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Siebentes Kapitel.

Der Schnurrbart vom Vater war schon so groß, daß er ihn hat zwischen die Finger nehmen können, da kam eine zweispännige Kutsche auf unserem Hof angefahren. Auf dem Bock saßen zwei Diener, die hatten weiße Handschuhe an und weiße Glanzröcke und Kokarden am weißen Hut. Unser Rapp war neben einem anderen eingespannt, er sah jetzt viel vornehmer aus und wieherte, wie er gegen den Stall kam.

In der Kutsche saß der Rittmeister und neben ihm eine Frau, sie hatte einen Hut mit einer gebogenen Feder, und vorn lag ein toter Vogel.

Sie kam in die Stube, ich stand in der Ecke am Ofen und zerbiß mir fast meine Schürze vor dem Märwunder. Sie hatte einen Schleier mit goldenen Sternchen vor dem Gesicht, den hob sie jetzt auf, o wie schön war sie! Sie zog den Mantel aus, sie hatte ein goldbraunes Seidenkleid, sie that den Hut ab, sie hatte eine blaßrote Schleife im Haar, und wie sie am Fenster stand und die Sonne auf das braune Haar schien, da meinte man, es brennt im Feuer.

Die Mutter konnte gar nicht genug sagen, wie sie sich freue, daß die Frau auch zu uns gekommen ist. Die Rittmeisterin – man hat aber zu ihr Frau Baronin gesagt – wischte sich mit einem feinen Tuch übers Gesicht. O, wie hat das Tuch gerochen, die ganze Stube ist voll davon geworden. Sie machte das Fenster auf und sagte, es sei hier so eingesperrte Luft. Sie hatte eine Stimme fast wie die Cordula, so eine halbe Mannsstimme.

Die Mutter fragte, wer der Frau den Schabernack gespielt und ihr einen toten Vogel auf den Hut gesteckt habe. Die Frau lachte, es war kein gutes Lachen, aber sie faßte sich schnell und sagte: »Liebe Bäuerin, das ist jetzt Mode.«

Die Mutter zuckte die Achseln, rief mich an und sagte: »Gib der Frau Baronin eine schöne Hand.«

»Lassen Sie, ich kann Kinder nicht leiden; kann sein, weil ich selber keine habe. Liebe Schlehhofbäuerin, ich bin auch gradaus wie die Bauern; wer mir das übelnimmt, soll's übelnehmen, ich sag's offen, ich kann Kinder nicht leiden.«

Das sagte die vornehme Frau in meinem Beisein und lachte dazu, wie wenn das was Lustiges wäre.

Von jener Minute an habe ich einen Aberwillen gegen die Frau bekommen, ja einen Groll, ich hätt' sie vergiften können. Um so lieber hatte ich den Rittmeister, der zog den Handschuh aus und streichelte mir die Backen. O! Was für eine zarte Hand war das!

Die Mutter dachte nicht mehr dran, daß die Baronin von Kindern nichts wissen wolle; sie erzählte ihr von meinen verstorbenen Geschwistern und zeigte die eingerahmten Kränze an der Wand, da waren die Namen meiner Brüder und Schwestern schön eingetrieben und tröstliche Bibelsprüche dazu.

Der Vater klagte dem Rittmeister, daß ein Gaul krank sei, und sie gingen miteinander in den Stall. Die Mutter führte die Baronin durchs ganze Haus und zeigte ihr alles, das viele Weißzeug und die vielen Betten, es war noch viel da von der Großmutter her und vielleicht noch von früher.

O, wie war alles so voll, und wo ist das alles hingekommen . . .

Als nun meine Eltern und der Rittmeister und seine Frau um den schöngedeckten Tisch saßen, fragte der Rittmeister:

»Nun, Leontine, nun bist du doch bekehrt?«

»Wieso bekehrt?« fragte die Mutter.

»Ja, ihr lieben Freunde, ich habe meine Frau mitgenommen, damit sie einmal echte ehrenfeste Bauersleute kennen lernt. Sie hat bisher einen Widerwillen und Aberglauben gehabt; sie hat immer gemeint, unter den Bauersleuten gehe es gar wüst her. Jetzt sieht sie, wie schön es ist auf so einem grundfesten ehrenhaltigen Bauernhof. Freilich, liebe Leontine, so wie hier gibt's nicht viel.«

»Ja, ich bin bekehrt,« sagte die Baronin und machte einen heiligen Blick, wie ein Kind, das eben von der Firmung kommt, und als sie ihre Hand mit den feinen langen Fingern auf die Hand der Mutter legte, sagte der Vater:

»Ja, Frau Baronin, das Bekehren ist von beiden Seiten: auch meine Frau –«

»Du wirst doch nicht,« wehrte die Mutter ab, die Flammen schlugen ihr aus dem Gesicht, aber der Vater fuhr fort:

»Ja, und meine Frau hinwiederum hat gemeint, die vornehmen Leute, die so schriftdeutsch reden, meinen's nicht ehrlich.«

Es war lustig, hin und her neckte man sich, und der Vater sprach aus seinem Schnurrbart heraus viel freier als je. Der Rittmeister hatte keine Brille auf, und die Mutter fragte, ob seine Augen wieder ganz gesund wären.

»O nein,« sagte er, »aber meine Frau will's nicht leiden, daß ich kranke Augen habe.«

Die Baronin sah ihren Mann mit einem bösen Blick an und sagte:

»Ja, die gute Bäuerin hat mir ihr schweres Leiden erzählt, und da sieh sie an, wie sie's trägt. Die Männer, die uns die Schwachen heißen, können keinen Schmerz verwinden; da sind wir Frauen viel stärker. Nimm dir ein Beispiel an dieser einfachen Bäuerin. Von heut an darfst du mir nicht mehr ächzen und krächzen. Ich will's nicht mehr hören.«

Sie sagte das fast lachend, und der Rittmeister biß sich auf die Lippen.

Beim Abschied wiederholte die Baronin dankend, wie wohl es ihr bei uns gefallen habe. Sie gab dem Vater und der Mutter die Hand, mir nicht.

Als sie weggefahren waren und der Vater die feine Frau lobte, da sagte die Mutter:

»Das ist eine böse, bitterböse Frau. Sie hat keinen geraden Blick.«

»Sie schielt doch nicht?«

»Nein, hat aber doch keinen geraden Blick. Wie hat sie ihren Mann vor unseren Augen abgetrumpft, und er kann doch nicht vor uns Streit haben. Die hält's für eine Schande, krank zu sein, weil sie gesund ist. Und wie ist ihr der gute Mann so unterthänig! Er hat ihr die Händ' unter die Füße gelegt. Wie sie in der Kutsche gesessen ist, hat er ihr die Füße in eine Decke gewickelt – ich hab's gesehen, sie hat goldenen Hufbeschlag an den Absätzen – und da hat er noch gefragt: ›Ist's so recht, Schatz?‹ Und sie hat sich nicht einmal bedankt.«


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