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Friedrich Halm
geb. 2. April 1806 in Krakau
gest. 22. Mai 1871 in Wien

Selbstschau

Wär' ich nur einmal nicht ich selbst
Und könnt' mich selber sehen,
Wie andre, die auf meinem Weg
An mir vorübergehen!

Was ich wohl dächte da von mir?
Ob mir der Mann gefiele?
Ob ich nicht dort ging', ging' er hier,
Wenn auch zum selben Ziele?

Ob mich erwärmte seine Glut?
Ob mich sein Lied entzückte?
Ob kalt vor ihm ich zög' den Hut,
Ob ich ans Herz ihn drückte?

Ob gleichgestimmt sich unser Sinn
In Lieb' und Haß vereinte?
Ob ich nicht spräche: Fahr' du hin,
Du bist nicht, wie ich meinte!

Vergebner Wunsch, denn festgebannt
Im eignen Sein lebt jeder,
Und treibt, sich selbst nur halb bekannt,
Des Weltgewühles Räder.

Müdigkeit

Ich hab' geruht an allen Quellen,
Ich fuhr dahin auf allen Wellen,
Und keine Straße ist, kein Pfad,
Den irrend nicht mein Fuß betrat.

Ich hab' verjubelt manche Tage,
Und manche hingebracht in Klage,
Bei Büchern manche lange Nacht,
Und andere beim Wein durchwacht.

Viel mißt' ich, viel hab' ich errungen,
Auch Lieder hab' ich viel gesungen,
Und ausgeschöpft hat dieses Herz
Des Lebens Lust, des Lebens Schmerz.

Nun ist der Becher leer getrunken,
Das Haupt mir auf die Brust gesunken,
Nun legt' ich gern mich hin und schlief',
Unweckbar, traumlos, still und tief!

Mir ist, mir ist, als hört' ich locken
Von fernher schon die Abendglocken,
Und süße, weiche Traurigkeit
Umweht mich: Komm, 's ist Schlafenszeit.

Mein Herz, ich will dich fragen

Mein Herz, ich will dich fragen:
Was ist denn Liebe? sag'!
»Zwei Seelen und ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag!«

Und sprich, woher kommt Liebe?
»Sie kommt und sie ist da!«
Und sprich, wie schwindet Liebe?
»Die war's nicht, der's geschah!«

Und wann ist Lieb' am reinsten?
»Die ihrer selbst vergißt!«
Und wann ist Lieb' am tiefsten?
»Wenn sie am stillsten ist!«

Und wann ist Lieb' am reichsten?
»Das ist sie, wenn sie gibt!«
Und sprich, wie redet Liebe?
»Sie redet nicht, sie liebt!«

Lasse dir des Lebens Tage ...

Lasse dir des Lebens Tage,
Mensch, wie liebe Freunde sein;
Welche Bürden er auch trage,
Jeder tret' willkommen ein!

Jeden grüße fromm ergeben,
Wie der Freund dem Freunde tut,
Und wie Freundeslaunen eben,
Trag geduldig seine Glut;

Jeder, der dir will entrinnen,
Nehm' von dir ein freundlich Wort,
Nehm' ein löbliches Beginnen
Zur Erinnrung mit sich fort!

Jeden, Mensch, entlaß mit Segen;
Denn wenn einst dein Stündlein kam,
Tritt dir jeder so entgegen,
Wie er von dir Abschied nahm;

Was du jedem mitgegeben,
Bringt dann jeder dir zurück,
Sieht dich an, wie im Entschweben
Ihn berührte einst dein Blick.

Lasse, Mensch, des Lebens Tage
Dir wie liebe Freunde sein,
Denn es holt nicht Wunsch noch Klage
Die verlornen wieder ein!

 


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