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Wohl ist es dem Menschen vergönnt, sich aus eigener Kraft empor zu ringen und sein Leben zu bilden. Wer aber die Gemeinschaft verletzte, dem muß die Gemeinschaft wieder aufhelfen. Der Daseinsgenosse muß die Hand reichen. Es geht ein Glaube durch die Welt, daß man aus Leben und Lehre der Reinen, die längst dahingeschieden, sein Dasein erneuern könne, und es ist und bleibt ein edles Erbe der gegenwärtigen Menschheit, was erhabene Geister in sich vollendeten. Es geht ein anderer Glaube durch die Welt, daß aus der Gemeinverbindlichkeit der Lebenden das Reine und Echte sich vollzieht.
Ein Sendbote dieser Ueberzeugung war Heister, der durch keine Ruchlosigkeit sich die Zuversicht der Rettung und die Pflicht der Hilfeleistung zerstören ließ.
In dem Manne, der eben aus schwerem Leid erstanden war, lebte frische Jugendkraft, da er von der Hauptstadt aus nach der Station fuhr, von wo er nach dem Bahnhäuschen Numero 374 ging.
Heister traf die beiden Eheleute daheim und er wurde mit der ganzen Innigkeit begrüßt, die in den beiden für ihn waltete.
Als nach Emil gefragt wurde, erklärte Heister, daß er Soldat geworden.
Jakob preßte die Lippen zusammen und schüttelte lange den Kopf, dann sagte er, das sei wohl das beste für Emil, vielleicht das einzige, was ihn noch zum richtigen Menschen machen könne, denn gehorchen, ohne dabei zu mucksen, das werde ihm gut thun.
Nicht so beruhigt war Magdalena; sie ahnte, was zwischen dem Justizrat und Emil vorgekommen sein konnte. Zornesröte und Schamröte überflog ihr Antlitz, und sie, die den Erstgeborenen immer zu verteidigen gesucht, hatte jetzt nicht die gleiche Hoffnung wie der Vater.
Dieser aber war in der eigenen Befreiung voll Vertrauens, daß alles neu gedeihen könne, und sein Auge leuchtete wunderbar, als er Heister darlegte, daß er nun doppelt erlöst sei; Heister habe ihm die Schuld vor dem weltlichen und der Missionär die vor dem himmlischen Richter ausgelöscht.
Als er jetzt auf seinen Posten mußte, sagte er noch im Fortgehen, Magdalena solle dem Herrn Justizrat die Sache mit dem Eichhofbauer erzählen.
Das war es, was Magdalena gewünscht hatte, und doch kam sie lange nicht zu Wort. Sie wollte Heister zuerst sagen, daß sie von dem verruchten Gedanken Emils wisse, aber sie konnte es nicht über die Lippen bringen. Endlich berichtete sie von den Vorgängen beim Tode der Eichhofbäuerin und daß der Bauer in den nächsten Tagen bei Jakob um Rikele freien wolle. Sie gestand, daß sie ihrem Manne versprochen habe, dem Bauer alles zu erzählen, es aber bis jetzt nicht vermocht hätte.
»Und da meinst du, ich soll dem Bauer alles berichten?«
Magdalena nickte und schaute zur Erde und eben als sie sprechen wollte, brauste der Zug am Hause vorüber und das tönte so gewaltig, daß kein anderer Laut vernehmbar war.
»Willst du mit mir zum Eichhofbauer gehen?« fragte Heister.
»Ich bitt' . . . ich mein' . . . es wär besser, der Herr Justizrat geht allein.«
»Glaubst du nicht, es wäre besser, man sagte dem Bauer gar nichts?«
»Ja, das hab' ich auch gemeint, aber der Vater will und thut's nicht anders.«
»Dein Mann hat recht und ich geh'.«
Mit bangem Herzpochen sah Magdalena dem alten Freunde und Wohlthäter nach, der nach dem Eichhof ging.