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Solange ich genoß glaubte ich diesmal, ewig würde der Genuß dauern. Aber nach einiger Zeit, (viel früher als ich geahnt hatte), kam bei mir ein Verdacht auf, der mir alles zu vergiften drohte: genossen denn die Blüten und die Schönen nicht viel mehr als ich? Ich mußte in eine einzige Stunde alles zusammenpressen, Annäherung, Sieg und Wonne und Abschied zuletzt. Sie konnten noch eine lange Reihe solcher Stunden erhoffen, und was lebt nicht alles von Hoffnung? Vielleicht war an Karla das Schönste die Hoffnung gewesen? Und... bei A. v. W.? Ich schwieg diskret, ich sagte ihnen nicht jedesmal voraus, daß ich das süße Glück nicht wieder zu erneuern gedenke. Wir sollten ja in voller Eintracht ohne Bitterkeit auseinander gehen. Später wurde ich aufrichtiger. Diese Wahrheitsliebe wurde gegen meinen Willen, wenn ich so sagen darf, zu einer Notwendigkeit für mich. Denn wie sollte ich in meiner Berufsarbeit etwas erreichen, wie dem Wesentlichen nahekommen, wie in redlicher Leidenschaft auf dem Wege nach der höchsten erreichbaren Erkenntnis mich abmühen, – (das, und nichts anderes ist Wahrheit!) wenn ich mir das Lügen so angewöhnte, daß es mir zur zweiten Natur wurde, also eigentlich zur ersten? Ich hoffte, meine Liebeserlebnisse würden im Licht meiner grauen und grausamen Aufrichtigkeit sich ändern, ich würde weniger schnell müde werden. Leider blieb es immer das gleiche, so sehr alles zu wechseln schien. Wenn die Blüten stöhnten und ächzten in ihrem körperlichen Leid und zugleich strahlten mit schwimmenden Blicken in ihrer neuen, ungeahnten, berauschenden, gewaltigen, glühenden Wonne, ich blieb kalt und arm, denn ich tat das Werk der Liebe ohne Liebe. Wenn ich den Schönen, den wissenden und ach, so dankbaren Herzen den Schmerz antat, ihnen die Wahrheit zu sagen, so glaubten sie, es sei ein Opfer von mir, ich wolle sie nicht in Gefahr bringen, ihre Ehe nicht gefährden, ihrem Gatten nicht die fürsorgende Hausfrau, ihren Kindern nicht die Mutter rauben! Meine Jugend, meine Freundlichkeit sprachen so sehr für mich. Ich war sehr reich, zeigte es nie und doch ahnten es die meisten, anders als Karla früher. Natürlich war ich nicht bei allen glücklich, sonst wäre ich des ganzen noch früher überdrüssig geworden. Aber oft wurde der Ausdruck der Liebe bei Frauen, besonders bei denen, die in der letzten Blüte und in hohem gesellschaftlichen Ansehen standen, etwas so demütiges, ja kriechendes, daß ich mich vor mir schämte, denn meine Jugend und meine gute Gestalt gaben mir kein Recht darauf. Auf diese Wahrheit aber legten sie so wenig Wert wie auf jedes andere aufrichtige Wort, sie wollten eine schöne Stunde, etwas, das ihnen immer vergebens vorgeschwebt hatte. Oft hatten sie andere Bewerber, tausendmal besser zu ihnen passend, ihnen von Herzen ergeben, denen es ein ungeheures Glück bedeutet hätte, was mich, ach so kalt ließ. Je deutlicher sie ahnten, die Herrlichkeit würde nicht von Dauer sein, desto mehr klammerten sie sich an mich, keine Minute durfte verloren gehen. Ich war ihnen alles. Aber welches Ich? Welches Bild machten sie sich wohl von mir? Nur das eine, das sie brauchten. Ich traf sie nie bei mir, noch bei ihnen im Hause, ich hatte viele Namen, gab ihnen aber fast immer die gleichen Koseworte, die sie entzückten, so trivial sie waren und sein mußten. Mit Geschenken sparte ich nicht, habe aber nie eine nur durch Geschenke gewonnen. Ich habe das alles nie begriffen, sondern nur alles genommen, was sich mir bot. Sie priesen, wie Karla einst, meine Ritterlichkeit, weil ich ihnen weis machte, die ›schöne Stunde‹ dürfe sich nicht wiederholen, weil sie dann profane Gewohnheit würde. Ich könne dann nicht mehr sicher sein, daß die Diskretion gewahrt werde, und das war ein wichtiger Punkt, denn nur selten wollte eine Schöne oder eine Blüte außer ihrer Gegenwart noch die Zukunft opfern, aber sie wollte natürlich geliebt bleiben immerdar, und ihre schönste Stunde sollte die schönste meines Lebens sein. Am besten klang es dann, wenn ich sie meiner ›ewigen‹ Treue versicherte, auch wenn wir uns kaum noch wiedersehen sollten. »Aber wieso denn Treue?« fragten sie. »In allen anderen Frauen«, sagte ich zärtlich unter tausend Liebkosungen, »werde ich immer nur dich lieben, in allen Gesichtern werde ich deine Züge lesen.« »Von welchen anderen Frauen sprichst du?« fragten sie weiter. »Von meiner Mutter, meiner Schwester«, sagte ich mild, »nach dir kann man nicht mehr lieben. Bitte«, schloß ich, »bleibe mir treu wie ich dir. Unsere Seelen haben Hochzeit gefeiert und haben einander geküßt, das besteht in alle Ewigkeit, und nun, leb wohl, du viel zu sehr geliebtes Wesen!« Nicht eine unter zehn zweifelte daran.
Sie hatten alle mit gewissem Recht Vertrauen in mich. Ich wollte nicht, daß sie jemals das Zusammensein mit mir bereuen und es gar teuer bezahlen sollten. Ich schützte sie. Ich schützte mich. So seltsam es war, eine Art Technik kam in meine Liebe. Für die Blüten und Schönen war es aber niemals Technik, (das hätte ihre Eitelkeit und Selbstliebe niemals zugegeben), sondern das Einmalige, das Wundersame, das, was für das bürgerliche Leben, die bürgerliche Sicherheit zu kostbar ist. Auch für mich gab es dabei etwas Wundersames: wie selbstverständlich, wie schnell und leicht ich von dem schwerfälligen Eroberer einer Karla ein Frauenfreund, ein Genießer geworden war, den oft der Körper einer Schönen, ja vielleicht der Schatten, den ihr Achselhaar auf den Oberarm warf, mehr entzückte als das heißeste Liebesgeständnis, die stürmischeste Umarmung. Aber auch dies wiederholte sich; im Unglück, auf der Suche, in der Einsamkeit war alles einmalig gewesen, jetzt wurde es zur Dutzendware der Natur. Wie selten gab es Kampf und Streit. Meist nur allerhand Tränen, deren Bedeutung niemals zu durchschauen war und denen ich niemals getraut habe. Natürlich erwachte in der einen oder anderen Eifersucht, ich habe eine gekannt, die mir lange aufgelauert hat. Als sie mich mit ihrer Nachfolgerin erblickte, wurde sie grau und grün vor Wut. Als sie mich aber (gegen ihren Willen wohl, aus innerem Zwange ihre Spionage fortsetzend) mit der Nachfolgerin ihrer Nachfolgerin antraf, spielte ein glückliches Lächeln um ihre bereits etwas welken Lippen. Sie war also von ihrer Eifersucht befreit. Ich wünschte mir manchmal etwas von der Eifersucht zurück, die ich noch bei Karla empfunden hatte. Vergeblich. Das Alte kam nicht zurück. Aber immer schneller und inhaltloser folgten einander die Schönen. Schließlich versuchte ich als letztes Mittel, mich an eine von ihnen ›in gewissen Grenzen zu ketten, ihr etwas von meinem wirklichen Leben, von meinen Erinnerungen, Plänen, meinem wahren Wesen preiszugeben, sie glaubte mir nicht! Ich war ein so vollendeter Lügner geworden, daß die Wahrheit in meinem Munde schal wurde, und wenn ich einmal kein Verführer sein wollte, wurde die Blüte meiner bald müde. Vielleicht war es bloß ein unseliger Zufall, denn ich hätte sie vielleicht so geliebt wie eine Karla, wenn auch sicherlich nicht wie die unvergeßliche A. v. W. oder wie meinen Vater. Stand am Ende eines solchen Lebens die asketische Zelle und ein Leben, wie es sich meine schöne Schwester gewünscht hatte? War ich deshalb so arm, weil ich immer noch mehr gab, als ich bekam? Stand ich meinem wahren Glück im Wege mit den Blüten und Schönen? Bestahl ich mich selbst? War ich mir selbst untreu geworden mit meinem ›einmal und nicht wieder‹?