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[Vorreden]

Vorrede der ersten Auflage.

Zu einer Zeit, wo der Thätigkeit in meinem Beruf längere Kränklichkeit hemmend in den Weg trat, habe ich die folgende Erzählung geschrieben, bei deren Herausgabe ich nur die einzige Ehre in Anspruch nehmen will und kann, die nicht allzu große Zahl derjenigen Bücher um eines zu vermehren, die man in den langen Winterabenden lesen oder vorlesen kann, ohne fürchten zu müssen, daß deutsche Art, gute Sitte und christlicher Glaube bei Alt oder Jung irgend einen Schaden zu befahren habe. Die erste Anregung dazu hat mir eine Scene aus der Erzählung » Albrecht Holm« von F. v. Uechtritz gegeben, einem geistvollen und höchst lesenswerthen, übrigens von dem meinen nach Form und Inhalt ganz verschiedenen Buch. Ein einzelnes Kapitel in der folgenden Erzählung wird demnach, wenn auch nicht der Ausführung, doch dem der Situation zu Grunde liegenden Gedanken nach, an dieselbe erinnern.

Zu dem historischen Theil der Erzählung habe ich außer den Geschichtswerken von Hammer und Mailath die Monographie von Samuel Budina und das Werk des Petrus Bizarus benützt, sowie eine kurze, als fliegendes Blatt erschienene »Relation«, die wenige Tage nach der Eroberung Sigeth's nach dem mündlichen Bericht eines dem Gemetzel entronnenen Fußknechts im kaiserlichen Lager zu Raab verfaßt wurde.

Hiemit wünsche ich dem Buche einen freundlichen Leser!

München im November 1860.

Der Verfasser.


Vorrede der zweiten Auflage.

Unter den vielen Freundeshänden, welche sich beeifert haben, die letzte schriftstellerische Arbeit Caspari's in diesem ihrem zweiten Erscheinen nach Verdienst auszustatten und dadurch das Andenken des Heimgegangenen zu ehren, möchte auch ich die meinige nicht fehlen lassen, und ich glaube mir die Ehre dieser Betheiligung nicht versagen zu müssen, da ich in Gemeinschaft mit dem Verleger des Buches das Meinige dazu beigetragen habe, die unserem Freunde verliehene Gabe volksthümlicher Erzählung, nachdem sie lange geschlummert hatte, wieder wach zu rufen, wie ich denn auch seit dem ersten Gerüchte von dem Stoffe, den er sich gewählt hatte und den er innerlich durchlebte, das Entstehen dieser geistigen Schöpfung mit Theilnahme verfolgt und dann, als sie zur Veröffentlichung reif war, ihr dem Verfasser zu Dank meine geringen Correktor-Dienste gewidmet habe.

»Ich habe mich« – schrieb Caspari am 18. März 1860 an den Verleger, den er als in Freud und Leid bewährten Freund schätzte und liebte – »ich habe mich an eine Erzählung gemacht, die, wie ich hoffe, so Gott will nicht schlechter werden soll als meine bisherigen. Den Inhalt soll die Bekehrung eines ächten talmudischen Juden bilden, der alle Fehler und Tugenden seines Volkes an sich trägt, im Verlauf der Erzählung aber, welche zu ihrem Gipfelpunkt die Erstürmung von Sigeth durch die Türken hat, sich der christlichen Wahrheit gefangen gibt.« Dieser Aufgabe, die er sich gestellt, widmete er seine freien Stunden. Das Schaffen selbst und die dazu vorbereitenden Studien, bei denen ihm, sofern sie das Judenthum betrafen, D.. Lichtenstein zur Hand war, gewährten ihm, wie er öfter schrieb, große Freude. Im Juli 1860 ging er, sobald er von einer schmerzhaften Gesichtsentzündung wieder genesen war, mit erneutem Eifer daran und im Oktober schickte er das erste Manuscript, die leise Hoffnung aussprechend, das Buch bis Weihnachten gedruckt zu sehen. Ihre letzte Gestalt erhielt die Erzählung, indem er sie diktirte; die letzten Kapitel sind sogar erst während des Diktirens entstanden. Gattin und Kinder und Freunde stellten sich ihm als Schreiber zur Verfügung. »Mit Rührung und Dank gegen Gott, der zur Vollendung Gesundheit und Kraft gegeben«, sendete er am 5. Dec. 1860 das letzte Manuscript. »Meinen Knaben zu Lieb« – schrieb er – »haben Sie die Güte, die Freiexemplare bald zu schicken. Es ist ihnen am Tag nach deren Ankunft ein Festdiner versprochen, bei welchem sie als die Schreiber des Buches nebst Vetter List [Professor am Cadetten-Corps in München] als die ersten Gäste figuriren.« Dieses Festdiner war auf den Samstag angesetzt. Außer Professor List waren der Schwager des Festgebers und D. Lichtenstein, der ein sehr reges Interesse an dem Buche genommen hatte, eingeladen. Die Festgesellschaft war beisammen, aber noch fehlte die Büchersendung. »Als wir nun« – schreibt unser Caspari am 13. Dec. – »gerade die Flasche Champagner anbrechen wollten, die meine Frau gegeben hatte, schellte es und das Pack Freiexemplare hielt zum allgemeinen Jubel seine Ankunft.« Dabei war ein Brief des Verlegers, worin er dem Prof. List und den beiden Söhnen dankbare Anerkennung zollte und Letzteren einen schönen einfachen humoristischen Trinkspruch auf Papa und Mama, auf Konrad und Joseph und auf alle edlen Charaktere der Erzählung in den Mund legte. So gewann das Festdiner nun »einen sehr gelungenen Verlauf«. D. Lichtenstein erhob sich während desselben und trug das hier am Schlusse dieses Vorworts mitgetheilte Sonett auf den Verfasser von

Christ und Jude

vor.

Schon damals konnte man die Leidensgestalt des Freundes nicht ohne schmerzliche Besorgniß ansehen. Nach Weihnachten mußte er dem Predigen entsagen und sich auf den Confirmanden-Unterricht beschränken, den er trotz seiner zunehmenden Schwäche sich nicht nehmen ließ. Im April sollte er nach Soden reisen, um dort den Frühling und Sommer zuzubringen. Als diese Badereise sich als unausführbar auswies, schwand den Seinen auch der letzte Hoffnungsschimmer und seine eigenen Todesahnungen wurden zu immer bewußterer Rüstung auf den nahen Abschied. »So oft ich seinem Hause nahe kam« – erzählt Dekan D. Meyer Siehe dessen Grabrede bei der Beerdigung des selig vollendeten Herrn Pfarrers Karl Heinrich Caspari, gehalten auf dem Friedhöfe zu München den 12. Mai 1861. München, Giel 1861. – »erweckte mir der Gedanke an sein Leiden und den Schmerz, welchen das stetige Voraussehen des immer näher rückenden Todestages ihm bereiten mußte, herzliches Mitleiden und inniges Bedauern. Aber wenn ich mit ihm selbst sprach, dann trat Mitleiden und Bedauern zurück vor der Freude über dem Reichthum seines Trostes und seiner geistlichen Kraft und seiner Freudigkeit, und wiederholt sprach ich im Stillen zu mir selber: Gottes Gnade helfe dir, daß du auch einmal also bereit und also getrost seiest für dein Sterbestündlein! Diese Kraft und Freudigkeit blieb ihm bis an's Ende. In der Nacht vor dem Todestage verlangte er von den Seinen, daß ihm der 103. Psalm, jener herrliche Lobgesang der Güte Gottes, vorgelesen werde, und er selbst betete mit leiser Stimme, doch noch hörbar: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist Seinen heiligen Namen!« –

Sein Sterbebett glich also dem in Kap. 2 von » Christ und Jude« geschilderten. Auch dort lispelt der sich zum Sterben schickende Greis den Umstehenden zu: Betet den 103. Psalm, und mit dem Schluß des Psalms – sagt der Erzähler – schien auch das Ende seines Lebens zu kommen.

Ganz ebenso ist dieser Psalm das Wiegenlied geworden, unter dessen Nachklängen unser Caspari am 10. Mai 1861 Nachmittags halb fünf Uhr im Frieden der Gotteskindschaft zu seligem Erwachen eingeschlummert ist, aber nicht als Greis, sondern auf der Höhe des Mannesalters, denn am 16. Februar 1815 war er in Eschau geboren. Dort in Unterfranken stand seine Wiege und da ist auch die Heimath der meisten seiner lieblichen Geschichten, auch seiner jetzt zum zweiten Male erscheinenden letzten.

Der selige Verfasser hatte sie unter dem Kreuze seiner dem Ende ihn immer näher führenden Krankheit geschaffen, und weil kein weiteres Schaffen ihm vergönnt war, so ist diese seine letzte Schöpfung mit seinem inneren Menschen bis zum letzten Athemzuge verwachsen geblieben. Die beifällige Aufnahme, die das Buch fand, machte ihm um so größere Freude, je bescheidener sein eignes Urtheil war. »Wegen des Schicksals unseres Buches« – schrieb er am 9. Januar 1861 an seinen Freund Bläsing – »fange ich an, ohne Sorge zu sein. Gott sei für das Wohlgelingen gepriesen!« Die kindliche Freude des geliebten Kranken wurde nicht wenig dadurch erhöht, daß nahe befreundete dankbare Leser sich zu künstlerischer Ausstattung der in Aussicht stehenden zweiten Auflage erboten. Graf Pocci, dessen sinnvolle originelle Zeichnungen und Dichtungen das Ergötzen von Jung und Alt im deutschen Volke sind, und Herr Schütz, von dessen seelenvoller Landschaftsmalerei Caspari selbst, als er im Sommer 1859 auf der Reise nach Lippspringe im Bläsing'schen Hause rastete und herbergte, mir eine lobpreisende Schilderung entwarf, wählten sich je eine Scene der Erzählung zu zeichnender Darstellung: dieser das Sterbelager in Kap. 2 und jener den Jahrmarkt in Kap. 23. Fräulein von Trott schnitt dieses letztere Bild in Holz. Und Präsident D. A. von Harleß, der, als er von der erst im Entstehen begriffenen Erzählung hörte, für sie das in Kap. 8 eingelegte Zigeunerlied entwarf, setzte es nun auch in Musik, denn Poesie und Musik sind in Mußestunden seine liebste Erheiterung. So prangt denn diese zweite Ausgabe, obwohl übrigens der Charakter des Volksbuches anspruchslose Beschränkung der Ausstattung anrieth, in einem seltenen kostbaren Schmucke, welcher aber ganz und gar nicht nach seinem Werthe an sich, sondern lediglich nach der dadurch so vielseitig bethätigten Liebe zu dem Seligen beurtheilt sein will. –

Der Verfasser hat seine Erzählung eine deutsche genannt. Den Namen einer christlichen verschmähte er. »Ich habe mir zum Grundsatz gemacht« – schrieb er am 24. März 1860 an seinen Freund Bläsing – »meine Erzählungen streng christlich zu halten, wie es auch bei dieser geschehen, dabei aber auch keinen zu der Meinung zu veranlassen, sie seien christliche Tendenzschriften – damit verlören sie einen Theil ihres Segens.« Gerade hierin bekundet sich die Aechtheit der ihm verliehenen Gabe: er ergötzte sich an der Unmittelbarkeit des Geschehens selbst, inwiefern es nicht minder eine göttliche als menschliche Seite hat; den vielverschlungenen, aber immer am Ende sich lichtenden Wegen Gottes nachzugehen, war seine Lust; wie einem höheren Zuge sich anheimgebend die Spuren der Fußtapfen Gottes in der Menschengeschichte nachzubilden – das war ihm der eigentliche Reiz erzählerischen Schaffens. Daß er aber seine schriftstellerische Thätigkeit so tendenzlos mit einer Erzählung abgeschlossen hat, welche den göttlichen Triumph christlicher Liebe über ein jüdisches Herz darstellt, dünkt uns eine um so preiswürdigere höhere Fügung und Führung. Was Spener noch im Tode predigen wollte, indem er sich in weißem Sarge begraben ließ, das predigt nun auch Caspari in dieser unwillkürlich die Wiederbringung Israels weissagenden Geschichte. Das Leben des geliebten Freundes, welches dem Wasser Siloah glich, das stille gehet, ist zuletzt eingemündet in die große Tiefe, welche St. Paulus Röm. 11, 33 anbetend lobpreist, und Konrad und Joseph sind und bleiben diesseits dem deutschen Volke sinnige Typen der Liebe, welche aus dem Blute der Versöhnung erblüht und dereinst auch Israel mit allen Völkern wie ein Zelt des Friedens umfangen wird.

Erlangen, am 2. November 1861.

Fr. Delitzsch.


Dem Verfasser von
»Christ und Jude«.

Du zeigst uns Juda's Sohn, wie er, der arme,
Verschüchtert mit unruhiger Geberde,
Nach einer Heimath seufzt auf fremder Erde,
An der sein Herz, sein bebendes, erwärme.

Umhergeirrt im bunten Völkerschwarme,
Ruht endlich er am heimathlichen Heerde
Bei David's Sohn, deß schöpferisches Werde
Den Menschen heilt von allem Seelenharme.

Du hast uns lebhaft, wie ein weit Gereister,
Der Völker Tracht gemalt und hast geschildert
Auch ihre kampfestrunkenen Lebensgeister.

Du zeigst uns treu, wodurch der Mensch verwildert,
Du, der Erzählung ernster, klarer Meister,
Und zeigst den Sabbath, der den Menschen mildert.

Siegmund Lichtenstein.

 


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