Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Nachdem der Jubel sich wieder gelegt hatte und einige Stille eingetreten war, musterte der ältliche Jude die beiden Fremden und sagte: »Was sind das für zwei Leute, die du da hereingebracht hast? Der kleinere scheint ein Ben-Jisroel zu sein und der größere ein Deutscher.«
»Gut, daß du mich erinnerst«, sagte der Gerber, »ich hätte sie fast vergessen, und es scheinen zwei gute, bescheidene Jungen zu sein. Komm mit, wir wollen's ihnen zubringen.«
Damit schritt er auf die beiden zu, stieß mit ihnen an und sagte:
»Glückliche Wanderschaft ihr zwei! nun laßt mich einmal hören, woher und wohin? Du da«, sagte er zu Konrad, »scheinst mir ein Schwabe zu sein.«
»Mit eurer Erlaubniß, nein, ich bin ein Franke.« –
»Nun du kommst erst frisch aus dem Ei und hast das gute Deutschland noch nicht lang verlassen, wenn du nicht einmal weißt, daß der Ungar jeden Deutschen, er sei aus Franken, oder Hessen, oder Oesterreich, oder Bayern, einen Schwaben nennt. Aber was hast du gesagt, du wärst in Franken daheim, wo denn da?«
»Mein Vater ist Burgmann und Schloßbauer eines Grafen hart an der mainzischen Grenze, und ich habe einen Vetter hier im Land, den ich aufsuchen will.«
»Das wäre, und wie heißt denn das Schloß?«
»Wildenstein!«
Der Gerber schaute ihn eine Weile an, während ein kaum merkliches Zittern um seinen Mund spielte. »Nun«, sagte er tief Athem holend, »wie heißt denn du selber?«
»Konrad Hollenstein.«
Es entstand eine Pause. – »Das wäre in Richtigkeit«, sagte der Gerber, sich den Schweiß von der Stirn trocknend, während auf seinem ehrlichen Gesicht der verschiedenartigste Ausdruck wechselte.
»Und du, Junge«, sagte er zu Joseph gewandt, während aber sogleich seine Augen wieder zu Konrad zurückkehrten, »wer bist du? Still, Mardochai, ich will ihn fragen, wo bist du her, Junge?«
»Aus dem Dorf, das eine halbe Stunde von dem Schloß liegt.«
»Und wie heißt du?«
»Joseph Ben Levi.«
»Und wie heißt dein Vater?«
»Isaak Ben Levi.«
»Küß ihn, schüttl' ihn, drück' ihn, Mardochai«, schrie der Gerber überlaut, »es ist deines Bruders Sohn, und du, Herzensjunge«, rief er, den erstaunten Konrad beim Schopf ergreifend, »laß dich umarmen, ich bin Balthasar Habermann, deiner Mutter leiblicher Bruder. Heda, Wirthschaft! holla, blauer Peter, jedem Mann im Haus einen Krug Rothen auf meine Kosten, sie sollen trinken auf das Wohl der beiden Jungen! Juchhe, das ist ein Freudentag!«
Der tapfere Schimmelmann wollte sich nicht wieder die Gelegenheit entgehen lassen, einen Toast an den Mann zu bringen. Er erhob sich sogleich auf seine langen Beine, und nachdem er gravitätisch Silentium geboten, rief er: »Also – der wackere Schwab, der Gerber soll leben und all' seine Vettern und Basen, alt und jung, daneben, vivat hoch!« und hatte den Triumph, daß die von ihm ausgebrachte Gesundheit kaum mit weniger Beifall getrunken wurde, als die des edlen Grafen von Zriny.
»Jetzt, Jungen«, sagte Balthasar Habermann, »setzt euch und erzählt.« Mit großem Schmerz nahm er die Nachricht vom Tod seines Vaters auf: er hatte ihn innig geliebt und von Jahr zu Jahr sich vorgenommen, noch eine Reise zu ihm zu thun. Er machte sich auch bittere Vorwürfe, daß er bei diesem Vorhaben es unterlassen, ihm Nachricht von sich zu geben, obwohl das damals keine so leichte und einfache Sache war, wie heut zu Tag, doch tröstete es ihn, daß sein Vater noch auf dem Sterbebett segnend seiner gedacht habe, und das Versprechen gab er hoch und theuer, daß seiner Schwester Sohn sein Sohn sein solle, und daß er dem Vater Konrads aus seiner Bedrängniß helfen wolle. Ja, er rückte sogar mit seinem und Mardochai's stillem Vorsatz heraus, daß sie, so wie es wieder Friede im Land geworden, ihre Habe zu Geld machen wollten, um in der Heimath ihre alten Tage zu verbringen.
»Ach«, sagte er, »wir sind hier, lieben Kinder, unter uns gesagt, in einer schlimmen Lage. Wir sind Unterthanen des Grafen von Zriny, und alles, was wahr ist, er verdient jegliches Lob. Er ist ein tapferer, gütiger und frommer Herr, er hat den evangelischen Glauben angenommen, und wir dürfen deswegen auch unseren Glauben frei ausüben, ohne daß uns jemand zu stören wagt, aber ich fürchte, und Mardochai, der es am besten wissen muß, fürchtet es auch, daß es diesmal der Türkenkaiser, der mit ungeheurem Heere heranzieht, auf ihn besonders abgesehen habe, und das wird an uns, den Unterthanen, auch ausgehen. Vermuthlich, daß mein Haus in Siclos von dem Mehemed Beg bereits abgebrannt ist, denn sie sengen und brennen, wohin sie kommen, und obwohl meine beste Habe in Sicherheit ist, so ist der Deutsche doch nicht, wie der Ungar, daß er sein gutes Haus ohne großen Verdruß sich zerstören ließe und dann sich wieder eines aus Brettern und Lehm aufbaute. Ich muß die Leute hier bei gutem Muth erhalten, aber es ist mir selber bang, seit ich höre, daß der Graf Kriegsvolk ausgeschickt hat, um die Türken in Siclos zu überfallen. Der Plan kann mißglücken, und wenn einmal eine Sache übel angefangen ist, pflegt sie auch nicht gut zu enden. Jedenfalls müssen wir alle, und auch ihr, Jungen, nach Sigeth aufbrechen. Denn, wer auch bei Siclos siegen mag, die Türken oder die Unseren, hier ist unseres Bleibens nicht länger, jeden Tag können die Schaaren Solyman's sich über das flache Land wälzen, und was das bedeutet, das möge Gott euch nie erfahren lassen.«
»Daß du doch immer noch an deinem Plan hängst«, sagte Mardochai, »nach Sigeth zu gehen. Ich vermuthe, der Solyman legt sich vor Sigeth, und dann könnte man in dem Nest gefangen sein, wie die Maus in der Falle. Sag' ich dir doch, ich weiß Leute, die jeden Weg und Steg im Land kennen, und wir könnten wahrscheinlich sicher nach Raab entkommen, ehe der Solymann uns einholt.«
»Ich verstehe dich wohl, und was du angibst, wäre vielleicht klug, aber aufrichtig! – darauf werd' ich nicht eingehen. Einmal ist Sigeth, wenn der Zriny und seine Leute darin sind, eine Festung, an der sich der alte Solyman wohl den Schädel zerstoßen wird, und dann – ich habe des Grafen Brod gegessen und hab' viel Gutes von ihm gehabt, ich will ihn nicht im Stich lassen, wenn er im Gedräng ist.«
»Und was wirst du ihm helfen können?«
»Nicht viel«, erwiederte Balthasar, »wenn's auf Fechten ankommt, dafür bin ich jetzt zu dick und zu schwerathmig geworden, aber ich bin bei Jedermann wohl gelitten und kann die Leute aus allerlei Volk, wie sie im Dienste des Grafen stehen, in der Einigkeit erhalten, und das kann unter Umständen auch nützlich sein. Also rede mir nicht mehr vom Davongehen, – so lange der Sturm dauert, und der Graf Leute brauchen kann, soll er nach meinem Gesicht sich nicht vergebens umsehen. Ist der Sturm vorbei, und wieder Friede, dann – hier meine Hand drauf! – dann nehmen wir unsere Jungen und ziehen nach Haus.«
Mardochai schüttelte den Kopf und sagte: »Es wird Abend und immer noch keine Nachricht von Siclos!«
Die Gäste, bis auf die wenigen, welche, wie Balthasar, bei dem blauen Peter einquartiert waren, schickten sich allmählig zum Aufbruch, weil strenger Befehl bestand, daß jeder vor dem Nachtläuten in seinem Quartier sein und keinem Nachzügler mehr das Stadtthor geöffnet werden solle. Da hörte man plötzlich die Stimme Schimmelmann's, der, am Fenster stehend, seinen Degen umschnallte: »Ei, seht doch, Kameraden! ist denn das nicht der Hühnerdieb, der Zameth, der dort wie das Donnerwetter die Straße heraufjagt? Der Strauchdieb reitet ja ein Roß, dessen der Herzog von Burgund sich nicht zu schämen brauchte.«
»Wahrhaftig, es ist der Zameth«, riefen mehrere der Anwesenden, welche an die Fenster geeilt waren, »und der prächtige Rappe, den er reitet, hat eine scharlachene Decke, mit Gold und Silber besetzt und einen Busch mit dem Halbmond zwischen den Ohren. Wie ist der Kerl zu dem Pferde gekommen?«
Mardochai hatte kaum den Namen Zameth gehört, als er aufsprang und aus dem Zimmer stürzte, um sich selbst von der Wahrheit der Nachricht zu überzeugen. Eben sprengte der Zigeuner heran, der mit hoch hinaufgezogenen Knieen zu Pferde saß, jedoch mit großer Geschicklichkeit und Sicherheit den edlen Renner lenkte. Das Pferd scheute vor dem lauten Hallo, mit welchem die an den Fenstern versammelte Wirthshausgesellschaft den Zigeuner empfing, es schlug heftig aus und bäumte sich endlich so hoch auf, daß die Husaren mit wilder Freude riefen: »Bravo, Bravo, nun, Zameth, zeig' deine Kunst!« Dieser aber glitt mit der Behendigkeit einer wilden Katze an dem schnaubenden Pferd hernieder, schlang den Zaum um einen an der Schenke angebrachten eisernen Haken, und rief dem herzugeeilten Mardochai mit bedeutungsvollem Blick leise zu: »Es steht alles gut!« Dann stürmte er mit einem einzigen Satz die Stiege hinauf und rief ins Zimmer stürzend: »Sieg, Sieg, lang lebe der Graf von Zriny; so müssen all' seine Feinde zu Grunde gehen, wie der Mehemed Beg von Tirhala!«
»Ha, was sagst du Zigeuner?« schrie Balthasar mit seiner breiten Faust ihn packend, »ist der Mehemed geschlagen? mach' mir keine deiner schlechten Zigeunerflausen vor, oder ich drück' dich todt, wie eine Fliege.«
»Hat der Zigeuner«, erwiederte Zameth in gemäßigterem Ton, »einen Mann, wie ihr seid, Herr, jemals belogen? Der Mehemed ist so gewiß geschlagen, als das Haus, welches so oft mich unter seinem Dach beherbergte, niedergebrannt ist bis auf die Grundmauern!«
»Also mein schönes, wohnliches Haus ist wirklich abgebrannt«, sagte Balthasar mit einem verhaltenen Seufzer, »nun in Gottes Namen, wenn nur der Feind geschlagen ist!«
»Darüber seid außer Sorgen. Schaut das Roß an, auf dem ich gekommen bin, und das den besten Pferden der Husaren um eine ganze Stunde voraus ist; gestern morgen gehörte es noch dem Mehemed Beg, heute reitet es der Zameth, ich hab' es selber aus seinem Zelt mir geholt, denn der Zameth will auch etwas davon bringen, wenn er sein Leben wagt im Dienste des Vaterlands.«
»Ja! Dienst des Vaterlandes«, brummte Schimmelmann, indem er mit neidischen Augen das herrliche Thier betrachtete, »das muß wahr sein, wenn's an's Pferdestehlen geht, da ist der Zigeuner voran. Ich hab' auch schon im Dienst des Vaterlandes ein Pferd mir erbeuten wollen, aber mir rennt eine solche Bestie immer unter den Händen davon, wie Quecksilber, daß ich jedesmal nur das Nachsehen habe.«
»Glaub's gern, Schimmelmann«, sagte der Gerber, »zum Tschikos bist du verdorben, aber weiter, Zameth, trink' erst und dann erzähle gründlich, wie Alles zugegangen.«
»Wohl Herr«, sagte Zameth. »Es war vorgestern um Mitternacht, – ich war schon vor Abend nach Hause gekommen und lag im ersten Schlaf, wie ich es von je an gewohnt bin, denn das Herumstreunen taugt nichts, – da ward ich aufgeweckt und als ich mir die Augen reibe, stehen drei Husaren vor meinem Bett, gebieten mir zu schweigen und ihnen zu folgen. So führen sie mich vor das Dorf, – da ist ein großes Pferdegetrappel und Gesumm von Menschen, und wie ich hinzu komme, sehe ich, es sind lauter Husaren von Sigeth, an die 500 Mann. Beiseits von dem Haufen finde ich die Obersten beisammen, den Nikolaus Kobatz, Lorenz Juranitzsch, Kaspar Alapi, Batschatiz und Wolfgang Paprutowitsch. Die fragen mich, ob ich noch vor Morgen sie gen Siclos führen könne, ich sage: ja, wenn sie mir ein Pferd geben und durch den Wald mir folgen wollten. Als wir den Wald durchritten hatten und Siclos sahen, fanden wir schon 1000 Fußknechte auch von Sigeth gekommen und unsrer wartend, und so wie der Nebel sich zertheilt hatte, sahen wir in der Ebene das türkische Lager, in welchem noch Alles im tiefsten Schlaf lag, selbst die Wachtposten. Da nimmt der Juranitsch 200 zu Fuß und 100 zu Pferd, um die Gelegenheit zu ersehen und den Anderen das Zeichen zu geben. Keine Viertelstunde vergeht, so hören wir rufen: »Zriny, Zriny!« und sehen die Türken, die meisten noch im Hemd, auf die Sümpfe zu rennen. Kaspar Alapi kommandirt »Vorwärts!« Wir dringen ohne Widerstand mitten in's Lager bis an Mehemed's Zelt; da geht der Kampf los, denn da lagen die Janitscharen. Aber was wollten die ungläubigen Hunde gegen die Unsern ausrichten? Mit Schießen, Schlagen, Stoßen geht's über sie her, sie fallen wie das Gras vor dem Schnitter, der Mehemed Beg flüchtet sich in den Sumpf und erstickt darin, sein Sohn ist gefangen, acht Kameele, sechszig Saumrosse, fünfzig Esel, alle mit schönen türkischen Waaren beladen, dazu sechs Wagen mit siebzehntausend Dukaten, zwei große rothe Fahnen, eine mit dem goldenen Apfel geziert, welchen der Solyman erst kurz vorher dem Mehemed Beg verehrt hat, sind in der Husaren Hände gefallen. Jeder der Hauptleute hat goldgewirkte Kleider und einen kostbaren Marderrock erbeutet und«, setzte er die Hände reibend mit leisem Lachen hinzu, »der Zameth ein schönes Pferd und noch einige Kleinigkeiten für Weib und Kind, die man auch sonst nicht auf der Straße findet. Viertausend Türken liegen als ein faulendes Aas um Siclos, die andern sind auf und davon.«
»Nun Gott sei gelobt, der Herr der Herrschaaren!« sagte Balthasar, »das wäre einmal anders gegangen, als wir fürchteten. Ich sah das Herr der Türken heranziehen, als ich mein Haus verließ: der Boden zitterte unter den Hufen ihrer Rosse, und so weit das Auge reichte, sah man ihre Waffen blitzen. Wahrhaftig! Gott ist für uns, und ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?«
Die im Abzug begriffene Schaar stürzte, als sie das Ende der Erzählung gehört, mit lautem Jubelgeschrei auf die Straße, um die unerwartete Freudenbotschaft in das Städtchen zu bringen: die Husaren warfen sich auf ihre Rosse und stürmten im Galopp davon, die Fußgänger, welche ihnen das Glück, die ersten Ueberbringer der großen Neuigkeit zu sein, nicht streitig machen konnten, begnügten sich ihrer Begeisterung Luft zu machen durch das Lied: »der Zriny sattelt sein stolzes Roß«, nach dessen Takt sie der Stadt zumarschirten.
»Horch, wie sie singen«, sagte der Gerber, »und wäre mir nicht heute die Nachricht von meines Vaters Tod zugekommen, ich hätte fast selbst Lust dazu. Die Mörder und Brandstifter! Jetzt ist unser Herrgott über sie gekommen, wie dort über die Midianiter, und sie haben erfahren, daß die Säbel der Christen schneidig sind, und daß man ehrlichen Leuten die Häuser nicht ungestraft abbrennt. He, was sagst du dazu, alter Mardochai, du machst ja ein Gesicht, als wenn du Essig getrunken hättest?«
»Was hast du gehört«, ergriff Mardochai das Wort, an den Zigeuner sich wendend, »von dem Melech Jischmoël, von Solyman selber und seinem Heer?«
»Daß er gegen Erlau zieht, und dann nach Wien«, sagte dieser, an einem Stück Brod kauend, das er aus seiner Tasche gezogen hatte.
»Und ich sage«, erwiederte Mardochai, »nun läßt er Erlau und Wien im Stich und zieht vor Sigeth. Da müßt' ich den alten Löwen wenig kennen, wenn er das dem Grafen verzeihen sollte, daß dieser ihm gleich zum Anfang schon das Spiel abgewonnen hat.«
»Mag er immer hin!« sagte Balthasar, »morgen treffen wir alle in Sigeth ein, und dreitausend Männer in einer solchen Feste und unter einem Mann, wie der Graf ist – da müßte es doch nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn dem alten Bluthund seine letzten Zähne nicht sollten eingeschlagen werden.«
»Meinetwegen«, sagte Mardochai, »in zwei oder drei Tagen werd' ich euch folgen. Wenn du ankommst, Balthasar, sieh mir nach den Lammfellen, welche die Fuhrleute hingebracht haben, sorge, daß sie trocken zu liegen kommen, denn sie sind jetzt mein einziger Reichthum. Du, Joseph, gehst mit den Andern! halt dich an den Balthasar, bis ich selbst kommen werde. – Fertig, Zameth? Ich gehe mit dir! Laßt mein Pferd aus dem Stall führen, blauer Peter.«
»Ich bin fertig«, sagte Zameth, »aber ihr müßt einen Umweg machen. Ich will mein Weib und Kind sehen, die im Wald zurück blieben und die sich ängstigen werden, wenn ich nicht komme.«
»Auch gut!« sagte Mardochai, – »lebt wohl!«
Konrad hätte dem Zigeuner gern mitgetheilt, daß er während der letzten Nacht mit seiner Familie bekannt worden sei, aber der Jude schnitt jedes weitere Gespräch ab, indem er mit ungeduldigem Kopfnicken eilig der Thüre zuschritt, und, nachdem er einen kleinen Klepper bestiegen, mit dem Zigeuner in der bereits hereingebrochenen Dämmerung verschwand.
»Was hat er vor?« sagte Joseph traurig. »Hat er doch kaum noch wenige Worte mit mir gesprochen und schon ist er wieder weg.«
»Was er vor hat«, sagte Balthasar, »weiß ich so eigentlich auch nicht, vermuthlich hat ihm der Graf einen Auftrag gegeben. Nichts für ungut, Joseph! – aber ein Jude ist nicht wie ein Christ, sondern hat seine ganz besondere Art. Er fürchtet sich nach Sigeth zu gehen, weil's da vermuthlich harte Schläge geben wird, dabei fürchtet er sich aber nicht Gänge zu unternehmen, die mir zu gewagt wären, und ich bin gerade kein Hasenfuß. Er ist ein reicher Mann und hat einen großen Handel, und er könnte manchem adeligen Herrn sein Gut abkaufen, aber wenn er weiß, wie er ein paar blanke Dukaten in die Hand gezählt bekommen kann, da ist er mehr darauf aus, als der zerlumpte Zigeuner, mit dem er davon geritten. Ich denke manchmal, es muß das im Blut liegen, es muß eine Krankheit sein, die sich noch von dem goldenen Kalb herschreibt, um das eure Väter in der Wüste tanzten. Doch – junger Mann, ich darf nichts wider ihn sagen, denn ich habe ihm mein ganzes Glück zu danken und ich wünschte nur zu seinem eigenen Besten, daß es anders wäre. Ueberhaupt je weniger man davon redet, um so besser wird es sein!«
Nachdem er so seinem ehrlichen Herzen Luft gemacht hatte, fing er an, sie über die Heimath auszufragen. Zuerst erkundigte er sich nach dem Loos aller Verwandten, dann nach seinen Gespielen und Bekannten, sogar nach den Bettlern, die regelmäßig auf dem Schlosse einzukehren pflegten, dann nach dem alten Falb, den er als Knabe zur Tränke geritten, nach dem Rammas, dem bissigen Wolfshund, dessen Stelle schon längst von einem seiner Enkel eingenommen wurde, nach den Schwalbennestern, die an des Schäfers Haus geklebt waren und nach dem Rothschwänzchen, das im Winkel am Thurme nistete, zuletzt nach dem Brunnen hinter dem Hause und dem großen Nußbaume im Garten.
Den beiden Jünglingen machte es kaum weniger Freude zu erzählen, als ihm, zu fragen und zu hören: erst nach Mitternacht, als der blaue Peter schon längst zur Ruhe gegangen, und der seine Stelle vertretende Knecht auf der Bank schnarchte, suchten auch sie ihr Lager.