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Ich war gestorben, früher als vermutet –
Doch das pflegt ja den meisten so zu gehn –
War tadellos in meinem Speisesaal
Der schwarz drapiert war, mit umflorter Krone,
Hoch aufgebahrt. Es flackerten die Kerzen,
Und hundert Kränze dufteten betäubend.
Es war ein Anblick schön und tief ergreifend;
Und nach und nach die Räume füllten sich
Mit Freunden und Bekannten ernsten Blicks,
Und meine Witwe schluchzte herzerweichend;
Ob sie wohl wußte, daß die tiefe Trauer,
Die Robe mein ich, ihr vorzüglich stand? –
Und das Gedränge wurde immer größer,
Und manch Cylinder kam um seinen Glanz.
Dann kam der Pastor und hielt mir den Nachruf,
Zu Herzen gehend, nur zu viel des Lobes,
Indes wer tot, muß in Geduld es tragen.
Dann trug man langsam meinen Sarg hinaus,
Schob auf den Wagen ihn und fuhr davon,
Von vielen Nachbarn eifrig kritisiert.
Der Friedhof ward erreicht, und unterm Klange
Von Chopins Trauermarsch ward ernst und feierlich
Mein müder Leib zu Grab getragen.
Nachdem als letzten Gruß ein jeder noch
Drei Hand voll Erde in mein Grab geworfen,
Zog wieder heimwärts man so schnell wie möglich.
Doch mancher kehrte unterwegs noch ein,
Um sich von den Strapazen zu erholen;
Man aß und trank und machte kleine Scherze,
Und niemand dachte noch des Heimgegangnen.
Grad so hatt ich's mit andern auch gemacht. –
Und meiner Frau gings wie den meisten Witwen:
Untröstlich erst, dann immer mehr gefaßt,
Ergab sie sich verständnisvoll dem Schicksal,
Da sie die Sorge um das Brot nicht drückte,
Und überstand das lange Trauerjahr,
Ohn an Gewicht bedenklich einzubüßen.
Mein Grab ward neu geschmückt dann und Gebete
Zu meiner armen Seele Heil gesprochen,
Der, ach, auf Erden nie man Frieden gönnte.
Die Trauerkleider wurden abgelegt
Und machten hellen Sommerroben Platz.
Schwarz war ihr kleidsam, wie ich schon erwähnt,
Indes ich muß gestehn, daß meine Frau
Im leichten Hellgrau wirklich reizend aussah.
Und dann nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Den Spruch, daß, wer die zweite Frau sich nimmt,
Nicht wert war, daß die erste er verlor,
Den hatte meine Frau, trotz meiner Warnung,
Daß auch die Frauen ihn betreffs der Männer
Beachten sollten, leider nicht beherzigt,
Und ein Bewerber wurde bald erhört.
Im allgemeinen lieben Witwen nicht,
Daß sich die Brautzeit allzu lange hinzieht;
Man sagt, es sei nicht gut für ihren Teint.
Und so auch hier erfolgte schnell die Hochzeit.
Es war im ersten Restaurant der Stadt
Ein kleiner Kreis von Freunden froh vereinigt –
Sie sah ein wenig blaß aus, meine Frau
Doch immerhin in ihrer Schönheit strahlend.
Von meinen Freunden war nur einer da,
Der allertreuste, doch es schien, er war
Bei dieser Feier nicht mit ganzem Herzen.
Und plötzlich er erhob sich und beging
In einer Rede auf des Paares Wohl
Die Dummheit, meiner zu gedenken.
Er meint' es gut, doch hatt er nicht bedacht,
Daß aller sich bei Nennung meines Namens
Ein Unbehagen wohl bemächtgen könnte.
Und meine Frau ward bleich, ihr Ehemann
Er rückte unbehaglich hin und her –
Und als dann plötzlich, allen deutlich hörbar,
Der leise Ruf durchs Zimmer hallte: Taktlos!
Da ward mein Freund bestürzt und ganz verwirrt,
Er stammelte und schloß die Rede schnell,
Indem er die konfusen Worte sagte:
Ich bitte Sie, die Gläser jetzt zu füllen
Und sie auf meines toten Freundes Wohl,
Der jetzt im Geiste unter uns verweilt,
Zu leeren. Hoch! er lebe dreimal hoch!
Und Totenstille herrschte, als mein Freund
Mit bleicher Mien und mit gefülltem Glas
Zu meiner Frau ging, mit ihr anzustoßen.
Sie stießen an – ein schriller Klang ertönte –
Und beide Gläser fielen klirrend nieder!
Entsetzt die Gäste sprangen von den Sitzen –
Es herrschte eine lange dumpfe Spannung –
Sekunden schienen eine Ewigkeit –
Und dann erfolgte eine Explosion!
Das Licht erlosch, die Decke stürzte ein,
Mit lautem Krach den ganzen Glanz begrabend,
Und in dem Jammern und Geschrei der Gäste
Hört plötzlich meinen Namen ich erschallen.
Es war ein Schrei, entsetzlich, markerschütternd:
Heinrich! drang's aus dem Munde meiner Frau,
Und ich, von einem Alp befreit, erwachte.