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Der Scherrüble von Uhlbach

Als im Juli 1796 die Franzosen bei Cannstatt über den Neckar gingen, ohne daß die Österreicher es ihnen wehren konnten, bekam auch das hinter dem Rotenberg gelegene Dorf Uhlbach Franzosen ins Quartier. Wie jedermann weiß, wächst in Uhlbach ein guter Wein, dem wenige in Württemberg gleichkommen. Den besten schenkte damals der Lammwirt Scherrüble aus, weshalb die Herren von Stuttgart und Eßlingen ihn fleißig versuchten. Der Lammwirt hatte darauf einen großen Stolz und meinte, es gäbe überhaupt keinen besseren in der ganzen Welt. Als nun die Franzosen unter Trommelschlag im Dorf einrückten, sagte er zu seiner Frau: »Hör', Alte, lieb wär mir's schon gewesen, die Franzosen hätten unser Dorf gar nicht gefunden. Nachdem sie aber einmal da sind, so wollen wir uns nicht lumpen lassen. Mach' ein saftiges Schweinsbrätle; ich will derweilst in den Keller gehen und ein Fläschlein vom Guten heraufholen; der Franzos soll sich's schmecken lassen.« Als nicht lange darauf der einquartierte Franzose in die Stube trat, war der Tisch schon gedeckt, und der Lammwirt stellte schmunzelnd eine Flasche Wein auf den Tisch, wie ihn die Herren von Stuttgart und Eßlingen zu trinken pflegten, und wünschte dem fremden Gast einen guten Appetit. Der Franzose, nachdem er Gewehr und Tornister abgelegt hat, setzt sich an den Tisch, ißt von der Suppe und schenkt sich hernach von dem Wein ein. Aber kaum hat er einen Schluck davon genommen, so macht er ein gar grimmiges Gesicht, stößt das Glas auf die Seite und ruft: »Sakerdifuder! Schlecht Wein, miserables Wein! Ick will gut Wein!« Der Lammwirt kann's gar nicht begreifen, daß sein Wein nicht gut sein soll, und als der Franzose weiter rumort und schreit, zieht er sein Schmerkäpplein ab und sagt: »'s ist währle mein bester, Herr, und 's hat en noch älles geara trunka!« Der Franzose aber schimpft fort und schreit: »Schlecht Wein! Miserabel Wein! Champagner will ick, nix mowäh Wein!« Der Lammwirt ist ratlos und weiß nicht, was er anfangen soll. Endlich geht er in den Keller und holt eine Flasche 1788er, die er sich für besondere Fälle zur Herz- und Magenstärkung auf die Seite gestellt hatte. Doch der Franzose besieht sie gar nicht lange, sondern wirft sie an die Wand, daß die Scherben klirren, und ruft: »Champagner will ick, nix mowäh Wein!« Wer weiß, was noch geschehen wäre, wenn nicht plötzlich der Tambour auf der Gasse sich hätte hören lassen. Der Franzose mußte sich also den Mund wischen und zum Appell eilen. Er kam nicht wieder, und der Lammwirt erhielt einen andern ins Quartier, der dem Uhlbacher Wein alle Ehre antat.

Alles ändert sich, auch das Kriegsglück. Nachdem die Franzosen und ihr Kaiser Napoleon lange Zeit in Deutschland die Meister gewesen waren, wurden sie im Oktober 1813 bei Leipzig dermaßen geschlagen, daß sie eiligst über den Rhein flüchten mußten. Die verbündeten Truppen folgten ihnen im Jahr 1814 nach, und auch die Württemberger, geführt von ihrem wackeren Kronprinzen, dem nachmaligen König Wilhelm I., waren dabei. Bei den schwarzen Jägern, wie ein württembergischer Truppenteil hieß, diente des Lammwirt Scherrübles Sohn von Uhlbach. Er war damals, als der Franzose die Flasche an die Wand geworfen, ein kleiner Knirps von etwa 3 4 Jahren gewesen, aber der Vorfall, den er vom Küchenfensterle aus mit angesehen hatte, war ihm unvergeßlich geblieben. Als er nun mit dem verbündeten Heer in Frankreich einmarschierte, dachte er: »Jetzt, Scherrüble, ist die Zeit gekommen, daß du den vermaledeiten Franzosen die Laibe heimgeben kannst!« Er wartete auf eine günstige Gelegenheit; doch wollte sie sich lange nicht bieten. Als nun eines Tags sein Kamerad zu ihm sagte: »Jetzt, Scherrüble, können wir uns freuen; jetzt kommen wir in die Champagne, wo der gute Wein wächst!« da dachte er: »Jetzt tu' ich's auch!« Wie er nun ins Quartier kommt, wirft er seinen Tschako auf den Tisch und den Tornister in die Ecke und schreit: »Wein! Wein! bon Wein!« Die dürre Französin, die in der Stube ist, stellt ihm eine Flasche Wein auf den Tisch. Scherrüble schenkt sich davon ein, und obgleich er sofort merkt, daß der Wein gut ist, schmeißt er doch die Flasche an die Wand und schreit voll Zorn: »Schlechter Wein! Mowäh Wein! Ich will bon Wein!« Die Französin schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und springt herum, daß die Haubenbändel fliegen, und holt dann ihren Mann. Der kommt mit seiner Zipfelmütze, und beide welschen nun auf Scherrüble ein, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Aber er läßt sich nicht daraus bringen und denkt an den Franzosen von anno 1796. Er schlägt mit der Faust auf den Tisch, flucht und wettert mit den Stühlen und schreit: »Bon Wein, nicht mowäh Wein!« so daß die Franzosen sich nimmer zu raten und zu helfen wissen. Endlich bringen sie eine zugepfropfte Budelle, und wie sie aufgemacht wird, da schäumt es heraus, und der Franzose lacht den bösen Scherrüble an und sagt: »Exzellent Wein, Herr Deutsch! best Champagner!« Aber Scherrüble, obgleich ihm der Mund danach wässert, wirft die Flasche unbesehen an die Wand und schreit: »Was Champagner! Uhlbacher will ich! Uhlbacher!« Da gab's nun ein Geschrei! Die Frau fing an zu zetern und zu schimpfen; Scherrüble wird immer wilder, und der Mann bittet und jammert. Und da der Franzose sich nicht anders zu helfen weiß, greift er in die Tasche, zieht ein Goldstück heraus und sagt: »Ach, lieb Deutsch, sei ruhig, hab nix Uhlback, will geben viel Geld! Sei ruhig, lieb Deutsch!« Scherrüble denkt: »Jetzt ist's genug!« und läßt die Leute in Ruhe. Und weil das Unrecht von 1796 gesühnt und beglichen ist, so läßt er sich von nun an den Champagner trefflich munden und verlangt keinen Uhlbacher mehr in Frankreich.

(Nach Siegfried Pfaff von K. Rommel.)

Schlußvignette

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