß zum zwanzigsten Mal wieder dem Gerber erzählen müssen, wie dessen Vater, der alte Habermann, gestorben, wie er goldene Pforten gesehen und die Herrlichkeit des Himmels, und gesagt habe, Sterben sei sein Gewinn, und dann haben sie sich getröstet, wenn sie ja sterben müßten, so wollten sie daran gedenken, und Gott werde ihnen auch ein solches Ende geben, und haben sich gute Nacht gewünscht und geschlafen bis zum Morgen, während ich des Mardochai gedachte und seines elenden Todes, und auf meinem Bett wie auf Stacheln lag. O, ich kenne sie, ich kenne sie! Morgen früh werden sie sich mit Heulen und Schluchzen die Hände reichen, als ob ihr Herz wäre wie geschmolzenes Wachs, aber wenn die Trommel geschlagen wird, und sie den Helm sich aufs Haupt gedrückt haben, da werden sie mit hellen Augen zu ihren Fahnen treten und die Lanzen schütteln und mit ihrem Ruf: Jesus, Jesus! festen Trittes dem Tod entgegenschreiten, als wenn sie zum Tanze gingen, während der arme Jude sich ihnen nachschleppt, wie das Thier, das die Schlachtbank wittert.«
Die Lohe, welche aus dem vom Feuer ergriffenen Hause schlug, mochte von den Türken bemerkt worden sein, denn es erhob sich in ihrem Lager ein wildes Jauchzen, das gellend in der Festung wiederhallte. Joseph fuhr zusammen: »Niemand rührt sich«, sprach er, »das Feuer zu löschen! es ist ihnen einerlei, ob sie morgen unter den Säbeln dieser Barbaren fallen, oder heute schon in die Luft fliegen; aber«, setzte er nach einer Weile hinzu, »ich kann diese Stille nicht aushalten. Es ist mir, als läge ich jetzt schon im Grabe, ich muß unter Menschen gehn, wenn auch Niemand mein begehrt.« Damit verließ er die Kammer.
Er ging über den Hof, ohne Jemand zu begegnen. Als er am Ende desselben angekommen war und die Treppe hinaufsteigen wollte, die zu dem noch stehenden Theil der Gebäude führte, hörte er in der Nähe des Stalles, in welchem die Pferde der Husaren untergebracht waren, Jemand reden. Der Ungar, welcher die Stallwache hatte, ein Mann mit bereits grauem Barte, hielt ein Zwiegespräch mit seinem Pferd. Das Gespräch mußte einen rührenden Inhalt haben, denn manchmal unterbrach sich der Alte und fuhr mit der Hand über die Augen.
»Ja, ja, mein Schimmel«, sagte er, »schüttle nur mit deinem Kopf und stampfe mit deinem Huf auf, morgen werden die Türken dich reiten, die Senger und Brenner, die meine Agnes und meinen Janosch erschlagen haben. Denkst du noch an die Agnes? Weißt du noch, wie du so oft pfeilschnell mich über die Haide trugst, als ich um sie freite, weißt du noch, wie das Thor so schnell aufflog, wenn sie von ferne dein Wiehern hörte und das Knallen meiner langen Peitsche, wie sie dich streichelte und in den Stall führte und selber den Haber dir siebte? – Denkst du auch noch an den kleinen Janosch, mein Schimmel, wie er dir sein Brod vorhielt und so fröhlich lachte, wenn du es aus der Hand ihm schnapptest? wie er in seine kleinen Händchen patschte, wenn ich ihn auf deinen Rücken hob, und du sachte, sachte mit ihm über den Hof schrittest? – Gelt, du holst einen tiefen Athem und schaust mich traurig an und hängst den Kopf und scharrst in der Erde? Ja, mein kluges Thier, ich versteh' dich wohl, du willst sagen, das sei alles aus und vorbei, und sie seien längst todt und begraben, – ja, ja, es ist so, aber morgen werd' ich zu ihnen kommen, und da müssen wir zwei scheiden. Schau mich nicht so traurig an, alter Kamerad, ich weiß wohl, um dein Gnadenbrod ist's geschehen, aber ich muß gehen, Gott will's so, und ich gehe gern.«
Joseph hatte nur mit halbem Ohr auf die wehmüthigen Erinnerungen des alten Husaren gehört. Er beneidete ihn aber um die Ruhe, mit welcher er von dem morgenden Tag sprechen konnte, während ihm selber der Gedanke daran das innerste Mark durchbebte. Hastig eilt er die Treppe hinauf, an der katholischen Kapelle vorüber, und erreichte endlich das Hintergebäude, in welchem die Evangelischen ihren Gottesdienst hielten. Er erkannte schon von ferne die Stimme des Feldwebels Klaus Lindenhardt, ging langsam näher und lauschte an der Thüre; da er aber nicht deutlich hören konnte, öffnete er sie leise und trat unbemerkt hinter einen der Pfeiler, von welchen die ziemlich große Halle getragen wurde.
Die Landsknechte standen, ihm den Rücken kehrend, in einem Halbkreise umher, während Lindenhardt, eine kleine Bibel in der Hand haltend, den Prediger vorstellte.
»Ja, lieben Brüder«, sprach er, »daran sei euch kein Zweifel, daß wir in einer guten und ehrlichen Sache unser Leben eingesetzt haben, und daß, wer nun in dieser Sache sein Leben verliert, ein ewiges Lob davon haben wird. Wir sind nur noch ein kleines Häuflein, die meisten unserer Kameraden, die sich mit uns zusammengeschworen hatten, zu leben oder zu sterben, haben's schon überstanden und den ritterlichen Heldentod erlitten, aber wir wollen auch unsern Eid redlich halten und statt uns das Herz schwer zu machen, ihnen mannhaft nachfolgen und wollen's nicht besser haben, als diese unsere Gesellen, die guten und getreuen Männer. Ist das euer Aller aufrichtige Meinung?«
Die Angeredeten stießen die Schäfte ihrer Lanzen auf den Boden, richteten sich auf in strammer Haltung, sahen mit entschlossenen Augen dem Feldwebel in's Antlitz, und ein dumpfes »Ja!« erscholl aus ihren Reihen.
»Lieben Brüder«, begann der Feldwebel wieder, »wir kämpfen mit ungläubigen, blinden Heiden, wir aber sind Christen und streiten für den christlichen Glauben und wollen für diesen Glauben sterben. Laßt uns nun zusehen, daß wir auch im christlichen Glauben sterben, denn dann allein wird das Sterben uns Gewinn sein. Es ist eine besondere Gnade Gottes, daß wir nicht von ohngefähr dahin gerafft werden, sondern daß wir wissen: morgen, morgen, ehe die Sonne untergeht, wird unser Aller Stündlein gewiß gekommen sein.
Es wird morgen keiner seinen Harnisch oder Schild oder Helm oder Schwert daheim lassen, sondern wird all' seine Waffen bei sich haben, blank gescheuert, scharf geschliffen, wie es einem Kriegsmann ziemt, der nicht mit Schande bestehen, sondern das Feld behalten will. So laßt uns auch für gute Rüstung und Bereitung sorgen, um bestehen zu können wider den Feind, der listiger und stärker ist, als der Türke und Tartare, auf daß wir nicht etwa mit Ehren zwar den zeitlichen Tod leiden, dabei aber mit Schande und Jammer in den ewigen Tod gestoßen werden. ›Zuletzt, meine Brüder‹, sage ich mit dem Apostel Paulus, ›seid stark in dem HErrn und in der Macht seiner Stärke.‹
Daß nun unser bald verzagtes Herz doch unverzagt bleibe und Gott preise für seine unendliche Barmherzigkeit, laßt uns hören die schönen Sprüche, in welchen Gottes Wort uns die Vergebung der Sünden in unserm HErrn Jesus Christus versichert. Ich habe mir sie längst wohl gemerkt, damit mein Herz nicht zweifle, wenn das böse Stündlein kommt. Ach ohne diesen Trost kann ja kein Mensch fröhlich sterben! Laßt uns mit gutem Bedacht uns dieses Trostes erinnern jetzt, wo wir noch leben. So sagt Gottes Wort von dem gnädigen Heiland:
› Fürwahr Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplaget und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber Er ist um unserer Missethat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.‹
› Das ist je gewißlich wahr und ein theuer werthes Wort, daß Jesus Christus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen.‹
› Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde.‹
› Wer will verdammen? Christus ist hie, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns.‹
Ach das sind schöne Sprüche, lieben Brüder, das sind Zeugnisse, die den Feind zum Lügner machen, wenn er uns verklagen will, die sind wie ein Stab, an dem man von allzu schwerer Last sich aufrichtet, die thun dem geängsteten Herzen wohl wie ein Balsam, die sind wie ein Schlüssel, der dem Missethäter das Gefängniß aufthut, damit er die Botschaft der Gnade vernehme.
Nun aber, damit eure Augen wacker werden und euer Herz voll Freude, höret die Verheißungen, die denen gegeben sind, welche die Vergebung der Sünden haben. Sie sind gewiß und wahrhaftig und so groß und herrlich, daß Friede und Freude das Herz erfüllt, auch wenn man nur Kampf und Jammer und Noth und Tod vor Augen sieht. Höret, Brüder! der Heiland spricht:
› In der Welt habt ihr Angst, doch seid getrost, ich habe die Welt überwunden.‹
› Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben.‹
› Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.‹
So laßt uns nun all' unser Anliegen auf den HErrn werfen, laßt uns beten! Schaut auf die große Noth, die wir arme, schwache Menschenkinder nun zu bestehen haben. Laßt uns nicht vertrauen auf den Arm von Fleisch, sondern unsere Augen aufheben zu den Bergen, von denen uns Hülfe kommt. Ruft jetzt mit mir zum Herrn der Heerschaaren!«
Die Landsknechte sanken auf die Kniee, – der Feldwebel begann:
»Mitten wir im Leben sind
Von dem Tod umfangen,
Wen suchen wir, der Hülfe thu,
Daß wir Gnad' erlangen?
Das bist du Herr alleine.
Uns reuet unsere Missethat,
Die dich Herr erzürnet hat.« –
Dann fuhren die sämmtlichen Anwesenden im Chore fort:
»Heiliger Herre Gott, heiliger, starker Gott!
Heiliger, barmherziger Heiland, du ewiger Gott,
Laß uns nicht versinken in des bittern Todes Noth!
Kyrie eleison!«
»Laßt uns bitten wider das Elend, das mit dem Tode nicht endet, und darum größer ist, als auch des bittersten Todes Noth. Ruft zum Vater aller Barmherzigkeit:
Mitten in dem Tod anficht
Uns der Höllen Rachen,
Wer will uns aus solcher Noth
Frei und ledig machen?
Es jammert dein Barmherzigkeit
Unsere Sünd und großes Leid.« –
Abermals fuhren die Anwesenden im Chore fort:
»Heiliger Herre Gott! Heiliger, starker Gott!
Heiliger, barmherziger Heiland, du ewiger Gott!
Laß uns nicht verzagen vor der tiefen Höllen Glut!
Kyrie eleison!«
»Laßt uns, lieben Brüder, der einzigen Zuflucht gedenken, die uns bleibt, laßt uns den hochgelobten Namen nennen, in dem wir vom Tode und von der Hölle erlöst sind, und laßt uns ihn bekennen, als unsere einzige Hoffnung:
Mitten in der Höllen Angst
Unsere Sünd uns treiben,
Wo sollen wir denn fliehen hin,
Da wir mögen bleiben?
Zu dir, Herr Christ, alleine!
Vergossen ist dein theures Blut,
Das g'nug für unsere Sünde thut.«
Zum dritten Male ertönte der Ruf der Landsknechte:
»Heiliger Herre Gott! Heiliger, starker Gott!
Heiliger, barmherziger Heiland, du ewiger Gott!
Laß uns nicht entfallen von des rechten Glaubens Trost!
Kyrie eleison!«
»Und nun«, begann Lindenhardt wieder, »laßt uns schließen! Steht auf und tretet zusammen, reicht euch die Hände, als die da alle eins sind in dem Herrn Jesu und bald ihr gemeinsames Erbe empfangen werden.«
Mit Thränen in den Augen gehorchten die Landsknechte, und reichten einander die Hände, während der Feldwebel sprach:
»› Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes, Trübsal oder Angst oder Verfolgung, oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert? – In dem allen überwinden wir weit um deßwillen, der uns geliebet hat!‹
› Leben wir, so leben wir dem HErrn, sterben wir, so sterben wir dem HErrn; darum wir leben oder wir sterben, so sind wir des HErrn!‹
› Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden.‹
Wie aber sagt der Glaube, auf den wir alle getauft sind? Laßt uns den Schluß unseres Lebens machen mit dem Schlusse unseres Glaubens: ›Ich glaube Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen!‹ Amen! Lieben Brüder, mit solchem Glauben zieht morgen in den letzten Strauß, und, so wahr der HErr lebt, ihr werdet überwinden! Geht, Kinder, in Gottes Namen!«
Die einfachen Erinnerungen des Feldwebels hatten eine tiefe Erschütterung unter den Landsknechten hervorgebracht. Die wildesten und rohesten Bursche hatten eine innige Rührung empfunden, die sich oft in lautem Schluchzen Luft machte. Einer um den andern trat zu Lindenhardt heran und dankte ihm mit einem Händedruck. Der Eine bekannte, daß er viel drum geben würde, hätte er früher gewußt, was es um Gottes Wort bedeute, der Andere, wie sehr es ihn reue, ein ungehorsamer Sohn gewesen zu sein, wieder Andere klagten sich der gewöhnlichen Sünden ihres Standes an, der Unmäßigkeit, der Streitsucht, des lästerlichen Fluchens und Schwörens, die meisten standen da, wie der Zöllner, zu dem Gebet gestimmt: »Gott sei mir Sünder gnädig.« Konrad spürte ein Zittern durch seinen Körper gehen, als Lindenhardt den Spruch vorbrachte, den seine Mutter ihm mit auf den Weg gegeben: » Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes?« Der Gerber aber, der mit der Einfalt eines Kindes jedes Wort aufgenommen, trat zu dem Feldwebel, drückte ihm die Hand und sagte: »Gott lohn's euch, ich spreche mit Hiskias zu meinem Gott: ›Siehe, um Trost war mir sehr bange, du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, daß sie nicht verdürbe.‹ Komm' nun, was da will, der HErr wird mich bereit finden.«
Auf einen der Anwesenden aber, welchen Niemand gesehen, hatte das vernommene Gotteswort den entscheidensten Eindruck gemacht. Der stand zitternd und bebend hinter seinem Pfeiler, wie der Wanderer, der in dichter Finsterniß rathlos seinen Weg gesucht hat, bis der Blitzstrahl mit seinem grellen Schein ihm den Abgrund vor seinen Füßen gezeigt und die einzige Brücke, die über den Abgrund hinüberführt.
Eben wollte Lindenhardt mit dem Gerber und seinem Neffen die leer gewordene Halle verlassen, als Joseph herzustürzte, in der heftigsten Aufregung vor Lindenhardt sich niederwarf und dessen Knie umfaßte.
»Was willst du, Jude?« sagte dieser, bestürzt ihn abwehrend, »was willst du?«
»Herr, die Taufe, die Taufe! Ich weiß nun, wer mein Goël ist, ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und ich will ihm angehören im Leben und im Sterben. Die Taufe will ich! Habt ihr's ja selbst gesagt: ›Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden.‹«
»Lieber Junge«, sagte Lindenhardt, »wie kämst du zu solcher Erkenntniß? Du willst getauft sein, weißt du auch, was du begehrest? Hab' ich doch nie etwas wahrgenommen, daß du um das Evangelium dich kümmertest!«
»Nein, nein«, sagte Joseph, »ich habe mich nie darum gekümmert. Hab' ich doch auch, wie mein Volk, der Predigt unsrer Propheten nicht geglaubt! Hab' ich doch auch mein Angesicht vor euerm Jesus verborgen und ihn für nichts geachtet, und bin in der Irre gegangen und habe auf meinen Weg gesehen! – da hat aber Gott sich um mich gekümmert. Lechzend nach dem, der mich frei macht von Sünde und Tod, bin ich einhergegangen, ohne selbst zu wissen, wonach ich lechzte, und als ich schon meinte, verschmachten zu müssen, siehe! da stand ich vor ihm und erkannte, daß er es sei, den ich suchte, und daß ich Alles bei ihm finden würde, was ich brauchte. Das ist mir Alles so gewiß und wahrhaftig geworden, daß ich drauf leben und sterben will. Nun will ich ihm, und er soll mir gehören! O, ich weiß wohl, was ich begehre – selig zu werden durch ihn, der unsre Krankheit getragen und unsre Schmerzen auf sich geladen. Darum die Taufe, Herr, die Taufe um des Gottes der Verheißung willen!«
»Kennst du denn den christlichen Glauben?« fragte Lindenhardt?
»Ich kenne das Glaubensbekenntniß«, erwiederte er, »ich hab' es den Konrad so oft beten hören, daß ich es auswendig kann. Ich weiß, daß ich noch Vieles zu lernen habe, und will, wenn Gott mich am Leben läßt, es Alles treu und redlich nachholen, doch zuvor tauft mich, denn ich glaube, daß Jesus von Nazareth Gottes Sohn und der Welt Heiland sei, so gewiß, als ihr es glaubt, und wenn ich nach Gottes Willen sterben soll, will ich sterben als ein Christ.«
»Ich habe keine Ursache«, sagte Lindenhardt, »deinen Worten zu mißtrauen, aber eine so hochwichtige Sache zu übereilen, scheint mir nicht gut gethan.«
»Laßt mich die Sache entscheiden, Feldwebel!« sagte der Gerber. »Tragt ihr deßwegen Bedenken, den Joseph zu taufen, weil ihr kein Geistlicher seid?«
»Deßwegen nicht!« sagte Lindenhardt, »denn wo Gefahr auf dem Verzug steht, darf jeder Christ die Taufe vornehmen.«
»So hab' ich's auch gelernt«, sagte der Gerber, »thut's also in Gottes Namen! wenn irgendwo, so ist hier ein Nothfall vorhanden. Ich will mit Freuden die Pathenstelle übernehmen, denn, was den Joseph betrifft, so zweifle ich nicht: er ist wie Nathanael, ein rechter Israeliter, in dem kein Falsch ist.«
»Ja«, sagte Konrad, »so mein' ich's auch! Hätt' ich nur früher die Augen offen gehabt, so hätt' ich voraussehen können, daß es so kommen mußte. Es ist Sünd' und Schande, daß ich nie versucht habe, ihm auf den rechten Weg zu helfen, aber doppelt schlimm wäre es, wenn er das jetzt entgelten sollte.«
»Nun«, sagte Lindenhardt, »so mag es geschehen! Ich will mit euch auf eure Kammer gehen, damit wir nicht gestört werden, dort wollen wir die heilige Handlung vornehmen.«
Sie verließen die Halle, nachdem er aus einem dort befindlichen Schrank die Taufgefäße zu sich genommen hatte.
»Eilt, eilt!« sagte Joseph, »mir ist, als ob jeder Augenblick des Verzuges mich um einen Theil an der Verheißung des Lebens bringen könnte. Jetzt, jetzt ist die Nacht hin, jetzt wird es Morgen werden!«