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Der gelehrte Bauer

Zu Herzog Ulrichs Zeiten lebte zu Villingen im Schwarzwald ein Bauer. Der war ein grober Kegel, konnte aber lesen und wußte fast die ganze Bibel auswendig. Gegen den Winter, wenn er seine Äcker gesät hatte und nichts mehr zu tun war, ging er dem Disputieren nach. Wo er hinkam, befragte er die Priester und Gelehrten: »Wo steht dies in der Bibel und das?« Einstmals kam er auch nach Stuttgart an des Herzog Ulrichs Hof. Die Doktoren kannten ihn wohl, und der Fürst wollte ihn auch hören. Er lud ihn darum zu Gaste. Was ihn die Gelehrten aus der Bibel fragten, darüber konnte er guten Bericht geben, so daß der Fürst ein Wohlgefallen an ihm hatte. Hans Werner, der Bauer, sprach zu dem Herzog: »Herr, wisset Ihr auch, wie groß Gott ist?« Der Herzog antwortete: »Wer kann das sagen!« Der Bauer sprach: »Er ist so groß, wie ein Prophet spricht: Der Himmel ist mein Sessel, und das Erdreich ist ein Schemel meiner Füße. Und mit seinen Armen reicht er von einem Ort zum andern.   Nun ratet einmal, ihr Herren, wie viel müßt' er Tuch zu einem Rock haben, wenn er so groß ist?« Der Fürst sprach: »Das weiß ich nicht.« Der Bauer sagte: »Er bedarf nicht mehr als ich; denn er spricht: Was ihr einem armen Menschen tut in meinem Namen, das habt ihr mir getan.   Darum, wenn Ihr mir einen Rock gebet, so habt Ihr ihn Gott gegeben.« Der Herzog sprach: »Bist du auf Mitfasten hier, wenn ich mein Hofgesind bekleide, so will ich dir auch einen Rock geben.« Hans Werner verschlief es nicht. Und er machte sich auf und kam an dem bestimmten Tag wiederum an des Fürsten Hof und empfing allda einen Rock, wie ihm der Herzog versprochen hatte.

(Nach Pauli, Schimpf und Ernst [1552] von K. R.)

Schlußvignette

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