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Zweiunddreißigstes Kapitel.

Auf dem Eichhof wurde Heister mit großer Ehrerbietung empfangen, denn der Bauer kannte nicht nur die hervorragende gemeinnützige Thätigkeit Heisters in allen Landesangelegenheiten; er kannte, wie sich jetzt zeigte, ihn auch persönlich von den Schwurgerichten her, wo Heister als Verteidiger und der Eichhofbauer als Geschworener getagt hatte.

»Ich habe Sie gleich erkannt,« sagte der Bauer, »es hängt ja drunten im Bahnhäuschen . . . Ihnen kann ich's ja sagen . . . bei meinen zukünftigen Schwiegereltern Ihr Bild, und zur Hochzeit bitte ich mir's als Geschenk aus, daß Sie mir auch ein Bild von Ihnen geben; es soll den Ehrenplatz in unserem Hause haben.«

Heister fragte nach Rikele, die im Felde war, und der Bauer konnte nicht genug rühmen, wie brav und wie tüchtig sie sei.

Einfach und gradaus sagte nun Heister, daß er von den Eltern geschickt sei, um dem Bauer alles zu berichten, bevor er sich entscheide. Er erzählte die ganze Vergangenheit. Der Bauer fuhr sich mehrmals mit der breiten Hand über das Gesicht, aber er mischte kein Wort ein. »Wenn ich das Glück hätte,« schloß Heister, »einen Sohn zu besitzen, ich würde mit freudigem Herzen meine Zustimmung geben, daß er eine Tochter dieser vielgeprüften rechtschaffenen Menschen heimführe.«

Eben als Heister geendet hatte, trat Rikele mit den Kindern ein; sie war hocherfreut, Heister hier zu sehen, und lehrte die Kinder seinen Namen.

»Jetzt laß uns allein, der Bauer hat mit mir zu reden,« sagte Heister; und als Rikele mit den Kindern gegangen war, fuhr er fort: »Redet jetzt, offen und frei.«

Der Bauer sah um und um, wie wenn die Wände ihm zu Worte helfen müßten; endlich sagte er:

»Weiß Rikele das alles auch?«

»Nein.«

»Dann weiß ich auch nichts und . . . ein Kind hat nicht für die Eltern zu büßen. Ehrenleute sind's doch, rechte.«

Heister streckte dem Bauer die Hand dar und sagte:

»Ihr gebt mir ein Glück ohnegleichen, daß Ihr meinen Glauben an die Rechtschaffenheit bewährt.«

»So gehen Sie mit mir ins Bahnhäuschen. Ich will jetzt bei den Eltern um Rikele anhalten.«

Der Bauer sagte Rikele, sie solle bald nachkommen in ihr Elternhaus.

Die beiden Männer gingen still dahin, bis der Bauer fragte:

»Herr Justizrat, glauben Sie nicht, daß der Mann freigesprochen worden wäre, wenn wir damals schon Schwurgerichte gehabt hätten?«

»Nein,« lautete die kurze Antwort.

Der Bauer sah den sonst so leutseligen Mann von der Seite an. Hätte der Mann nicht sagen können: Ja! Nichtschuldig hätte der Wahrspruch gelautet? Das wäre doch eine Hilfe, wenn alle Schuld auf dem heimlichen Gericht läge . . . Wieder ging der Bauer lange stumm dahin, endlich begann er:

»Sie haben recht. Die Wahrheit, das ist die Hauptsache. Sagen Sie mir nur noch: Weiß der Missionär auch alles?«

»Ja. Und er hat Jakob geküßt.«

»Das thu ich just nicht. Aber was der Missionär kann, kann ich auch.«

Im Bahnhäuschen, wo eben ein Brief von Lena und dem Schwiegersohn eingetroffen war, die glücklich ihren Bestimmungsort erreicht hatten, wurde die Verlobung gefeiert und Heister versprach, zur Hochzeit zu kommen, die noch vor der Erntezeit gehalten werden sollte. –

Heister kam zur Hochzeit, aber zum Bedauern aller war Albrecht verhindert; er war nach dem Oberland versetzt und sein Dienst war streng. Dagegen war Emil gekommen und er sah stattlich aus in der Uniform.

Auf dem Wege von der Kirche zum Wirtshaus gesellte sich Heister zu Magdalena und sprach seine Befriedigung aus über das kernhafte Wesen des Eichhofbauern, plötzlich brach er ab, indem er, wie von Schreck ergriffen, sagte:

»Sieh, mit welchen aufgerissenen Augen uns Emil betrachtet.«

»Komm her, Emil,« rief Magdalena fast unwillkürlich; und als der Sohn vor ihr stand, sagte sie, ihm frei ins Antlitz schauend:

»Der Herr Justizrat und ich verzeihen dir alles Böse. Ich hab' den Glauben, daß du noch so brav werden könntest wie . . . wie dein Vater und . . . deine Mutter und unser Wohlthäter.«

Emil schlug stumm die Augen nieder und wendete sich militärisch. –

An der Hochzeitstafel brachte Heister mit kräftiger Stimme ein Hoch aus auf das junge Ehepaar, und Magdalena sah bescheiden auf den Teller nieder, als er einfließen ließ, es sei den Kindern zu wünschen, daß sie auch solche Eltern werden wie Jakob und Magdalena.

Die Mutter suchte den Blick ihres Sohnes Emil, der aber schaute nicht nach ihr.

Trotz, Mannes- und Soldatenstolz kämpften in der Seele Emils mit einer kindlichen Regung. Er wollte vor Heister hintreten und ihm das Bekenntnis der Reue ablegen, aber eine Stimme in ihm sagte wieder: es ist unmännlich, zu bereuen und gar, es zu bekennen.

Zu den beiden in ihm kämpfenden Gewalten kam bald ein drittes. Schnell nacheinander stürzte Emil den Hochzeitswein hinunter und bald war er lärmend und prahlerisch.

Nur einmal ließ er sich zur Ruhe bestimmen, als alles aufhorchte, da Heister dem Pfarrer erzählte, wie in Frankreich eine verkehrte Stimmung herrsche; selbst freisinnige Männer fänden es selbstverständlich, daß Frankreich unsere Rheinlande haben müsse, und es sei wohl möglich, daß man vor einem Kriege stehe.


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