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Ferdinand Kürnberger
geb. 3. Juli 1821 in Wien
gest. 14. Okt. 1879 in München
Da fliegt ein schwarzer Vogel auf,
Ein schwarzer Vogel fliegt dazu;
Das ist des Lebens süßer Lauf –
Die ganze Welt ist du und du.
O du mein armes Vögelein
Im ungesellten Neste dort,
Wann werden wir beisammen sein,
Und fliegen auf und fliegen fort?
Geduld, Geduld; die Zeit vergeht,
Doch kommt sie auch! Das ist mein Trost;
Und wenn das Herz nicht stille steht,
Die Zeit allein hat keinen Rost!
Flaches Dach im Rebengarten,
Seh' ich dich zum erstenmal!
Fünfzig Jahre fast zu warten,
War mir süße Sehnsuchtsqual.
Nun, ich seh' dich! Bild der Wonne,
Nordlands Söhnen ewig süß,
Sei gegrüßt, des Südens Sonne,
Unverlornes Paradies!
Nicht dem dummen deutschen Stocke
Bist du, Rebe, hier vermählt;
Seht, wie sich die ziere Flocke
Fruchtend an den Fruchtbaum hält!
Edles, heiteres Betrachten –
Denk' ich doch an dich und mich.
Fahre hin, mein deutsches Schmachten,
Sehnsucht, hier erfüllst du dich!
Liebe, Liebe, schau nach Süden,
Und vertrau dir und sei stark!
Hier entspringt dem Lebensmüden
Neue Jugend, neues Mark.
Soll ich denn umsonst erwarten,
Liebe, deinen schönsten Tag?
Flaches Dach im Rebengarten,
Hast du kein Orakel, sag?
Nun liebes, leichtes Ränzel, baumle
Am Rücken wieder hin und her,
Und du, beschwingte Sehnsucht, taumle
Hinaus, ins grüne Freudenmeer!
Kristallner See, Smaragd der Wiese,
Am schönen Tag so oft erprobt,
Wer ist's, der euch genugsam priese?
Ich nenn' euch, und ihr seid gelobt.
So gib dich hin, mein süßes Leben,
Dem Urgenuß, der rings so nah!
Was willst du weiter dir erstreben?
Aus diesen Quellen kommst du ja!
Ist's nicht der Spiegel aller Dichtung,
Wie die Forelle hier im See,
Wie dort auf hoher Buchenlichtung
Sein Leben lebt das junge Reh?
Solang' das Wasser in den Mühlen
Die Tanne des Gebirgs zersägt,
Verlang' ich von der Welt Gefühlen
Nur eins: das mich waldaufwärts trägt.
Da pfeift ein muntres Finkenknäblein –
Was sprichst du, trautes Vögelein?
Es schaut auf mich und wetzt sein Schnäblein:
Du solltest doch zu zweien sein!
Zu Syrakus ein Bildner saß,
Dem's lange schon am Herzen fraß,
Daß ihm noch nie als Kunst geglückt,
Was lebend Aug' und Herz entzückt –
Die Pracht der menschlichen Gestalt,
Des Leibes Form und Schick und Halt.
Er künstelt, meißelt, mißt und gießt
Und modelliert zu jeder Frist,
Beschreibt die Winkel, zählt die Grade
Von Nase, Stirn und von der Wade,
Hat kurz und lang in seinem Ton
Die richtigste Proportion,
Hat's in der Hand, trifft's auf ein Haar,
Was beim Praxiteles Kanon war –
Doch wie er's ansieht um und um,
Fehlt ewig seinem Studium
Ein klein verwünschtes Ding: die Ethik
Nach Aristoteles' Ästhetik.
Auf einmal wird er des Lichtes voll:
»Ha,« ruft er aus, »wie bin ich toll!
Ist's wert, daß man sich drum versteigt,
Was schon der nächste Spiegel zeigt?
Bin ich nicht selbst, wie ich geh' und steh',
Alles in allem, Form und Idee,
Das höchste Kunstwerk der Natur,
Der Gottheit offenbarste Spur?
Was braucht es weiter, als zu zeigen
Ohne Verhüllung mein Ich und Eigen,
So wie es atmet, leibt und lebt,
In jedem Muskel zur Gottheit strebt?«
Gedacht, getan! vom Leibe weit
Wirft er ins Feuer Gurt und Kleid,
Und flugs, so wie der Geist ihn packt,
Rennt er aufs Forum splitternackt,
Und schwingt sich auf ein Piedestal,
Und schreit: »Ich bin das Ideal!«
Die Menge gafft ihn staunend an –
Was sagt ihr zu dem edlen Mann?
Das heiß' ich einmal ein Genie
Von subjektiver Poesie!