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Mundinger Geschichten

I. Der Mundinger Kuckuck

An einem Maientag kehrte ein Mundinger Bauer heimwärts vom Ehinger Markt. Wie er nun nicht mehr fern von seinem Dorfe ist und durch den Wald geht, hört er zwei Kuckucke, die einander rufen und antworten. Der eine von ihnen rief im Mundinger Gemeindewald, der andere in dem von Kirchen. Der Bauer hörte den Vögeln eine Weile zu, und da deuchte es ihn, als ob's der Kirchener Kuckuck besser könne als der Mundinger. Darüber ärgerte er sich sehr; denn die Mundinger sind auf ihr Dorf stolz und dünken sich mehr zu sein als die von Kirchen und anderen Orten. Um den Nachbarn nicht den Ruhm zu lassen, den besseren Kuckuck zu haben, band der Mundinger sein Roß an einen Baum und stieg in das Geäst, um von dort aus dem Mundinger Kuckuck zu helfen. Eine geraume Zeit saß er dort oben und rief »Kuckuck«, so gut er's eben fertig brachte. Er war in sein Geschäft so vertieft, daß er nicht bemerkte, wie ein Schelm des Weges daherkam, das ledige Roß losband und auf ihm davonritt. Als nun endlich die beiden Kuckucke stillschwiegen, stieg der Bauer von seinem Baume herab. Da war er nicht wenig erstaunt, kein Roß mehr anzutreffen. Er suchte lange hin und her. Als er's aber nirgends fand, blieb ihm keine andere Wahl, als zu Fuß heimzureiten. Doch ging er im Dorf sofort zum Schultheiß, klagte ihm seinen Verlust und bat ihn um Rat und Beistand. Der Schultheiß ließ die Glocke läuten, und als die Gemeinde versammelt war, stellte er ihr mit beweglichen Worten vor, wie ihr Mitbürger in großen Schaden gekommen, weil er dem Mundinger Kuckuck gegen den Kirchener geholfen habe. »Da er durch sein löbliches Tun unser Dorf vor Schand und Spott bewahrt hat, ist es nur billig, daß wir ihm den Schaden ersetzen, den er hiedurch erlitten hat.« Also sprach der Schultheiß, und die Gemeinde stimmte ihm zu. Dem Bauern wurde das gestohlene Pferd ersetzt, und jedermann freute sich, daß der Mundinger Kuckuck im Wettstreit gegen den Kirchener mit Ehren bestanden war.

(Nach Bebel u. Wendunmut von K. Rommel.)

Schlußvignette

II. Der Mundinger Krebs

Ein Fischer aus Ehingen kam noch eines Abends spät mit seinem Fischkorb über die Mundinger Weide. Als er da in der Dunkelheit über einen Stein stolperte, entfiel ihm, ohne daß er's merkte, ein Krebs. Wie es nun Morgen ward und die Mundinger Buben das Vieh auf die Weide trieben, sahen sie den Krebs. Er krabbelte im Gras umher, bald vorwärts, bald rückwärts; denn er sehnte sich in sein nasses Element zurück. Die Buben wußten aber nicht, was für ein Tier es war; denn sie hatten ihr Lebtag noch keinen Krebs gesehen. Das krabbelnde Ding erschien ihnen so merkwürdig, daß einige in das Dorf liefen und dort viel Aufhebens davon machten. Der Schultheiß ließ Sturm läuten, und alles eilte nun auf den Anger, um das Wundertier zu besehen. Bald umstand ein dichter Kreis von Neugierigen den Krebs. Doch hielten sich alle in respektvoller Entfernung; denn sie fürchteten das Tier, weil es schwarz war, so lange Stacheln hatte und mit seinen seltsamen Füßen hinter sich zu gehen schien. Alles war einig, daß ein solches Geschöpf in ihrem Dorfe noch nie gesehen worden sei.   Nun lebte damals zu Mundingen ein Schneider, der immer das große Wort führte und sich klüger dünkte als die Bauern, dieweil er einige Zeit gewandert war. Den fragten die Bauern um seine Meinung übet das Tier. Der Schneider beguckte den Krebs nochmals vorsichtig von allen Seiten und sagte endlich gewichtig: »Ich habe in fremden Ländern allerlei seltsame Dinge gesehen, aber ein solches noch nie. Doch vermute ich, es möchte, da es so lange Hörner hat, ein junger Hirsch oder, des seltsamen Schwanzes wegen, eine kleine Taube sein.« Das wollten die Bauern aber nicht glauben; sie hielten den Krebs für ein giftiges höllisches Ungeheuer, das großes Unglück über das Dorf bringen könne, und sie beschlossen es zu töten. Da sich aber niemand heranwagte, holten sie Büchsen aus dem Dorf und schossen den Krebs tot. Darauf beugten sie Steine rings um ihn her, so daß ein hoher Wall entstand. »Denn,« sagten sie,   »besser ist besser, und ist das Tier auch tot, so sind wir doch sicherer, wenn es noch hinter einem Steinwall liegt und also gewiß niemand Schaden tun kann.«

(Nach Bebel u. Wendunmut von K. Rommel.)

Schlußvignette

III. Die Mundinger Schlange

»Do Bua,« sagte eines Tages der Steffesbauer in Mundingen zu seinem Sohn, »bring' de Säu 's Futter!« Der Junge gehorchte und ging in den Hof. Als er jedoch eben im Begriff war, die Türe des Schweinstalles zu öffnen, sah er aus einer Ritze desselben ein mächtig langes gelbes Ding herausbaumeln, das immer hin und her züngelte. Voll Entsetzen ließ er den Kübel mit dem Futter fallen und lief zurück in die Stube. »Herrje, Herrje!« schrie er dem Vater entgegen, »im Saustall ischt a wütig grausa Schlang!« Dem Bauern blieb bei dieser Nachricht ein Rädle von der Wurst, die er eben verzehren wollte, im Halse stecken. Doch faßte er sich bald wieder, nahm eine Heugabel und ein Beil zur Hand und ging auf den Schweinstall los. Richtig, da ringelte sich die Schlange immer noch zur Ritze heraus, größer und giftiger, als er sich's gedacht hatte. Bei diesem Anblick verging dem Bauern der Mut rasch wieder. »Lauf, was du kannst zum Schmied!« rief er seinem Buben zu, »und sag', er soll mit einer großen Zang' kommen.« Der Junge lief, so schnell ihn die Füße trugen, und kam in wenig Minuten mit dem Dorfschmied und zehn bis zwölf Nachbarsleuten zurück. Jetzt ging das Debattieren los; denn keiner wagte sich an die gefährliche Schlange heran. Endlich aber griff doch der Schmied zu seiner langen Zange und packte die Schlange mit einem starken Griff, so daß ihr Hinterteil abgezwickt zur Erde fiel. Im selben Augenblick fing die Sau im Stall drinnen ein gräßliches Geschrei an. Man riß die Türe auf und sah, wie das Tier unter jämmerlichem Grunzen im Ring herum lief und sich vergeblich den blutenden Schwanz zu lecken versuchte. Alle standen da und sperrten Maul und Augen auf; aber niemand sprach ein Wort. »Vater,« sagte endlich der Sohn, »des Ding, des aus dem Stall rausguckt hat, ist glaube der Schwanz von unserer Sau und koi Schlang gwea.« Und so war es auch; doch hören die Mundinger die Geschichte nicht gern.

(Aus »Schwabenstreiche«.)

Schlußvignette

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