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Artur von Wallpach
geb. 6. März 1866 in Niedervintl bei Brixen
gest. 30. Juni 1946 in Klausen

Hartung

Julfriede, stille Weihnachtszeit.
Frau Berchta klopft ans Haus verstohlen
Und lockt mich auf des Schneeschuhs Sohlen
Ins Eisschloß der Bergeinsamkeit.

O Hochwelt, menschenrein und frei!
Bereifte Tannen stehen Wache,
Eislanzen dräun am Felsenbache,
Und warnend gellt der Geierschrei.

Ein Reh stapft übern Glitzerharst,
Rupft hungernd an den Fichtensprossen,
Sichert und flieht wie angeschossen,
Weil fern das Eis im Weiher barst.

Den Blick vom Sonnengolde hell
Trägt Hochschau über weite Tale.
Umglost vom letzten Abendstrahle
Geht meine Fahrt lawinenschnell.

Vom Firnstaub Haar und Bart zerzaust,
Den Alpenhang hinab, die Matten
Stürz' ich mich in der Ebne Schatten,
Mein Schicksal in der eignen Faust.

Holepfann

Das Schratlein hockt am Weidenstrauch
Und schneidet Maienpfeifen,
Am Krokusfeld, im Veigelhauch
Die Flügelbübchen schweifen.
Du Amsel, Frühlingsruferin,
Verkünde Schatz und Schätzchen:
Schon blühn am Quellbach uferhin
Ostaras Weidenkätzchen.

Höhenhymnus

Hoch über der Kare Wuchten,
Im Reiche der Adlerbrut
Lausch' ich den Stimmen der Schluchten,
Des Lebens ewiger Flut.

Das ist die Heimat der Sagen,
Der alten Götter Gefild,
Hier blieb wie in Urwelttagen
Die Erde noch herb und wild.

Des Gießbachs Flirren und Sprühen
In rauschendem Wechseldrang
Aufwirbelt wie Schwerterglühen,
Erbrandet wie Kampfgesang.

Ich höre der Schilde Krachen,
Wo die Schatten entsteigen dem Moor,
Und im Donner das frohe Lachen
Des feuerbärtigen Tor.

Die Speere sausen und prallen
In rasselndem Schloßenschlag,
Ein Hifthorn hör' ich schallen
Und Glocken vor Tag.

Herträgt des Bergwinds Singen,
Der die Rispen abstreift im Ried,
Die Kunde von ewigen Dingen,
Das uranfängliche Lied.

Das Lied von heißem Begehren,
Von ungesättigtem Haß,
Der Vorzeit heilige Mären,
Die unser Geschlecht vergaß.

Die schweigenden Stunden gleiten –
Aus ihnen ebbt und schwillt
Der Hymnus der Ewigkeiten,
Der sterbliche Sehnsucht stillt.

Sternennacht

Naß war mein Hut vom Tau der Nacht,
Als ich aus Föhrenschatten trat.
Still lag und weit die Sternenpracht,
Und Mondlicht fiel auf meinen Pfad.

Tief unten aus der Talschlucht schlug
Ein Silberleuchten durch das Blau.
Dort ob des Eisaks raschem Bug
Strebt meines Hauses steiler Bau.

Mir ist's, wenn ich hinunterspäh,
Ich hör' der Hunde hellen Laut,
Ob ich den Rauch der Herdstatt seh?
Vielleicht, daß nur der Nebel braut.

Doch dieser Stern, der sichtbar kaum
Aus dunkeln Tales Tiefe bricht,
Läßt mich vergessen Zeit und Raum,
Ist meiner Liebsten spätes Licht. –

Nun deckt die Nacht das alte Haus,
Und Welten leuchten rings im Rund,
Und doch füllt all mein Sinnen aus
Das schwache Licht im Talesgrund.

Lehenstreue

Durchs Land viel Burgen gleißen,
Doch Heldensinn ward uns geraubt –
Viel tausend Kirchen preisen
Den Gott, den keiner innig glaubt.

Will niemand sich besinnen
Wozu des Daseins Los uns fiel?
Ist Macht und Gold gewinnen,
Ist Leben nur des Lebens Ziel?

Uns ward aus Ahnenzeiten
Vom Kampf der Himmlischen gesagt,
An ihrer Seite streiten
Wir Lehensmannen unverzagt.

Wer alles Nah' und Ferne
Alliebend reinen Sinns umgreift,
Ihm leuchten ewige Sterne,
Das Saatfeld ihm zu Garben reift.

Das Leh'n, so er getragen
An edlem Mut und schlichter Art,
Er rettet's künftigen Tagen
Aus dieses Fleisches Pilgerfahrt.

Edelwild

»Nun höret Wunder und die sein groß
Vor Freuden schwang sich derselbig Einhorn
Marien der Jungfrau in den Schoß.«

Volkslied von 1536.

Der blutige Jäger Leidenschaft,
Wie Wolfswild rast er durch die Zeit!
Die Koppel wütet los der Haft –
Das ist ein schauriges Gejaid.

Den Wälderdom, der weltverwirrt
Der Himmelssehnsucht Einhorn birgt,
Durchheult die Hatz, die Sehne schwirrt,
Die giere Meute schnappt und würgt.

Des Einhorns brechend Auge klagt,
Sein Blut versickert still im Moos,
Und keine keusche Gottesmagd
Beut ihm als Zuflucht ihren Schoß.

 


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