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I. Der Streit um die Kellerhälse.
Im Jahr des Heils 1261 ließ der hochweise Rat der Reichsstadt Schwäbisch Hall eine Verordnung ergehen, wie weit man die Häuser in die Gassen vorbauen dürfe. Es wurde da öffentlich befohlen, alle die weit in die Gassen vorspringenden Kellerhälse zu entfernen und in die Häuser hineinzubauen, weil durch sie der Verkehr aufs schwerste gehemmt und den Nachbarn der freie Ausblick benommen würde. Mit dieser Verordnung waren die guten Haller keineswegs einverstanden. »Was, unsere schönen Kellerhälse, diese lieblichen Brillen vor den Häusern, will man entfernen? Soll der Bürger diesen Eingriff in seine Freiheit, seine fromme Eigenart sich gefallen lassen? Was erkühnen sich die Herren vom Rat, der alten Vätersitte zu wehren?« Solche und andere Reden führten die erbosten Bürger, und allenthalben gab es Zusammenlauf und drohende Mienen und Scheltworte gegen die Obrigkeit der Stadt. Ja, es rottete sich das Volk auf dem Markte zusammen in der Absicht, den Rat zu überfallen und zu zwingen, daß er die neue Bauvorschrift zurücknehme. Die Herren hatten aber Wind von der Sache bekommen und den Adel, der in den Schlössern um die Stadt her saß, um Hilfe wider die Bürgerschaft gebeten. So wurde der Aufstand mit Mühe gedämpft, und der Rat mußte das Zugeständnis machen, die alten Kellerhälse noch eine Zeitlang bestehen zu lassen. Seit der Zeit antwortet man in Hall, wenn zwei auf offener Straße miteinander reden und noch ein dritter dazukommt und fragt, was sie reden: »Sie reden von den alten Kellerhälsen.«
(Nach Crusius II. Fr. Hummel.)
II. Wie die Haller das Gold wuschen
Die Stadt Hall hatte einst mit einigen Edelleuten, die ihr nicht grün waren, unliebsame Verhandlungen zu führen, und diese waren schon so weit gediehen, daß man sie statt mit Feder und Tinte mit dem Schwert und mit Blut zum Austrag bringen wollte. Da legten sich einige Nachbarn ins Mittel und luden die stolzen Herren vom Adel zu einem gütlichen Vergleiche nach Hall ein. Auf dem Rathause dort fanden sich denn auch die Streitenden ein. Während die beiden Parteien auf der Ratsstube miteinander verhandelten und ihre Sache rechtlich verfochten, sann in dem stattlichen Steinhause, der Ratsstube gegenüber, der reiche Haller Patrizier Herr Burkhard von Eltershofen auf ein Mittel, wie er von seiner Vaterstadt den drohenden Krieg helfen abwenden möchte. Er rief einen seiner Knechte, ließ ihn etliche tausend Goldgulden aus der Truhe nehmen und in ein hölzernes Geschirr tun. Dies geschah. Darauf befahl er ihm, das Gold oben auf seinem Hause neben der Kornkammertüre frei und öffentlich zu waschen und darauf in einem Sieb zum Trocknen an die Sonne zu stellen, so daß die Edelleute drüben in der Ratsstube es sehen könnten. Da man nun dies alles in der Tat vom Rathaus aus beobachtete, sagten die Advokaten der Edelleute zu den Junkern: »Seht einmal, gnädige Herren, was da geschieht! Die Haller sind so reich, daß sie ihr Geld von Zeit zu Zeit waschen und an der Sonne trocknen müssen, damit es nicht verschimmelt. Das läßt sicher vermuten, daß sie einen langwierigen Krieg leicht auszuhalten imstande sind. Wir wollen uns also in unseren Ansprüchen an die Stadt ein wenig mäßigen.« Und so geschah es auch. Die Herren vom Adel gaben klein bei, und der Streitfall wurde friedlich beigelegt.
III. Priester Griekenbach.
Im Jahre 1393 starb bei St. Johann in Schwäbisch Hall der Priester Konrad Griekenbach. Er war sein Lebtag ein trinkfester Mann und ein lustiger Bruder gewesen, und sein Haus war daher stets der Sammelpunkt fröhlicher Zecher. Namentlich der Adel aus der Umgegend stieg zu gerne bei dem lebenslustigen Manne Gottes ab, und in feuchtfröhlicher Runde kreisten dann allemal die Becher bis tief in den Morgen hinein. Nun lag aber St. Johann jenseits des Kochers und außerhalb des Tores und der Stadt. Und da geschah es einmal, daß dem trinkfrohen Priester und seinen Gesellen eines Abends der Wein ausging. Die Tore Halls waren verschlossen, und diesseits war kein Wirt, der einen guten Tropfen ausgeschenkt hätte. Was tun? Guter Rat war teuer. Der Durst der geselligen Runde aber war gar groß und die Trinklaune im besten Zuge. Doch ein gescheiter Mann weiß sich aus allen Verlegenheiten zu retten, und auch Griekenbach wußte Rat. Er steckte ein Bündel Stroh in Brand und hielt das Feuermal über den Kamin seines Hauses. Alsobald tönten vom Michaelisturm her die Sturmglocken durch die Nacht, und die Wächter auf den Stadttürmen bliesen das Feuerhorn. Da sprangen die Haller aus den Betten und eilten nach Spritze und Feuereimer. Der Torwächter an der Kocherbrücke schob den Riegel auf; knarrend gingen die Flügel des Tores in ihren Angeln, und die Löschmannschaft stürmte hinaus, Hilfe zu bringen. Diese Gelegenheit ersah sich eine Gestalt, die einen mächtigen bauchigen Krug trug. Indes die andern herausstürmten, schlüpfte sie in die Stadt hinein. Hier ließ sie sich ihren Humpen füllen.
Draußen in Griekenbachs Wohnung war inzwischen das Strohfeuer erloschen, und die Wehrleute konnten wieder einrücken. Nun, da sie in die Stadt zurückgingen, huschte der Diener des Priesters mit gefülltem Maßkrug an ihnen vorüber und hinaus, und nach einer Weile kreisten im Haus des Priesters Griekenbach wieder die vollen Becher. Als dann nach einem Vierteljahr die Sache in Hall bekannt wurde, »ließ man es ihm vor einen scherzlichen Possen gelten.«
(Nach Haller Chroniken von C. Schnerring.)
IV. Kaiser Friedrich III. zu Hall.
Als Kaiser Friedrich III. im Jahr 1485 mit seinem Sohn Maximilian, dem späteren Kaiser, von Hall nach Gmünd reisen wollte, blieben auf der hohen Steige vor der Stadt die Wagen stecken und konnten nicht mehr vorwärts kommen. Man holte etliche Ochsen, die den Kutschenpferden vorgespannt wurden. Als dies Kaiser Friedrich sah, sprach er mit lachendem Munde: »Sehet doch um Gottes willen, jetzt führet man gar das Heilige Römische Reich im Land mit Ochsen umher.«
(Zinkgref, Apophthegmata 1693.)
V. Der betrogene Werber.
In Hall waren anno 1634 Werber, die mit allerlei Listen Leute für den Kriegsdienst gewinnen wollten. Eines Tages saß ein Bauersmann, der in die Stadt gekommen war, auf der Kirchenstaffel am Markt und hielt aus seinem Tragkorb Mahlzeit. Ein Werbesoldat kam geschlichen, ließ einen Reichstaler in den Korb fallen und sagte zu dem Bauern, er sei nun als Soldat angeworben, da er den Taler als Handgeld genommen habe. Der Bauer war zuerst erschrocken, wußte sich aber bald zu fassen. Er nahm schnell sein Essen in das Schnupftuch, ließ den Korb stehen und sagte: »Korb, hast du das Handgeld genommen, so sei auch Soldat und zieh' mit fort in den Krieg!« Mit diesen Worten ging er davon und ließ den verdutzten Werber bei dem angeworbenen Korbe stehen.
(Sinnersberg, Der lustige Teutsche 1729.)