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Es ist immer gut, wenn der erste Verband lang liegen bleiben kann; diesmal aber hat er bald abgenommen werden müssen, und als der Professor das that, sagte er mir, ich könne es künftighin schon allein. Er sagte mir das ganz anders als sonst.
Ich wußte nicht, ob ich recht sah, unser Professor hatte eine ganz andere Miene wie sonst; es schien, er hatte auch kein rechtes Herz zum Rittmeister und mußte sich gegen ihn Zwang anthun.
Eines Tages, als ich eben einen frischen Verband angelegt hatte, brachte der Hausmeister den Schaller, und mit ihm kam auch ein abgehauster Bezirksförster.
In den Jahren, seit ich den Bergschinder gesehen, hatte er stark gealtert und war wohlbeleibt geworden, aber sein glattrasiertes Gesicht sah noch immer aus, wie wenn da lauter Menschenfreundlichkeit daheim wäre; er schmatzte auch noch immer wie damals, wie wenn er Zuckerle im Munde hätte.
Der Rittmeister rief dem Bezirksförster zu: »Gehen Sie weg. Sie riechen nach Wein.«
»Der Herr Rittmeister mag den Wein nicht riechen, weil er jetzt keinen trinken darf,« lachte der Schaller, setzte sich in einen großen Stuhl, knöpfte sich die Weste über seinem dicken Bauch auf und sagte:
»Nun, edler Ritter, bin ich nicht ein prächtiger Kerl? halt' ich nicht Wort? He? Wie?«
Er hängte bei allem ein He, Wie an, daß man ihm antworten mußte. Der Rittmeister bat den Schaller, er möge den Professor ausforschen, wie es stehe, denn ihm selber sage er nichts.
Schaller ermahnte den Kameraden zur Geduld und hatte Worte wie ein Priester; dabei winkte er dem Bezirksförster zu, damit er auch aufpasse, wie er den Rittmeister zum Narren habe.
Plötzlich unterbrach sich der Schaller und fragte, wer ich sei. Der Rittmeister sagte, er frage nie nach Herkunft und Lebensverhältnissen der Dienstboten, sonst müsse man im Notfall sich auch um sie kümmern.
»Vornehm! Vornehm!« rief der Schaller, »wir können noch immer von den Vornehmen lernen.« Als er jetzt auf mich zuging und mich musterte, hätte ich ihm gern die Augen ausgekratzt; aber ich hielt still.
Nun erzählte der Schaller von Gewinn und Verlust und anhängigen Rechtsstreitigkeiten; dann kamen Geschichten, die ich nicht verstand, aber sie lachten miteinander so unbändig, daß ich herzutreten und sagen mußte, der Kranke dürfe nicht so heftig lachen, das sei sehr schädlich, sie müßten ruhiger sein.
Wer weiß, ob die Rauhgesellen nicht doch etwas davon gespürt haben, wer ich bin; die beiden Fremden sahen mich so verwundert an, und der Rittmeister sagte:
»Gut, wir wollen ruhiger sein. Ja, Schaller, sei ruhig. In diesem Haus muß man kuschen lernen. Bleib da, Gitta, wir wollen ruhiger sein.«
Und weiter sprachen sie miteinander. Ich sah hinaus in den Himmel und mußte denken: Lieber Gott, du mußt wissen, warum du deine Sonne auch über diese Menschen scheinen lässest, und du mußt wissen, warum du ihnen Verstand gegeben hast, daß sie ihre Nebenmenschen ausrauben können.
Ich hörte kaum mehr hin und mir schauderte, wie wenn ich in der Hölle dabei sein müßte, wenn die Schurken einander ihre schlechten Streiche erzählen.
Ich hörte vom Aussichtler reden, ich erfuhr seine Geschichte jetzt genauer.
Der Mann, der damals Uhrgehäuse machte, lebte glückselig auf der einsamen Höhe mit seiner wunderschönen Frau. Der Schaller hatte der Frau nachgestellt. Der Mann kam dazu, wie der Schaller die Frau umarmen wollte, und Mann und Frau haben dem Schaller eine tüchtige Tracht Prügel gegeben. Was that aber der Schaller? Er hat gesagt, er wolle den Mann schon härter strafen, als alle Gerichte können. Er hat Männer und Frauen geschickt – auch der Rittmeister hat sich dazu hergegeben – die haben dem Mann vorgeredet, sein Haus habe die schönste Lage im ganzen Land, die herrlichste Aussicht und die beste Luft; da müsse man ein Schloß herbauen. Der einfältige Mensch hat das geglaubt und ist davon ganz närrisch geworden, und die Frau ist im Elend gestorben.
Ich mußte wieder zum Himmel hinauf sehen: warum kommt keine feurige Rute vom Himmel herunter und peitscht diese Menschen?
Ich wollte nichts mehr hören. Aber still! Jetzt reden sie von meinem Vater.
Ich wußte doch, daß sie ihn zu Grunde gerichtet haben, aber wie, das erfahr ich erst jetzt.
Sie haben ihn zuerst mit seinem Soldatenstolz eingefangen, und dann haben sie ihm eingeredet, er sei einer der gescheitesten Menschen, ein Schlaukopf, und eben das, daß er so gradaus thäte, wie wenn er ganz einfältig wäre, das sei das Klügste. Nun haben sie ihn einen namhaften Gewinn machen lassen, dann ein gut Stück davon verlieren, dann ein noch größeres gewinnen, und da haben sie ihn fest gehabt.
Ach, was soll ich das alles erzählen? Ich weiß es selber kaum mehr.
Nur das noch.
Es war so, wie der Schmaje damals gesagt hatte; der Schaller hat sich vom Vater übervorteilen lassen, und das hat ihn gefangen.
Daß sie meinen Vater zu Grunde gerichtet haben, ist hart, daß sie ihn aber auch zur Betrügerei gebracht haben, das ist noch das Härteste. Und der Rittmeister lachte noch über diese Kriegslist.
Jetzt sagte der Bezirksförster:
»Es soll ja noch ein Kind von dem Xander da sein. Weiß man nicht, was aus ihm geworden?«
Der Schaller sagte, er habe gehört, das Mädchen sei zu seinem Schwager nach der Schweiz und solle bildschön geworden sein.
»Wenn ich wieder gesund hin, suche ich sie auf,« sagte der Rittmeister.
»Hast recht,« sagte der Schaller, »bist ja so zu sagen wieder ledig. Geld geben kannst du ihr freilich nicht, aber deine Lebensrente ist noch immer gut . . .«
Sie lachten wieder, ich weiß nicht, worüber, und ich begreife heute noch nicht, wie ich mich ruhig gehalten habe.
Die Männer gehen fort. Jetzt ist's genug, ich kann nicht weiter. Ich war fest entschlossen, ich bleibe keine Minute mehr beim Rittmeister, ich gehe zum Professor und sage ihm alles. Wie ich vor die Thüre komme, liegt der Rack auf der Schwelle, das hat er noch nie gethan, er ist immer zu mir herein gekommen; aber das Tier hat wohl geahnt, was für Schurken da sind, und will nicht hereinkommen. Wie ich still halte und das so denke, ruft der Rittmeister jammervoll mit aller Macht nach mir. Ich kann nicht anders, ich gehe hinein.