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Zu ebener Erde in der Studierstube des Pfarrers war noch Licht, und als der Missionär und Lena die Hausthür öffneten, kam ihnen der Pfarrer mit der Lampe in der Hand entgegen.
Der Pfarrer war bis vor einer Stunde auf dem Eichhof gewesen und hatte erst bei der Heimkehr von der schnellen Verlobung gehört. Er ließ die beiden in seine Studierstube eintreten und sprach seinen Glückwunsch aus, dann sagte er, der Herr Amtsbruder solle noch bei ihm bleiben.
»Ich möcht' nur noch fragen,« sagte Lena im Gehen, »wie steht's mit der jungen Eichhofbäuerin?«
»Sie ist schwer krank.«
»Und das Kind?«
»Ist frisch und gesund und deine Schwester ist ein wahres Glück für das ganze Haus, sie ist aber von den Nachtwachen so abgemattet, daß deine Mutter oder eine andere gute Frau ihr Hilfe leisten muß.«
Lena ging in ihre Kammer. Der Pfarrer hieß den Missionär sich zu ihm setzen und machte eine große Einleitung, wie grundbrav, wie tadellos das Leben von Lenas Eltern sei; mit stockender Stimme setzte er hinzu, daß die beiden nicht wüßten, wie er im Auftrage des Vereins für entlassene Sträflinge sie besonders im Auge habe.
Der Pfarrer fügte hinzu, daß die Kinder nichts von der Vergangenheit der Eltern wissen; der älteste Sohn sei ein unruhiger Charakter, der noch gut und schlecht werden könne, die anderen aber seien wahre Muster von Bravheit und Frische; noch könne er nicht entscheiden, oh es besser wäre, man sage ihnen, was vorgegangen, oder man lasse es in Hoffnung, daß es vielleicht verborgen bleibe, auf den Zufall ankommen.
Als der Missionär die aufrichtige Beichte Jakobs und dessen Qualen erzählte und wie er da in den tiefen Grund einer einfachen Seele geschaut, sagte der Pfarrer, er habe dem Manne solche Tiefe nicht zugetraut, obgleich der eigentümliche Glanz seiner Augen Ungewöhnliches vermuten ließ. Der Pfarrer war ein echt menschenfreundlicher, sein Amt mit heiligem Ernst pflegender Mann, aber eine leise Verdrossenheit konnte er doch nicht unterdrücken, daß ein Mann aus seiner Gemeinde und noch dazu Jakob, dessen Tochter er so viele Jahre im Hause hatte, die Heilung seiner Seele einem Fremden anvertraute. Allerdings mußte er sich wieder sagen, daß das Bekenntnis Jakobs eine einfache That der Rechtschaffenheit war.
Die beiden Geistlichen ergingen sich in der Betrachtung, wie eine völlige Wiedergeburt und Reinigung sich vollziehe. Sie besprachen das große Rätsel – das für sie freilich keines war – daß die Menschenseele nur durch den Leidenstod zum echten ewigen Leben auferstehe; sie waren darin einig, daß ein Gefallener, der sich wieder aufrichtet, um so höher steige, wie denn alle Religion sich an die Sündigen wende, und Sündige seien alle Menschen, die sich ihr Thun und Lassen ehrlich bekennen.
Im Pfarrhause und im Bahnhäuschen da draußen gab es in dieser Nacht wenig Schlaf.
Beim ersten Frühzuge standen Jakob und Magdalena am Wegübergang; es pfiff schon von ferne ungewöhnlich, und richtig! Albrecht stand auf der Lokomotive. Der Vater war stramm und aufrecht wie die zusammengewickelte Fahne in seiner Hand, aber Magdalena hielt in der einen Hand dem Sohne das hellglänzende Waldhorn entgegen und mit der andern Hand deutete sie auf den Vater.
Als der Zug vorüber war, ging Magdalena nach dem Pfarrhause, Jakob aber gönnte sich's, Tagwacht zu blasen, und erst, als die Glocke vom Dorfe läutete, hielt er an, nahm die Mütze unter den Arm und faltete die Hände zu stillem Gebete.