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»Das Ausfliegen fängt an: wirst sehen, wie bald wir Alten allein im Nest sind,« klagte Magdalena am Morgen, nachdem Emil das Elternhaus verlassen hatte.
Jakob schwieg, er hat genug an dem, was heute ist, und Magdalena hat manchmal eine gewisse Lust daran, bei gegenwärtigem Leid sich kommendes auszudenken, und es ist beinahe, als tröste sie sich damit.
Er rüstete sich, um auf den Posten zu gehen; Magdalena, die jetzt voller Unruhe war, geleitete ihn bis an den Hopfengarten und sprach davon, daß Emil gestern gar bleich ausgesehen habe, was er wohl jetzt treibe, und wie die Justizrätin ins Aegyptenland reise.
»Ich kann nicht wie du,« sagte er endlich, »dem da und denen dort in Gedanken nachlaufen. Laß sie doch, sie können allein laufen. Hei! Da pfeift's schon.«
Er rannte auf seinen Posten und schloß noch schnell den Wegübergang; es war höchste Zeit, denn ein vierspänniger Bauernwagen mit bändergeschmückten Pferden und hochgetürmtem Hausrat kam heran. Der junge Eichhofbauer hielt den Einzug nach der Hochzeit.
Der Eichhofbauer war eigentlich der nächste Nachbar, denn von dort oben, wo ganz einsam das wohlgebaute Haus mit den Scheunen steht, bis über die Eisenbahn weg zum Thalbach, gehört alles Ackerland zum Eichhof. Jakob und der Eichhofbauer waren einander nicht freundlich gesinnt. Da war ein Acker dem Bahnwärter so geschickt gelegen, aber der Bauer gab ihn nicht her, weder in Pacht noch in Kauf; arme Leute sollen eben nicht zu einem Stück Feld kommen. Zudem hat Jakob den jungen Bauernprinz einmal in Strafe bringen müssen, weil er bei schon geschlossener Barriere hinüberreiten wollte und den Schlagbaum geöffnet hatte.
Jakob konnte noch rufen, daß man absteigen und die Pferde am Zügel nehmen solle, und es war nötig, denn die Pferde waren nicht an das Rasseln der Bahnwagen gewohnt und bäumten sich hoch auf.
Als der Zug vorüber war, öffnete Jakob den Querbalken, streichelte die Rosse, führte das vorderste am Zaum und half den schwer geladenen Wagen glücklich über die Schienen bringen. Er brach sogar die über Nacht aufgeblühten Rosen von seinen Bäumchen ab und überreichte sie der aus der Fremde gekommenen jungen Frau, die mit ihrem Manne, dem Eichhofbauer, abgestiegen war.
Dieser grüßte Jakob leichthin, wie sich's für einen Großbauern ziemt, griff in die Tasche, wo Geld rasselte, und wollte Jakob ein groß Stück als Trinkgeld geben, aber Jakob hielt beide Arme auf dem Rücken, und so wendete sich der junge Bauer an das blondköpfige, kaum zehnjährige zweitjüngste Kind Jakobs, das, von dem Aufzuge angelockt, rasch herbeigekommen war. Das Mädchen schaute mit den großen blauen Augen nach dem Vater und dieser sagte:
»Du nimmst nichts! Sag Dank.«
Mit heller Stimme rief das Kind:
»Dank' schön. Wir nehmen nichts geschenkt. Wir sind keine Bettelleut'.«
Der Wagen fuhr davon, und Jakob rief noch nach:
»Nichts für ungut! Wir wollen gute Nachbarn sein.« Dann wendete er sich zu dem Kinde, streichelte ihm die Wange und fragte: »Wer hat dir das gesagt, was du dem Bauern geantwortet hast?«
Rikele erzählte mit großer Beredsamkeit, daß die Mutter gestern abend den Kindern gesagt habe: Nur vom Gevatter Heister nehmen wir ein Geschenk, sonst von niemand auf der Welt.
»Wir sind keine Bettelleut'! Wir sind keine Bettelleut'!« rief das Kind wie singend und tanzte dabei.
»Du bist mir lieber als vier Ross',« sagte Jakob, nach dem Hopfengarten gewendet, wo Magdalena arbeitete.
Diese Wertung war viel, denn Jakob war zwar nicht neidisch – er gönnt jedem, was er hat – aber vier Rosse zu haben, wie die da an dem Hochzeitswagen, das ist doch erst das rechte Leben, und wer sich erinnert, daß Jakob von Kindheit an mit den Postpferden sich umgethan und zuletzt den vierspännigen Eilwagen geführt hatte, der wird es nur natürlich finden, daß der Besitz von vier Rossen eben das Höchste war, was er sich auf Erden wünschen mochte, und es ist eine wohl zu schätzende Liebeserklärung, daß er seine Frau höher wertete, als vier Rosse.
Am Mittag, als alles um den Tisch saß, wollte Magdalena nochmals Trauergedanken wegen Emils in die einzige Speise einbrocken, aber heute war Jakob sehr klug.
»Mutter,« sagte er, »solche Gedanken ins Essen hinein, die sind keine guten Würzkräuter und verderben dein gutes Kochen.«
Er erzählte von der Begegnung mit dem jungen Eichhofbauer und lobte Rikele, das nun auf einmal sich als Hauptperson aufspielte. Vater und Mutter sahen einander an, wie das Kind sagte:
»Ich möchte aber doch auch Großbäuerin sein.«
»Warum?«
»Die Mutter hat gesagt, die Großbäuerinnen, die langen in den Schmalzhafen bis an den Ellbogen hinauf.«
»Und da kannst du das Schmalzrikele heißen,« rief Albrecht.
»Schmalzrikele! Schmalzrikele!« rief das kleinste Schwesterchen, und es war drauf und dran, daß es Händel und Weinen bei Tische gab, aber Jakob gebot Ruhe, und wenn er das that, wagte ein Kind nicht mehr laut zu atmen.
Nach Tisch auf der Bank vor dem Hause sagte Jakob:
»Mutter! Ich hab' gar nicht gewußt, was für ein gescheites Kind das Rikele ist.«
»Ja, sie sind gottlob alle helle Köpfe.«
»Von mir haben sie's nicht. Ich will aber meinen Söhnen sagen, sie sollen gescheite Weiber nehmen.«
So sprachen die Eltern miteinander.
Wer damals geahnt hätte, was aus dem Schmalzrikele wird?