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Vierundzwanzigstes Kapitel.

»Vater, Ihr seid's, der so schön . . . Mutter! Da ist . . .«

Weiter konnte Lena nicht reden. Sie lag der Mutter am Hals.

Jakob war aufgestanden und stand Aug in Auge dem Fremden gegenüber, der gerade so groß war wie er selber. Er faßte die Hand des Fremden, sie war schmal und fein wie sein Antlitz.

»Grüß Gott,« sagte Jakob, und mit wohlklingender, zum Herzen dringender Stimme erwiderte der Fremde: »Ja. Gottes Gruß über uns!« Er erklärte, daß er Lena zur Frau begehre; er habe bei seinen Oberen angefragt und vor einer Stunde ein Telegramm erhalten, das die Einwilligung gab, mit dem Zusatze, daß er andern Morgens sofort nach England abreise.

Mutter und Tochter standen Hand in Hand und warteten auf das Wort des Vaters, der sich wieder gesetzt hatte.

Der Fremde wurde dringender, indem er wiederholte:

»Ich bitte um Ihre Einwilligung.«

Noch immer antwortete Jakob kein Wort und der Fremde, der im Blicke Jakobs gelesen hatte, rief mit bewegter Stimme:

»Ich bitte, sagen Sie nicht nein, denn meine erwählte Braut, die mir bestimmte Frau, müßte mir gegen Ihren Willen folgen. Sie wissen ja, daß man Gott noch mehr als den Eltern nachfolgen muß.«

Die Mienen Jakobs verfinsterten sich, er zog die Brauen zusammen und richtete einen scharfen Blick auf den Fremden, und dieser Blick sagte: Bist denn du schon Gott?

»Vater, ich bitte, saget doch ein Wort,« fiel Lena ein. Jakob strich sich mit der ganzen Hand über das Gesicht, dann fragte er:

»Ja, Lena, hast denn überlegt, was das heißt? Fürchtest du dich nicht, so in die fremde Welt hinaus und allem nach auf ewig von deinen Eltern fort?«

»Nein,« entgegnete Lena, »der himmlische Vater ist überall bei uns, und ich bin nicht in der fremden Welt, ich bin daheim bei meinem Mann.«

Jakob nickte fast lächelnd: die hat im Pfarrhaus studiert, die ist geistlich, die kann reden, wie von der Kanzel.

»Gut. Also gut,« sagte er. »Wie heißen Sie?«

»Drachenstein.«

»Also Herr Baron von Drachenstein.«

»Nicht so, ich heiße Pfarrer.«

»Aber den Namen behalten Sie doch? Also Herr Baron oder Herr Pfarrer, was wird Ihre Familie sagen, wenn Sie ein Kind von ganz geringen, ich sage ganz geringen Leuten heiraten?«

»Meine Mutter, die noch lebt, und die ich benachrichtigt habe, denkt ganz so wie ich; aber ich bin nicht mehr der Sohn meiner Familie, bin kein Baron, sondern ein Knecht des Herrn.«

»Gut. Das wäre also abgemacht. In Ordnung. Jetzt will ich Ihnen was sagen. Ich bin ein ehrlicher Mann . . . das ist mein Stolz . . . Ich will zuerst allein mit Ihnen reden, und hernach erst soll Ihr Wort gelten.«

»Aber was ist denn? Ich kenn' den Vater gar nicht. Was hat er denn? So hab' ich ihn noch nie gesehen. Was ist denn?« pisperte Lena der Mutter zu. Jakob, der dies bemerkt hatte, wandte sich zu Magdalena:

»Mutter, thu mir die Liebe und widersprich mir jetzt mit keinem Wort.«

»Ich? O gewiß nicht!« rief Magdalena und ihr Antlitz strahlte. »Du thust, was recht ist. Recht hast du.«

»So kommen Sie mit mir,« sagte Jakob und verließ mit dem Fremden die Stube.

»Was hat der Vater? Was hat er auf dem Herzen? Was ist denn geschehen? Ich habe nie gewußt, daß er ein Geheimnis hat und daß er so reden kann.«

»Laß deinen Vater! Kein Mensch auf der Welt, außer mir, weiß, was für ein Herzmensch, was für ein rechtschaffner und starker Mann er ist. Lena! Wenn dein Mann die Probe besteht, dann wirst du ganz glücklich und der Segen vom Himmel ist auf euch und ich bin ohne Sorge um dich.«


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