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Dreißigstes Kapitel.

Der Assistent, der, wie gesagt, auch Soldat war, hat mir die Geschichte des Rittmeisters erzählt. Ich muß ihn Rittmeister nennen, obgleich er's nicht mehr war.

Wie jeder Soldat sauber und in Ordnung daher kommen muß, so ist's auch im ganzen; die Offiziere dulden keinen unter sich, der einen Schmutzflecken auf seiner Ehre hat, das gehört zu ihrem Ehrenstand.

Der Rittmeister hat das schönste und stolzeste Mädchen geheiratet, er hatte in allem der Vornehmste sein wollen, und es hieß doch, daß sie ihn nicht gern habe, warum, wußte man nicht, vielleicht konnte sie überhaupt niemand gern haben. Er hat aber gemeint, wenn er recht viel Aufwand mache und ihr alles gewähre, was sie nur mag, dann kriege sie ihn gern. Und so hat er seine Ehre und sein Gewissen dran gegeben und zuletzt Gut und Blut von anderen geraubt, damit seine Frau ihn gern habe. Aber Liebe läßt sich nicht kaufen, und ein Mann, der sie so erwerben will, verdient keine.

Der Assistent hatte noch Mitleid mit dem Rittmeister, ich nicht, ich hatte keins. Wenn die Frau ihn nicht mochte, sollte er sie nicht nehmen oder sie laufen lassen; da könnte man noch Respekt haben, aber so?

Was zuerst vorgefallen ist, wußte der Assistent nicht. Der Rittmeister hat die schönsten Pferde gehalten – er und seine Frau sind oft ausgeritten, und die Leute sind auf der Straße stehen geblieben und haben ihnen nachgeschaut – er hat viel mit seinen Pferden hin und her gehandelt und auch hoch gespielt. Kann sein, daß dabei oder im Dienst was vorgefallen ist, man weiß es eben nicht; aber eines Tages hat der Rittmeister seinen Abschied gefordert und hat ihn bekommen.

Der Rittmeister hat Pferde laufen lassen auf Wettrennen, ich weiß nicht wo überall; er hat groß Geld eingenommen.

Aber einmal ist es an den Tag gekommen. Die Offiziere hatten schon lang nicht gern, daß er sich so vorn dran machte; Rittmeister hin und Rittmeister her, hieß es immer, und die Frau fuhr nicht anders als vierspännig und kutschierte selber.

Sie haben ihm also aufgepaßt und endlich haben sie ihn gepackt.

Der Jockey auf einem berühmten Pferd, auf das große Wetten gesetzt waren, fiel kurz vor dem Ziel vom Pferd, und da ist's an den Tag gekommen. Der Jockey gestand, daß der Rittmeister ihn bestochen habe, und da ist Gericht gehalten worden; der Rittmeister wurde mit Schimpf und Schande ausgestoßen und durfte sich nicht mehr Rittmeister heißen, er mußte noch froh sein, daß er nicht vor das öffentliche Gericht kam.

Hätte man ihm das nicht geschenkt, so wäre mein Vater nicht ins Elend gekommen. Darum also hat er damals dem Vater gesagt, er solle ihn nicht Rittmeister, sondern nur bei seinem Namen, Herr von Haueisen, nennen.

Der Ronymus hat damals, als ihn der Vater aus dem Dienst jagte, von der Sache gewußt, aber noch nicht alles, und damals hat der Rittmeister Streit angefangen, damit er den Vater in den bösen Geschäften und im Unglück sitzen lassen kann.

Es ist wahr, der Mann ist hart gestraft, die Frau hat ihn verlassen, und er ist am Erblinden, aber er verdient noch mehr, tausendmal mehr.

Ich hab's anders erfahren, als die Pfälzer Doktorin.

Es steht freilich geschrieben: Liebet eure Feinde. Aber das kann man nicht; sag' mir keiner, daß man das kann, der Spruch muß nicht so gemeint sein. Gutes thun dem Feinde, das kann man; aber es soll mir niemand sagen, daß das leicht sei. Wenn der Feind bettelarm ist, ihm Geld geben und forthelfen, das kannst du; du gibst von deinem Eigentum her und bleibst für dich, was du bist. Aber stündlich wachen, Geduld haben und sanft zureden und trösten – ich weiß, was das ist, und wer das nicht selber probiert hat, weiß es nicht und darf nicht mitreden.

Ja, noch ärger ist's gekommen, denn das ist doch das Aergste, wenn einem das entleidet wird, womit man bis daher so glücklich war und es für eine Aufgabe von Gott gehalten hat und froh war, sie erfüllen zu können. Mich plagen die Gedanken: Warum muß gerade ich die Krankenpflegerin sein? Warum ist gerade mir das auferlegt? Ich hab's genug. Ich will auch draußen sein. wo es lustig hergeht.

Ja, ich hab's gespürt, daß ich untreu werde, und habe, wie man sagt, mein Herz in beide Hände nehmen müssen, um wieder zu mir zu kommen und um nicht gegen den Verderber von meinem Vater und von mir loszufahren. Ich habe aber doch nun dem Professor sagen wollen, ich könne den Mann nicht pflegen.

Ich stand schon vor der Thür des Professors, da hielt ich still und sagte mir: Nein, ich weiß selber, was ich will und was ich muß, und ich will's beweisen.

Ich kehrte um und that meine Pflicht.

Und ich habe meine Pflicht gethan, wie wenn das ein Mensch wäre, von dem ich weiter nichts weiß, als daß er krank ist.

Ich hatte mir aber doch zu viel zugemutet.


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