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Es fiel eine Lindenblüte
Herab vom hohen Baum,
Da zog mir durchs Gemüte
Ein längst vergeßner Traum –
Die Blüte war verdorrt und verblüht,
Die Liebe erstorben und ausgeglüht,
Es war ein vergeßner Traum.
Es war ein Traum so seltsam und schön,
Doch ach, so flüchtig und kurz,
Aus sonnigsten, glückdurchwobenen Höhn
War es ein jäher Sturz,
Ein Sturz in die furchtbare Tiefe hinein,
Wo nimmer Licht und Sonnenschein,
Es war ein jäher Sturz. –
Es war eine Mädchenblüte
Mit blauem Augenpaar,
Voll Lieblichkeit und Güte
Mit goldig blondem Haar.
Sie hat mich erfreut, sie hat mich entzückt,
Sie hat mich geküßt, sie hat mich beglückt,
Sie brachte die Liebe mir dar.
Es war eine Liebe so hehr und so rein
In der Jugend voller Pracht,
Es war der herrlichste Sonnenschein,
Der im Golde glitzert und lacht –
Ich sah nur des Tages strahlendes Licht,
Ich war geblendet und sah sie nicht,
Die mich umschleichende Nacht.
Es fiel eine Mädchenblüte
Vom Lebensbaume ab,
Die Lieblichkeit und Güte
Versanken bald ins Grab.
Und all der goldne Sonnenschein
Verschwand und ließ mich trauernd allein,
Es war ein stilles Grab.
Und auf dem Grab um Mitternacht –
Die Glocken verhallten kaum –
Da saß mein Liebchen und hat gelacht,
Es rauschten die Blätter im Baum – –
Sie buhlte mit einem andern dort,
Wie sonst sie getan an heimlichem Ort –
Es war ein böser Traum.