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Ferdinand von Saar
geb. 30. Sept. 1833 in Wien
gest. 24. Juli 1906 in Wien

Nun ist das Korn geschnitten ...

Nun ist das Korn geschnitten,
Die Felder leuchten fahl;
Ringsum ein tiefes Schweigen
Im heißen Sonnenstrahl.

Verblüht ist und verklungen,
Was duftete und sang,
Nur sanft tönt von den Triften
Der Herde Glockenklang.

Das ist, o Menschenseele,
Des Sommers heil'ger Ernst,
Daß du, noch eh' er scheidet,
Dich still besinnen lernst.

Herbst

Der du die Wälder färbst,
Sonniger, milder Herbst,
Schöner als Rosenblühn
Dünkt mir dein sanftes Glühn.

Nimmermehr Sturm und Drang,
Nimmermehr Sehnsuchtsklang;
Leise nur atmest du,
Tiefer Erfüllung Ruh'.

Aber vernehmbar auch
Klaget ein scheuer Hauch,
Der durch die Blätter weht:
Daß es zu Ende geht.

Drahtklänge

Ihr dunklen Drähte, hingezogen,
So weit mein Aug' zur Ferne schweift,
Wie tönt ihr, wenn der Lüfte Wogen
In euch so wie in Saiten greift!

O welch' ein seltsam leises Klingen,
Durchzuckt von schrillem Klagelaut,
Als hallte nach, was euren Schwingen
Zu raschem Flug ward anvertraut!

Als zitterten in euch die Schmerzen,
Als zitterte in euch die Lust,
Die ihr aus Millionen Herzen,
Verkündend, tragt von Brust zu Brust.

Und so, ihr wundersamen Saiten,
Wenn euch des Windes Hauch befällt,
Ertönt ihr in die stillen Weiten
Als Äolsharfe dieser Welt!

Sonntag

Wie lieb' ich es, an Sonntagnachmittagen
Allein zu sitzen im vertrauten Zimmer;
Durchs Fenster bricht der Sonne heller Schimmer,
Das Buch vergoldend, das ich aufgeschlagen.

Die Straßen leer; es rollen keine Wagen;
Des Marktes Lärm verstummt, als wär's auf immer,
Und all des Sonntagsstaates bunter Flimmer,
Er ward hinaus in Wald und Flur getragen.

Verlassen fühlt sich, wer zurückgeblieben,
Und manches schöne Auge blickt verdrossen,
Und manche Wünsche, unerfüllt, zerstieben.

Es ruht das Leben, wie in sich zerflossen;
Doch still erfüllt sich auch geheimes Lieben,
Und einsam wird des Geistes Glück genossen.

Bitte

Sei nicht so mild mit mir, so gut –
Denn Liebe wird durch leises Hoffen,
Und wallt auch stiller schon mein Blut:
Noch bin ich süßer Täuschung offen.

Noch kann ein holdes Angesicht
Der Ruhe tiefes Glück mir rauben,
Und weiß ich auch, du liebst mich nicht –
Ich könnte doch vielleicht es glauben.

Sei nicht so mild mit mir, so gut –
Noch bin ich süßer Täuschung offen.
Und wallt auch stiller schon mein Blut:
Die Liebe wird durch leises Hoffen.

Keine Weihnachten

Einsamkeit und tiefes Schweigen
Herrscht in meines Zimmers Raum,
Und mit zweiundsiebzig Zweigen
Steht vor mir ein Weihnachtsbaum.

Dran in fahlem Scheine zittert
Der Erinnerung bunter Tand:
Hohle Nüsse, überflittert,
Wie ich sie im Leben fand.

Farb'ge Bänder, Liebespfänder
Mit schon längst verblichnem Glanz,
Und dabei – wie dürr die Ränder! –
Ein verjährter Lorbeerkranz.

Und als trübe Lichter schwelen
All die Leiden, die ich litt –
Tod, Erlöser müder Seelen,
Schon vernehm' ich deinen Tritt.

 


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