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Paul Wilhelm
geb. 25. April 1873 in Wien
gest. 1916
Wie ward die weite Nacht so still.
Das letzte Vogellied verklungen –
Mein Gram allein nicht ruhen will,
Ihn hat die weite stille Nacht,
Die jedem Herzen Trost gebracht,
Noch nicht in Schlaf gesungen ...
Er schreitet nächtlich durch mein Herz,
Dem keine Ruh mag frommen,
Wie müden Schrittes heimatwärts
Ein Wanderer durchquert die Welt,
Der seine Rast nicht früher hält,
Als bis er heimgekommen ...
Hinter der blühenden Hecke im Garten
Träumende Mädchen das Glück erwarten ...
Spielen mit Zopf und mit Schürzenband,
Schauen hinaus ins erglühende Land,
Singen ein seltsames Lied dabei,
Singen vom Frühling und träumen vom Mai ...
Kommt um die Ecke ein Bursch gegangen,
Goldblonde Locken und samtweiche Wangen,
Augen so blau wie ein Sommertag:
»Grüß euch, ihr Mädels im blühenden Hag –
Kommt doch und küßt mich, die Schönste sei mein,
Welche mag heut' noch mein Liebchen sein?«
Stehen die Mädchen in schüchternem Bangen,
Klopft auch das Herzchen in scheuem Verlangen,
Zupfen verlegen am Schürzenband,
Haben sich zürnend hinweggewandt.
Eine nur springt auf den Burschen zu,
Reicht ihm die Hand und verschwindet im Nu.
Hinter der blühenden Hecke im Garten
Träumende Mädchen das Glück erwarten ...
Schaun in die sinkende Sonne hinein,
Möchten so gerne noch selig sein.
Schwül ist der Abend, die Sehnsucht ist schwer,
Aber der Frühling kehrt nimmermehr.
Ist nur einmal vorbeigekommen,
Hat sich die Mutigste mitgenommen –
Blieben die andern traurig zurück,
Warten noch immer aufs lachende Glück,
Summen ein seltsames Lied dabei –
Singen vom Frühling und träumen vom Mai ...
*
Hinter der dornigen Hecke im Garten
Träumende Mädchen – das Glück erwarten! ...