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Franz Grillparzer
geb. 15. Januar 1791 in Wien
gest. 21. Januar 1872 in Wien
Im März 1848
Sei mir gegrüßt, mein Österreich,
Auf deinen neuen Wegen,
Es schlägt mein Herz, wie immer gleich,
Auch heute dir entgegen.
Was dir gefehlt zu deiner Zier,
Du hast es dir errungen,
Halb kindlich fromm erbeten dir
Und halb durch Mut erzwungen.
Die Freiheit strahlt ob deinem Haupt,
Wie längst in deinem Herzen,
Denn freier warst du, als man glaubt,
Es zeigten's deine Schmerzen.
Nun aber, Östreich, sieh dich vor,
Es gilt die höchsten Güter,
Leih nicht dem Schmeichellaut dein Ohr
Und sei dein eigner Hüter!
Geh nicht zur Schule da und dort,
Wo laute Redner lärmen,
Wo der Gedanke nur im Wort,
Zu leuchten statt zu wärmen;
Wo längst die Wege abgebracht,
Die Kopf und Herz vereinen,
Und, statt der Überzeugung Macht,
Der Mensch ein grübelnd Meinen;
Wo Falsch und Wahr und Schlimm und Gut
Sie längst auf Formeln brachten,
Rasch wechselnd die erlogne Glut
Gleich bunten Kleidertrachten;
Wo selbst die Freiheit, die zur Zeit
Hinjauchzt in tausend Stimmen,
Halb großgesäugt von Eitelkeit
Und von der Lust am Schlimmen.
Bleib du das Land, das stets du warst,
Nur Morgen wie sonst Abend,
Die Unschuld, die du noch bewahrst,
An heiterm Sinn erlabend.
Denn was der Mensch erdacht, erfand,
Als Höchstes wird er finden:
Gesund natürlichen Verstand
Und richtiges Empfinden.
Bei dem Klang des Saitenspieles
Geh' ich einsam und allein,
Habe wenig, brauchte vieles,
Doch das Wenige ist mein.
Amor lauscht in Rosenhecken,
Winkt, halb Spott, zu sich hinein: –
Spiel' mit Kindern, Kind, Verstecken,
Mich laß ruhig und allein.
Und das Glück voll goldner Spangen
Zeigt den reichgefüllten Schrein: –
Kommst geflogen, ich gegangen,
Flieg du hin, ich geh' allein.
Schau! der Ruhm, am Rand der Fernen
Glänzt in heller Zeichen Schein: –
Wen gelüstet's nach den Sternen?
Man betrachtet sie allein.
Misse gern ein Buntes, Vieles,
Hätt' ich mich erst und was mein!
Bei dem Klang des Saitenspieles
Geh' ich einsam und allein.
Fragst du mich, wie er heißt,
Jener finstere Geist,
Der meine Brust hat zum Reich,
Davon ich so düster und bleich?
Unfried ist er genennt,
Weil er den Frieden nicht kennt,
Weil er den Frieden nicht gönnt
Jemals der Brust, wo er brennt.
Der hat im Busen sein Reich,
Der macht mich düster und bleich,
Der läßt mir nimmermehr Rast,
Seit er mich einmal gefaßt.
Schau' ich zum Himmel empor,
Lagert er brütend sich vor,
Zeiget mir Wolken zur Hand,
Wolken – und keinen Bestand.
Alles der Menschen Gewühl
Nennt er Getrieb ohne Ziel;
Ob ich's auch anders gewußt,
Schweigt er das Haupt durch die Brust.
Flücht' ich zu ihr, die mein Glück,
Tadellos jeglichem Blick,
Er findet Tadel mir auf,
Wär's aus der Hölle herauf.
Und auf den Punkt, den er meint,
Hält er die Lichter vereint,
Daß es dem Aug' nicht entging',
Wenn es auch Blindheit umfing'.
Lacht sie, – so nennt er sie leicht,
Weint sie, – von Schuld wohl erweicht,
Spricht sie, – im heuchelnden Mut,
Schweigt sie, – voll anderer Glut.
Und wenn's mir einmal gelang,
Durchzubrechen den Drang,
Frei mit des Geistes Gewalt
Durch, bis zu Licht und Gestalt;
Unter der Hand es sich bildet und hebt,
Lebendiges Leben das Tote belebt,
Und es nun dasteht, ein atmendes Bild,
Vom Geiste des Alls und des Bildners erfüllt;
Da stiehlt er hinein sich mit list'gem Bemerk,
Und grinset mich an aus dem eigenen Werk;
»Bin's, Meister! nur ich, dem die Wohnung du wölbst,
Sieh, nichtig dein Werklein, und nichtig du selbst.«
Und schaudernd seh' ich's, entsetzenbetört,
Wie mein eigenes Selbst gen mich sich empört,
Verwünsche mein Werk und mich selber ins Grab –
Dann folgt er auch dahin wohl quälend hinab?
Willst du, Seele, nicht mehr blühen,
Da vorbei des Sommers Flucht?
Oder wenn der Herbst erschienen,
Warum gibst du keine Frucht?
War vielleicht zu reich dein Blühen,
War zu bunt der Farben Licht?
Denn die Blüten geben Früchte,
Aber, ach, die Blumen nicht.
Leb wohl, du stolze Kaiserstadt,
Zwar nicht auf lange, denk' ich;
Zu andern Grenzen, lebensmatt,
Die irren Schritte lenk' ich.
Schön bist du, doch gefährlich auch,
Dem Schüler wie dem Meister,
Entnervend weht dein Sommerhauch,
Du Capua der Geister!
Auf deinen Fluren geht sich's weich,
Und Berg' und Wälder breiten
Rings um dich her ein Zauberreich,
Durch das die Ströme gleiten.
Weithin Musik, wie wenn im Baum
Der Vögel Chor erwachte,
Man spricht nicht, denkt wohl etwa kaum
Und fühlt das Halb-Gedachte.
Dazu dein Volk, ein wackres Herz,
Verstand, und vom gesunden,
Das sich mit Märchen und mit Scherz
Der Wahrheit Bild umwunden.
Man lebt in halber Poesie,
Gefährlich für die ganze,
Und ist ein Dichter, ob man nie
An Verse dacht' und Stanze.
Doch weil, von so viel Schönheit voll,
Wir nur zu atmen brauchen,
Vergißt man, was zum Herzen quoll,
Auch wieder auszuhauchen:
Die Tafel bleibt, die Leinwand leer.
Drum fort aus diesen Gründen!
Ob von der Reiselast Beschwer
Sich festre Bilder ründen.
Frost und Nacht, wohin ich richte
Meine besten Lichtgedanken!
Wie ich sinne, wie ich dichte,
Nicht die Mitwelt will mir's danken.
Hab' mein Bestes ihr gegeben,
Zwar nicht reichlich, stets doch Reines,
Reinsten Teil von meinem Leben,
Wohl nicht Schmuck voll falschen Scheines.
Kurze Zeit habt ihr verstanden,
Was die Götter mir erzählten;
Und ich galt in unsern Landen
Zu den hohen Auserwählten.
Doch ihr habt mich dann vergessen –
Und vergessen eure Würde:
Und – wenn nicht mein Wort vermessen:
Ward mein Geist euch eine Bürde.
Sei's! – ich opfre meinen Göttern –
Opfert ihr – wie lang? – den Götzen!
Zukunft wird mit andern Lettern
Euch und mir das Urteil setzen!
Zwar, wenn tot einst, werd' ich leben,
Und ihr flechtet mir noch Kränze,
Denkt ihr auch nicht schmerzlich eben
Meiner trüben Lebenslenze.
Doch – was klag' ich? – wo im Innern
Heil'ge Stimmen stets erklangen!
Ist's doch – zwar kein Trost – Erinnern? –
Manchem
Bessern so ergangen!