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Personen:
Baronin.
Graf Pfeil.
Jean, Diener.
Zeit: Gegenwart.
Baronin:
(in eleganter Haustoilette, lesend; man
klopft)
Herein!
(Jean bringt eine Karte;
für sich) Sieh da, Graf Pfeil!
(zu Jean) Ich lasse bitten.
(Baronin bleibt in Gedanken versunken sitzen,
Jean ab und läßt gleich darauf Graf Pfeil eintreten).
Graf: Ich bin entzückt, verehrte Frau Baronin,
Sie wohl zu sehn, und wünsche guten Tag.
(Handkuß).
Baronin: Und ich, mein lieber Graf, ich bin erfreut,
Daß Sie sich endlich wieder blicken lassen.
Ich glaub, drei Wochen sind's, wir sahn uns nicht.
Doch bitte Platz zu nehmen – bitte hier!
Hier am Kamin, da plaudert's sich viel besser,
Auch ist es wärmer hier; wir haben Frost,
Mir scheint, der Winter will kein Ende nehmen.
Ich bin kein Freund der langen strengen Kälte
Und harre schon mit Ungeduld des Sommers.
Graf: Grad so geht's mir, doch mit dem Unterschied,
Daß ich nicht auf den schönen Sommer warte.
Ich zieh es vor, ihn selber aufzusuchen,
Und fahre morgen – alles ist bereit,
Dem schönen Süden zu – bis nach Egypten.
Baronin: Sie überraschen mich! Welch plötzlicher
Entschluß! Wie kann die Kälte Sie vertreiben,
Den großen Freund des schönen Wintersports!
Graf: Die Kälte, meine Gnädge, treibt mich nicht,
Und schwer werd ich den schönen Sport vermissen,
Indessen, wichtge Gründe, wirklich wichtge,
Die zwingen mich, den Ort hier zu verlassen,
Von dem ich nur mit Mut und Energie –
Baronin: Ach, was Sie sagen!
Graf: Auf mein Wort, mit Mut
Und großer Energie mich reißen kann!
Baronin: Der Mut der flößt Bewunderung mir ein
Und auch die Energie. In beider Bund
Sie werden sicher Großes noch vollbringen.
Graf: Ihr Spott, Verehrteste, er tut mir weh,
Auch hab ich wahrlich nimmer ihn verdient.
Und wenn Sie wüßten, wie's um's Herz mir ist,
Sie würden Trost als Freundin mir dann spenden.
Baronin: Sie Ärmster, Sie verkennen mich zu schnell;
Zu trösten bin ich jederzeit bereit
Und auch bereit, die Wunden zu verbinden,
Indes –
Graf: Da haben wir's! indes und aber!
Baronin: Sie unterbrechen mich, Herr Graf!
Graf: Pardon,
Ich bitte tausendmal um gütige
Verzeihung. Die Erregung riß mich fort.
Indes –
Baronin: Indes?! Auch Sie, Herr Graf, – indes und aber,
Sie tun mir leid; indes
(lächelnd) ich weiß ein Mittel,
Wie die Erregung schnell herab zu mindern.
(Sieht sich um – klingelt, Jean tritt ein)
Die Cigaretten, Jean!
(Jean holt sie und stellt sie, einer Handbewegung
der Baronin folgend, auf den kleinen Tisch vor
beiden; Jean ab)
(zum Grafen) Ich bitte sehr.
Graf: Ich danke, gnädge Frau, wenn ich erregt,
So rauch ich nicht.
Baronin: Das tut mir wirklich leid.
Graf: Ich rauche nur, wenn ich der Anregung
Bedarf – und auch nur, um mich zu zerstreuen.
Baronin:
(klingelt, Jean kommt)
Jean, die Liköre!
(Jean holt sie)
Graf: Sie sind äußerst gütig.
Jean: Cognac, Martell, Chartreuse, Bénédictine
Graf: Chartreuse, ich bitte! (Jean schenkt ein) Gnädge Frau, und Sie?
Baronin: Ich danke,
(Jean ab) halt's grad umgekehrt wie Sie;
Wenn ich erregt, beruhigt mich das Rauchen,
Und nur zur Anregung nehm ich Likör.
Graf: Das eine wie das andere ist Gift.
Es regt die Nerven an, um hinterdrein
Sie im erhöhten Maße zu erschlaffen.
Baronin: Und trotzdem nehmen Sie's? Das zeugt von Mut.
Graf: Und sollt's bei Ihnen wohl Unkenntnis sein?
Auch diese schützt bekanntlich nicht vor Strafe,
Doch
apropos – und welches von den Giften
Befehlen Gnädigste zu dieser Stunde?
Baronin: Ich bin ja nicht erregt, drum rauch ich nicht,
Und für die Anregung da sorgen Sie –
Ich hoff es wenigstens, mein lieber Graf,
Sei's nun durch Mut, sei's nun durch Energie.
Graf: Zunächst gestatten Sie mir – auf Ihr Wohl!
(trinkt)
Baronin: Ich danke sehr und hoffe, daß es wirkt.
Graf: Ich hoff es auch. Die Hoffnung ist und bleibt
Bei Sorgen und bei Leid die beste Freundin.
Baronin: So hoff ich, daß sie Ihnen Treue hält.
Graf: Ich hab nicht viel zu hoffen – leider nicht.
Baronin: O doch! zunächst Sie hoffen, daß Ihr Mut
Und Ihre Energie nicht eh'r erlahmen,
Als bis Sie glücklich dieser Stadt entronnen.
Dann hoffen Sie, daß konsequent Sie bleiben,
Bis das gelobte Land Sie rettend grüßt!
Und wenn Sie dort von Cheops Pyramide
Hinunter in das schöne Niltal sehn.
Graf: Dann sind, ich weiß es, die Gedanken hier;
Den Körper kann ich zwingen, nicht das Herz.
Baronin: Mit Mut und Energie vermag man alles!
Graf: Man glaubt es wohl, man nimmt es sich auch vor,
Man kämpft und kämpft, und wenn das Herz dann spricht,
Dann muß der Stärkste machtlos unterliegen.
Baronin: Das muß ja schrecklich sein! Doch Sie, Herr Graf,
Mit Ihrer Energie sind davor sicher.
Graf: Ich wollt, es wäre so, ich hoff es sehr!
Baronin: Nur Mut, Herr Graf, nur Mut! – Ich bitte sehr
(reicht ihm die Zigaretten, er nimmt – reicht
sie der Baronin, sie nimmt, er reicht ihr Feuer
und zündet dann seine Zigarette an.)
Graf:
(während er eine Zigarette nimmt)
Ich danke sehr!
(als er die Baronin rauchen sieht) Ich seh, Sie sind erregt.
Baronin: O nein, o nein, – ich war nur in Gedanken!
Doch Sie, mir schien's, der Anregung bedurften.
Graf: O nicht doch – nein, mir scheint, ich war zerstreut.
(Man klopft.)
Baronin: Herein! (Jean bringt eine Visitenkarte und Bukett) Lord Ravendale! Was soll ich tun?
Graf: Ich bitte, gnädge Frau!
Baronin: Er stört Sie nicht.
Graf: Vielleicht ich ihn!
Baronin: Das könnte möglich sein!
Empfang ich heut ihn nicht, so fühlt er sich
Gekränkt.
Graf: Er tröstet sich, kommt morgen wieder.
Baronin: Er hatte den Besuch mir angezeigt.
Graf: Ich bitte sehr – Migräne oder Husten
Baronin: So leicht wie Sie nehm ich die Sache nicht.
Graf: Ich bitte nochmals.
Baronin: Gut, so sei's.
Graf: Ich danke.
Baronin:
(zu Jean) Ich hätt Migräne, sagen Sie dem Lord,
Und sei betrübt, ihn heut nicht zu empfangen.
Ich lasse grüßen und erwart ihn morgen
(Jean verbeugt sich – ab)
Das Opfer ist gebracht!
Graf: Doch nicht das letzte!
Baronin:
(schenkt ein Glas Likör ein)
Ich bitte!
Graf: (nimmt) Danke sehr! (trinkt hastig)
Baronin: Sie sind erregt!
Graf: O nein!
Baronin: Daß Sie getrunken, ist Beweis!
Graf: Ich trank nur –
Baronin: In Gedanken! (lächelt)
Graf: Ach!
(seufzt, schenkt ihr ein Glas ein und reicht es) Ich bitte,
Zur Anregung – Sie haben's jetzt wohl nötig!
Baronin: (nippt) Ich danke. – Ob der Lord wohl morgen kommt?
Graf: Wenn nicht – dann bleibt er fort.
Baronin: Ein schöner Trost!
Indes Sie wissen nicht, was sein Begehr.
Graf: Und sollt es in der Tat so wichtig sein,
(offeriert eine Zigarette, sie nimmt und raucht)
Daß Sie, um die Erregung zu bemeistern,
Zu einer Zigarette Zuflucht nehmen?!
Baronin:
(wirft sie fort)
Ach so – ich war nur, war nur –
Graf: In Gedanken!
Baronin: Trotz Ihres Gleichmuts brennen Sie darauf,
Zu wissen, was der Lord von mir gewollt!
Graf: Ich geb es zu, ich hätt es gern gewußt!
Baronin: Gut, dies Geständnis lohn ich mit Vertrauen,
Doch bitt ich mir als Anerkennung aus,
Daß Sie mit gutem Rat mir stehn zur Seite.
Graf: Sehr gern, Verehrteste, ich weiß die Ehre
Und das Vertrauen voll und ganz zu schätzen.
Baronin: Drei Jahre bin ich, wie Sie wissen, Witwe.
Im größten Glück lebt ich mit meinem Mann,
Als ihn der Tod von meiner Seite riß.
Der Schmerz war groß, die Zeit hat ihn gelindert,
Und dank der Fürsorg meines edlen Gatten
Konnt ich im Reichtum sorglos weiter leben.
Bewerber kamen viel, ich schlug sie aus,
Sei's nun aus Mißtraun, daß mein Geld sie lockte,
Sei's, daß ich gar zu wählerisch geworden,
Sei's auch, daß der, den ich wohl lieben könnte,
Nicht sprach. – So kam's denn, daß ich blieb allein.
Ich hatt mich mit dem Schicksal abgefunden
Und glaubt von Sorg und Leiden mich befreit,
Als plötzlich – heute sind es grad drei Wochen –
Ein schwerer Schlag mir alle Ruhe raubte.
Graf: Das tut mir leid, doch hoff ich zuversichtlich,
Daß heut es überstanden.
Baronin: Warten Sie!
Der größte Teil von meines Manns Vermögen
War als Depot in jener Bank verwahrt,
Die ach, Sie haben's wohl gehört, fallierte.
Graf: Mein Gott, auch Sie sind von dem Krach betroffen?
Ich weiß es, die Depots sind unterschlagen.
Baronin: Ich war gewohnt, in Luxus nur zu leben,
Und der Gedanke an die Not, die Armut –
Graf: Das kann ich, meine Gnädigste, empfinden.
Denn nur die Armut, die uns selbst bedroht,
Die drückt, und die nur können wir begreifen!
Baronin: Da kam der Lord.
Graf: Ah, jetzt versteh ich es!
Er bat um Ihre Hand – auch ohne Geld,
Und bot das sein'ge Ihnen als Ersatz.
Baronin: So ist's, und heut wollt er sich Antwort holen.
Graf: Und darf ich fragen: lieben Sie ihn denn?
Baronin: Ich sag drauf ehrlich: nein! ich sagt's ihm auch,
Indes er meint, die Liebe würd noch kommen.
Graf: Und darf ich fragen, welche Antwort Sie
Ihm heute denn gegeben hätten?
Baronin: Ich hätte –
Um die Verlängerung der Frist gebeten.
Graf: Der Fall liegt ernst.
Baronin: Das find ich nämlich auch!
Graf: Wenn Sie ihn liebten –
Baronin: Hätt ich eingewilligt.
Doch wozu raten Sie mir jetzt, Herr Graf?
Graf: Zu Mut
Baronin: Und Energie
Graf: Und zu Geduld!
Baronin: Ein schöner Trost! das Schwerste würde sein,
Wohl die Geduld als dritt im Bund zu halten.
Graf: Doch Scherz bei Seit! Die Sache ist mir ernst,
Und eh ich Ihnen einen Rat erteile,
Ich bitt Sie, hören Sie mein Schicksal an
Und raten mir zuerst.
Baronin: Ich bin ganz Ohr!
Graf: Sie wissen, daß auch ich war einst vermählt.
Das Glück, das anfangs in der Eh' mir lachte,
Verwandelte sich bald ins Gegenteil.
Ich kämpfte mit des Unverstandes Mächten,
Mit Launen, Streitsucht – sie verstand mich nicht,
Und schließlich eilt gebrochen ich davon
Und fand erst meine Ruh, als wir uns trennten.
Seitdem lebt ich in ständger, großer Angst,
Noch einmal meine Freiheit zu verlieren.
Baronin: Trotz allem Mut und aller Energie?
Graf: Ich bitte, gnädge Frau, ich scherze nicht.
Und wer, wie ich, die Leiden und den Gram
Der Ehe ohne Seelenharmonie
Gekostet hat, der wird mich wohl verstehn.
Baronin: Ich hätt an Ihrer Statt mich drum bemüht,
Ein neues Glück in wahrer Lieb zu finden.
Graf: Wer konnt mir bürgen, daß das neue Glück
Nicht grad so trügrisch wie das frühre war?
Wer konnt mir bürgen, daß man nicht mein Geld,
Daß man nicht meines Namens Klang nur suchte?
Baronin: Wer wagt – gewinnt!
Graf: Es sei denn, er verliert!
Kurzum, ich war zufrieden, bis ich kürzlich
Entdeckte, daß ich wahrhaft, ernstlich liebte.
Ich floh, ich kehrte wieder, sann und sann
Und fühlte, daß die Liebe stärker war
Als mein Verstand, der mich bisher geleitet.
Baronin: Dann war die Liebe wahr, das muß ich sagen.
Und was verhinderte Sie denn zu sprechen?
Graf: Nach langem Schwanken war ich auch bereit.
Baronin: Nun und?
Graf: Da traf die Unglücksbotschaft mich,
Daß ich in jener schwindelhaften Bank,
Genau wie Sie, mein ganzes Geld verloren.
Baronin: Ach wie entsetzlich – ich bedaure Sie –
Und was bezwecken Sie mit Ihrer Reise?
Graf: Ein guter Freund, ein Kaufmann in Port-Said,
Er bot mir Stellung von bescheidner Art.
Nicht zum Vergnügen mach ich diese Reise!
Baronin: Und warum sagten Sie der Dame nicht –
Graf: Die Dame, sie war reich und hätt geglaubt,
Daß jetzt natürlich ich ihr Geld nur suche.
Baronin: Wer weiß?
Graf: Das, Gnädigste, ist ganz bestimmt!
Doch sagen Sie, wenn zwischen zwein Sie wählten,
Jetzt, wo Sie, so wie ich, Ihr Geld verloren:
Der eine ungeliebt – indes sehr reich,
Der andre, den Sie liebten, aber arm –
Wen würden Sie, die nur der Reichtum lockt,
Denn vorziehn? Ganz natürlich doch den Reichen!
Baronin: Sie irren, werter Graf – ich wählt den andern,
Denn Liebe, wahre Lieb zählt mehr als Geld!
Graf: (aufspringend) Sie sprechen wahr?
Baronin: Genau so, wie ich fühle!
Graf:
(ihr zu Füßen fallend)
Dann werf ich als der andre mich zu Ihren
Füßen und bitte innigst: wählen Sie.
Baronin: (ihn aufrichtend) So wähl ich Sie!
Graf:
(sie in seine Arme schließend)
Marie, ich liebe dich!
Baronin: Und ich lieb dich!
Graf: Zu unverhofft, zu plötzlich kam dies Glück,
Es kommt mir vor, als wär's ein schöner Traum.
Daß du mich gern hast, ja, das konnt ich fühlen,
Indes, daß deine Lieb so groß und wahr,
Daß Reichtum, Luxus du ihr opfern könntest,
Ich hätt es nie geglaubt und bitte dich:
Bedenk's noch einmal, eh's vielleicht zu spät.
Baronin: Ich hab's bedacht und werd es nie bereun,
Denn Geld allein kann nimmer glücklich machen.
Doch deine Liebe, die so echt und rein,
Sie bietet mir für jedes Glück Gewähr.
Graf: So können wir im Schutze unsrer Liebe –
Baronin: Mit unsrem Mut und unsrer Energie –
Graf: Und voller Hoffnung in die Zukunft blicken!
(Man klopft)
Baronin: Wer kann da sein?
Graf: Vielleicht der edle Lord!
Er sei der erste, uns zu gratulieren!
Baronin: Herein!
(Jean bringt ein Telegramm)
(Baronin hält es sinnend in der Hand)
Mir klopft das Herz! Ist's eine schlimme Botschaft,
Ist's eine frohe? Kaum zu öffnen wag ich's;
Auf Glück folgt Unglück – und ich bin so glücklich.
Graf: In dieser Stund verläßt ein Gott uns nicht.
Baronin:
(dem Grafen das Telegramm reichend)
So öffne du's, denn du mußt jetzt mich schützen.
Graf:
(öffnet und liest schnell)
Die frohste Botschaft, die uns werden konnte:
Bankier verhaftet, die Depots gefunden!
(reicht der Baronin das Telegramm, sie liest es)
Baronin: Das ist die Kron' zu unsrer Liebe Sieg! –
Zwar schwindet das Idyll in kahlen Wänden,
Indes, indes –
Graf: Ich nehme dich auch so!
(fallen sich küssend in die Arme)
Schluß.