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Zehntes Kapitel.
Die Schenke

In dem Städtchen Paconia herrschte seit einigen Tagen ein ungewöhnliches Leben. Ein großer Theil der Bewohner von Siclos und von den benachbarten Dörfern und Weilern hatte sich mit seiner Habe vor den andringenden Türken hinter die Mauern des Städtchens geflüchtet. Jedes Haus vom Keller bis zum Dach war mit Männern, Weibern und Kindern angefüllt, die Straßen standen Tag und Nacht voller Pferde und neben ihnen lagen zur Nachtzeit die Roßhirten, in ihre Pelze gehüllt, nachdem sie am Tag unter der Anführung einzelner Hauptleute in der Ebene vor den Thoren ihre kriegerischen Uebungen angestellt hatten. In jeder deutschen Stadt würde man unter solchen Umständen sich sehr übel befunden und sich weit hinweggewünscht haben, aber die Ungarn waren von jeher und zumal damals ein kriegerisches Volk, und trotz der Klagen und Verwünschungen, in welche die Flüchtlinge ausbrachen, wenn irgend ein neues Gerücht über das drohende Herannahen des Feindes laut wurde, glaubte man doch eher einem fröhlichen Volksfest beizuwohnen, als den Schrecken und das Elend anzusehen, wie es ein so wilder Krieg mit sich bringen mußte.

Konrad und Joseph waren bereits des Städtchens, das mit vielen Fahnen geschmückt war, ansichtig geworden: auf der Ebene rechts übte sich ein Haufe Bauern unter der Leitung eines mit fürchterlicher Stimme schreienden Landsknechtes im Gebrauch der langen Hellebarten und im regelrechten, taktmäßigen Schritt, auf der andern Seite jagten die in Husaren verwandelten Tschikosse oder Roßhirten über die Haide, bald ihre Aexte, bald ihre Speere auf ihren dahin sausenden Rossen, wie im Flug nach einer hölzernen Figur schleudernd, der sie einen mit einem Turban bedeckten Kopf aufgesetzt hatten. So oft der Kopf, von einem Speer oder Beil getroffen, zu Boden stürzte, erhoben sie ein lautes Beifallsgeschrei, bis ein Zigeunerknabe, der neben der Figur im Grase lag, den Kopf wieder befestigte, und der Ritt von Neuem begann.

Einige hundert Schritte vor dem Thor neben der Straße, auf welcher die beiden Wanderer gingen, lag eine Schenke, kennbar an dem Tannenzweig, der über der Thüre hing. Vor derselben stand eine lange Reihe schweißtriefender Pferde, während ein lautes Jauchzen, Singen und Lachen, das aus dem Vorplatz und der Gaststube des niederen Gebäudes drang, anzeigte, daß die Eigenthümer derselben bereits ihre kriegerischen Uebungen durchgemacht hatten und sich nun von den überstandenen Strapatzen zu erholen suchten.

Joseph und Konrad wollten eben an der Schenke vorbeigehen, als ein großer, breitschulteriger Mann in einer braunen Jacke aus der niedrigen Thüre trat und ihnen zurief mit lauter Stimme: »Halt, Landsleute, wohin des Wegs? Seid ihr noch nicht müd' genug, oder habt ihr noch nicht genug Staub geschluckt, oder habt ihr so gar große Eile, daß ihr an meines Freundes, des blauen Peters, Schenke vorbeilauft, als wären der Schenken so viele in diesem Land, als Löcher in der Straße? Oder ist vielleicht der Beutel leer, und hat das Fechten nichts abgeworfen? Ja, ja«, sagte er mit einem gutmüthigen Kopfnicken, »ich kann mir's schon denken, da wird's fehlen, aber das thut nichts, ihr sollt euern Schoppen dennoch trinken. Kommt herein, Brüder, und macht's euch kommod.«

Die beiden Freunde sahen sich unentschlossen an. Einerseits dünkte es sie nicht recht behaglich, sich unter den lärmenden Haufen wildfremder Menschen zu begeben, auf der andern Seite aber lag in der Einladung des Mannes, trotz seiner Donnerstimme, so viel Wohlwollen, daß sie dieselbe nicht geradezu abweisen mochten.

»Nun, potztausend Element, wird's bald?« rief der Fremde. »Achtung! rechts umkehrt, vorwärts marsch! So – jetzt kommt nur herein!« Damit schritt er voran, deutete ihnen auf ein kleines, noch leeres Tischchen, hinter dem sie Platz nehmen sollten, befahl dem Peter, ihnen einen Schoppen von seinem Rothen vorzusetzen und nahm dann am entgegengesetzten Ende des Zimmers neben einem ältlichen Mann von jüdischem Aussehen seinen eigenen Platz wieder ein.

In der überfüllten Gaststube schienen alle Nationen vertreten, die in dem gesegneten Ungarn schon damals ihre Heimath hatten. An einem langen Tisch, der die eine Seite des Zimmers, einnahm, saß ein Haufe Husaren in ihrer schönen, eng anliegenden Tracht, ächte Ungarn, Magyaren, mit edlen Gesichtern, feurigen Augen, schwarzen Schnauzbärten und von untersetztem Wuchs, bald mit ihren Gläsern anstoßend, bald mit ihren klirrenden Sporen den Takt zu einem fröhlichen Lied tretend. An einem Tisch in der Ecke saßen Kroaten in ihren braunrothen Mänteln, Dolche und Pistolen in ihren Gürteln, während sie ihre langen Flinten abseits an die Wand gelehnt hatten, Slavonier mit den weiten, weißen Beinkleidern und den engen, knöpfereichen, hellblauen Westen.

An einem Tisch nebenan dehnten sich ein Dutzend deutscher Landsknechte mit spitzigen, aufwärts gedrehten, blonden Schnurrbärten, breiten Schlapphüten, weiten Pluderhosen und mageren, sonnverbrannten Gesichtern, nach ächt deutscher Sitte ernst und schweigsam und doch vergnüglich und behaglich hinter den großen Humpen sitzend, – nach gethaner Arbeit Leute von wenig Worten, aber von vielem Durst.

Auf einer breiten, etwa in der Mitte der Zimmerhöhe angebrachten Bank, so daß ihre Füße über den Köpfen der andern Gäste baumelten, saßen drei Zigeuner mit langen, schwarzen, glatt gestrichenen Haaren, ihre Geigen neben sich, mit denen sie von diesem Ort aus in friedlichen Zeiten zum Tanz aufspielten. An einem einzeln stehenden kleinen Tisch endlich saß die breite Gestalt des erwähnten Mannes mit der braunen Jacke, den die Gäste nur den Schwaben oder den Gerber zu nennen pflegten, ihm zur Seite der alte Mann, der ein Jude zu sein schien.

»He, Janosch«, sagte einer der Kroaten, in gebrochenem Deutsch redend, offenbar in der Absicht, von den nebenansitzenden Landsknechten verstanden zu werden, »ich alle Menschen liebe, nur nicht den Türken und den schwäbischen Landsknecht.«

»Warum nicht, Wuk?«

»Sie sollen bleiben in ihrem Land, wir nicht wollen ernähren diese Hungerleider.«

»St!« sagte Janosch, seinen Kameraden anstoßend und auf einen der Landsknechte deutend, der das Gespräch gehört hatte, und eben seine weinumnebelten Augen langsam auf den feindseligen Sprecher richtete.

»Im Wirthshaus ist der Bauer so viel, als der Ban«, sagte Wuk, seine Stimme erhebend. »Ich will reden, was ich mag, und ich sage, wir nicht wollen ernähren diese Hungerleider.«

»Sie haben dir ja nichts gethan«, sagte Janosch. »Laß sie gehen und fang keinen Streit an. Ihre Feinde sind unsre Feinde, und ihre Freunde sind unsere Freunde.«

»Das ist nicht wahr«, sagte Wuk, »sie wie die Wölfe rauben und stehlen, und wenn der Kroat kommt, findet er nichts mehr, es ist alles leer, das Brod gegessen, der Wein getrunken, der Kasten aufgeschlagen und die Hühner geschlachtet. Sie sind Spitzbuben, das sag' ich, Janosch. Tritt mir nicht auf den Fuß, Petrowitsch! und laß mir Ruh' mit deinem Ellenbogen, Janko! und blinzle mir nicht zu, Mathiasch! es sind Landstreicher, Gurgelabschneider, das sag' ich«, fuhr er fort, indem sich seine übermüthige Weinlaune auf's höchste steigerte.

Auf diese mit lauter Stimme ausgesprochenen Worte hatten bereits mehrere Landsknechte die schweren Köpfe dem kühnen Sprecher zugewendet. Es war eine unheimliche Stille an ihrem Tisch eingetreten, der alsbald ein Gewitter zu folgen drohte.

»Ludwig Müller«, sagte jener Landsknecht, der zuerst auf die Worte des Kroaten aufmerksam geworden war, »du sitzest am nächsten bei dem welschen Hallunken, steh' einmal auf und frag' ihn, was er an unsrer tapfern Zunft auszusetzen hat.«

Ludwig Müller, ein baumlanger Kamerad, drückte seinen Hut auf eine Seite und erhob sich von seinem Sitz, nahm seinen langen Degen unter den Arm, trat vor den Kroaten und sprach: »Wer wagt es, wider redliche, ritterliche Landsknechte ein Wort zu sagen?«

»Ich!« sagte Wuk, »und ich will sagen nicht ein Wort, sondern zwanzig und dreißig und hundert Worte.«

»Und ich will dir geben«, sagte Ludwig Müller, »nicht eine, sondern zwanzig, dreißig und hundert Maulschellen, daß dir dein kroatisches Hirn wie Buttermilch zu den Ohren herausspritzen soll.« Damit packte er ihn mit der linken Hand an der Gurgel, warf ihn rücklings auf den Tisch, daß die Gläser tanzten, und fing nun an, mit der Rechten seinen ausgesprochenen Vorsatz zu erfüllen.

Im Augenblick entstand ein fürchterlicher Tumult. Die sämmtlichen Kroaten sprangen auf und zogen ihre Dolche, die furchtbarsten Drohungen ausstoßend, die Husaren stürzten herzu, und da sie nicht wußten, wer den Streit begonnen, warfen sie sich über den, welchen sie die Gewaltthat ausüben sahen, der blaue Peter schrie: »Friede, Friede, ihr Herrn, wer bezahlt mir die zerbrochenen Gläser?« aber auch die Landsknechte hatten sich von ihren Sitzen erhoben, zogen ihre Degen, und während sie mit ihrem Schlachtgeschrei: »Her! Her!« sich in Feuer setzten, rief ihr Gefreiter Schimmelmann, welcher den Ludwig Müller an den Tisch der Kroaten abgeordnet hatte: »Laßt die Beiden ihre Sache allein ausmachen, gebt ehrliches Spiel, oder wir hauen euch Alle in Kochstücke zusammen!«

Der Streit schien sich in einen allgemeinen Kampf zu verwandeln. Da nahte der Schwabe, der sich bisher vergeblich Gehör zu verschaffen gesucht hatte, schob sich durch den tobenden Haufen und riß die Streitenden mit seinen derben Fäusten auseinander, während er rief: »Halt, halt, Brüder, das wäre das Wahre, wenn die Hunde den Wolf jagen sollten und sie fingen an einander selber zu beißen! Morgen vielleicht stehen wir vor den Türken! Heb' dich an deinen Platz, Ludwig, steckt die Schwerter ein, Wilhelm, Franz, Heinrich, nimm Vernunft an, Gefreiter Schimmelmann, und du, Wuk, du raupiger Mistfink, halt dein ungewaschnes Maul, oder ich und da die Husaren werden dir das Fell gerben, daß du deiner Lebtage keine ehrlichen Leute mehr Diebe heißen sollst. Auseinander! sag' ich noch einmal, augenblicklich! und – holla, Zigeuner da droben, aufgespielt, ung'risch!«

Man merkte, daß der Mann bei der Gesellschaft in großem Ansehen stehen mußte. Denn die Landsknechte hatten sich sogleich gefügt und wieder an ihren Tisch begeben, obwohl sie noch mit drohenden Blicken die Gesellschaft musterten, die Kroaten hatten auch mit einigen leisen Flüchen sich wieder niedergesetzt, und suchten den von seinen empfangenen Schlägen betäubten Wuk zu trösten. Die Zigeuner aber hatten kaum die fröhliche Melodie eines Nationalliedes begonnen, als die Ungarn, mit den Fingern schnalzend und jauchzend, die Stühle zusammenschoben, einen freien Raum zu bekommen, und dann sich zum Tanze anstellten. Als sie ihre kühnen Sprünge und künstlichen Wendungen begannen, klatschte der Schwabe in die Hände und schrie: »Brav! Brav! ja, so kann's halt nur der Ungar, das heiß' ich tanzen, da sind wir anderen nur bleierne Vögel dagegen.« Die ganze Gesellschaft erhob sich allmählig von ihren Sitzen und wurde zur Bewunderung hingerissen, und als die Zigeuner ihr Spiel geendet, war Alles voll Freude und Jubel, und kein Mensch gedachte mehr des vergangenen Streites.

»Gut gemacht«, sagte der alte Jude mit beifälligem Nicken zu dem Gerber, »du verstehst's, die wilden Bursche zu zähmen. Ich dachte schon, es werde Mord und Todtschlag geben, und siehe! jetzt trinken sie einander zu, als ob sie besessen wären vor lauter Liebe und Freundschaft.«

»Das weiß ich noch«, sagte der Gerber, »von der Kirmes her. Wenn sie da die Stuhlbeine herausrissen und einander die Köpfe zerdreschen wollten, da brauchte nur aufgespielt zu werden, und es faßte jeder seine Tänzerin statt seines Gegners, und aus war aller Streit.«

Joseph war sogleich beim Beginn des Tumultes entsetzt aufgesprungen und hatte sich an die Thüre begeben, um, wenn es Ernst werden sollte, sogleich das Freie zu gewinnen. Als sich aber der Streit gelegt hatte, setzte er sich wieder und sagte zu seinem Kameraden: »Bei dem Haupte meines Vaters sei es geschworen, Konrad, hätt' ich gewußt, wie es in diesem Lande zugeht, so hätte nicht Salomon's Reichthum mich hierher locken sollen.«

»Ja«, erwiederte Konrad, »diese Leute sind ein rohes, wildes Volk, das im Handumkehren zum Schwert und Dolch greift, doch haben im Grund die Landsknechte Recht gehabt, sich nicht so verschimpfen zu lassen, wie der Rothmantel sich's herausnahm, und es freut mich, daß der Ludwig Müller ihm so das Maul gestopft hat. Schau nur, wie der Duckmäuser mit seinem zerschlagenen Gesicht jetzt so still und sanft thut, als könnte er nicht drei zählen. Der wird so bald keinen Deutschen wieder einen Hungerleider schelten. Aber der Schwabe oder Gerber, wie sie ihn nennen, der uns hereingeführt hat und uns traktirt, hat mir das Herz abgewonnen. Wenn ich nur seine Stimme höre, so ist mir's, als säß' ich daheim in meines Vaters Haus und äße eine warme Suppe und ein Stück von unserem guten Hausbrod. Und was das Volk da für einen Respekt vor ihm hat, fast wie die Leute daheim vor meinem seligen Großvater hatten. Es muß ein ganzer Mann sein.«

Am Tische der Landsknechte schien man auch seiner Meinung zu sein, denn er hatte kaum seine Rede geendet, als einer derselben, den aufgeklappten Krug in der Hand, sich erhob und nachdem er durch lautes Räuspern die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, rief:

»Also – Frieden Kameraden! so sage ich, und ein Schelm, der's anders sagt! Wir stehen alle, wo wir auch herstammen und wie wir heißen, im Brode eines edlen Mannes und, wie der Gerber gesagt hat, wir sollen nicht sein, wie die Hunde, die sich selbst beißen, statt daß sie über den Wolf herfallen. Also sage ich nochmals: Friede! und bringe die Gesundheit aus des Gerbers, und wer sie nicht mittrinken will, dem schneide ich, Reichert Schimmelmann, die beiden Ohren ab, daß er aussehen soll, wie ein gestutzter Dachshund! Der Gerber soll leben hoch!«

»Halt's Maul, alter Schimmelmann«, fiel ihm der Gerber in's Wort, »du willst die gescheiten Leute loben, wirst aber selbst niemals gescheit; was liegt hier an dem Gerber und seiner Gesundheit? Die könnt ihr trinken, wenn ihr auf Martini die Metzelsuppe bei mir eßt. Ich will eine andere Gesundheit ausbringen, und wer auf die seinen Krug nicht ausleert bis auf den letzten Tropfen, der soll wie ein falscher Verräther zur Stube hinaus und die Treppe hinabfliegen. – Achtung, ihr Ungarn, ihr sollt den ersten Trunk thun, denn der Mann ist eures Blutes, unter euch geboren und zum Helden geworden! Aufgestanden und die Säbel gezogen! Es lebe unser Herr, der tapfere Graf, der seines Gleichen nicht hat, Niklas von Zriny

Wie elektrisirt fuhren bei diesem Namen die Husaren auf, schlugen die Säbel aneinander und riefen: »Eljen der Graf von Zriny, Eljen! Eljen!« mit einem nicht enden wollenden Jubel.

»Und ihr Kroaten«, fuhr der Gerber fort, »der Kaiser hat ihn zu eurem Ban gemacht, und er hat wie ein Löwe euer Land bisher behütet, es lebe der Ban Niklas von Zriny!«

»Zivio, Zivio!« schrien die Kroaten, an ihre Dolche greifend, »Zivio, Zivio der tapfere Ban Niklas von Zriny!«

»Und nun, wer deutsches Blut in den Adern hat – jetzt kommen wir an die Reihe. Und wenn in der ganzen Welt der Held nichts mehr gilt, so weiß der Deutsche ihn zu ehren, und wem der Deutsche dient, dem dient er mit Gut, Muth und Blut. Der Deutsche ist der Kamerad des Ungarn, und der Ungar der Kamerad des Deutschen, denn sie sind Nachbarn und Christen. – Wohlan! Es lebe der edle Held der Ungarn, der Schild der Christenheit, der treue Grenzwächter des deutschen Vaterlandes, es lebe der Graf von Zriny!«

»Vivat, vivat hoch der Graf von Zriny!« brüllten die Landsknechte, hoben die zinnernen Humpen, und strichen, als sie bis auf den Grund geleert waren, von den langen Schnurrbärten den Wein ab.

Auch Konrad hatte, von der allgemeinen Begeisterung mitfortgerissen, sich erhoben, in das Vivat miteingestimmt, und einen tüchtigen Zug auf das Wohl des Mannes gethan, den er zwar nicht kannte, der aber auf die Empfehlung des Gerbers hin seine ganze Ehrfurcht gewonnen hatte. Letzterer wollte sich nun niedersetzen, aber sein Begleiter stand auf, hob seinen kleinen zinnernen Becher in die Höhe und sprach: »Ich bin nur ein Jude, ihr Herren, aber dem edlen Grafen ist Christ und Jude gleich, und er ist, wie die Sonne, freundlich allen Menschen – es lebe der Graf von Zriny! Scholem lahu, Friede sei mit ihm!« Damit bedeckte er sein Haupt und trank seinen Becher aus. »Scholem lahu!« wiederholte eine einzelne Stimme. Es war Joseph, der nach einigem Bedenken seine Schüchternheit überwand und dem von allen geliebten Mann auch seinen Zoll der Bewunderung abtragen wollte.

Die drei Zigeuner auf ihrem hohen Sitz hatte Niemand beachtet, aber mit einem Mal stimmten sie ihre Geigen und nach einem kurzen, rasch abgebrochenen Accord fingen sie das damals bekannte Lied an zu spielen:

»Der Zriny sattelt sein stolzes Roß
Und gürtet das Schwert sich um.«

Sie erweckten sogleich einen allgemeinen Jubel. »Ha, gut gemacht, Zigeuner!« schrie der Gerber, in die Hände klatschend, »singt, Brüder, singt!« Und nun fielen die Stimmen der Anwesenden ein und sangen in einem Sturm der Begeisterung das Lied zu Ende.


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