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2.

Es war noch nicht Hochsommer, als mir der Zufall ein bezauberndes Geschöpf in den Weg führte, eine kleine blutjunge brünette Schönheit mit ockerfarbenem Teint, gekräuseltem schwarzem Haar und grauen Augen. Ich habe sie nicht öfter als fünf- bis sechsmal getroffen. Sie war Verkäuferin in einem Parfümerieladen nicht weit von meinem Hotel. Ich wunderte mich, daß sie mir noch nie aufgefallen war, wir mußten oft aneinander vorübergegangen sein. Hatte mir erst Karla die Augen geöffnet? Die kleine Blüte war von den vornehmen Kunden in dem kleinen Luxusladen verwöhnt, viel zu sehr, und doch noch nicht genug. Weder Geld noch die Aussicht auf ein ruhiges Leben in der Ehe mit einem gesetzten Mann hatten ihr Herz gerührt. Aber hatte sie ein Herz, das zu leiden, zu glühen vermochte? Sicherlich vermochte es zu lachen. Sie war lustig, jeder Tag, das kleinste Ereignis schien ihr ein Anlaß zu Fröhlichkeit zu sein. Warum hätte ich ihr Gefühl für mich für tragische ewige Liebe halten sollen? Sie fragte nicht nach meinem Leben, wollte überhaupt nur von ›Jux‹ reden hören, von ›Gschnas‹, von ›Spassetteln‹. Sie wußte nicht, wie es bei uns enden würde, kannte sie doch überall nur Anfang, alles ging ihr leicht von der Hand, sie wog nicht mehr als vierzig Kilo, wie sie erzählte, das Vergangene wie das Künftige beschäftigten sie nie. Alles liebte sie, und sie freute sich an allem, Berechnung war ihr fremd, wenigstens bei mir. Sie dankte mir für ein Geschenk im Werte von einer Krone ebenso spöttisch und selig wie für einen erlesenen Gegenstand. Sie ließ sich nicht küssen. Aber sie quälte mich nicht lange, sie quälte sich keinen Augenblick: sie gab sich mir am Abend eines Wochentages hin, weil ihr ›zufällig‹ so himmlisch vergnügt zumute sei, – aber erst dann, als ich, an der Schwelle meines Hauses, ›auf Treue, Ehr und Seligkeit‹ hatte versprechen müssen, es solle nur ein einzigesmal sein und niemals, niemals wieder! Hätten reiner Genuß und unbeschwerte Lust ohne Last mich glücklich machen können, hier bei dieser nach allen Wohlgerüchen Arabiens duftenden und doch in ihrer ganzen Herbheit unberührten Blüte wäre ich es geworden. Leider war ichs nicht. Selbst die reife Dame im Schlitten wog schwerer in meinem Herzen als dies himmlische Stückchen Natur. Ich war entschlossen, sie beim Wort zu nehmen und nach diesem Abend nie mehr etwas zu verlangen von ihr.

Sie schwärmte für mich, und mich entzückte sie. Warum war dies nicht genug? Sie hatte zum Einpacken der Parfümkartons stets Goldfaden und buntes dünnes Seidenband zur Hand. Am Morgen dieses Tages hatte sie sich in der Vorfreude die Halseinfassung ihres Hemdes mit dem Goldfaden durchzogen, und am Abend versuchte sie, mit buntem Faden meine Hände zusammenzubinden. Als ich aber schwieg und die Augen schloß, auf deren Blick sie gewartet hatte, faßte sie sich mutig und preßte die Hand tief an ihr pochendes Herzchen.

Meine Sorge war, ihr den Abschied leicht zu machen. Aber wie? Als wir heimgingen, das heißt, in die Nähe ihrer Wohnung, sah sie mich zuerst mit einer bangen Frage still mit ihrem großen grauen Blick an, dann aber, als ich die erste Träne fürchtete (und wie graute mir davor!) begann sie zu zwitschern, so hell, so leise, so mit ihrem ganzen gewichtlosen Seelchen, daß ihre Kehle zitterte. An einer Ecke machte sie sich los, schüttelte den Kopf und lief mit großer Eile in ein Haus. Ich sah sie nach einer Weile, vorsichtig um sich lugend und ein Taschentuch vor dem Mund, aus dem Haus geschlichen kommen und einen Teil des Weges wieder zurückgehen. Sie hatte sich von mir losgerissen, um sich zu bezwingen, sie wollte nicht die Frage liebst du mich denn?, die sich immer und überall selbst beantwortet, an mich stellen. Sie wollte mich verlassen, um nicht verlassen zu werden. Für alles das wäre ich ihr gern dankbar gewesen. Und so spielte ich an einem der nächsten Tage die Komödie, an ihr vorbeizugehen und mich plötzlich umzuwenden, als wolle ich sie ansprechen. Ich wußte genau, sie war zu stolz, zu federleicht und klug, um mich zurückgewinnen zu wollen, und es tat ihr wohl, grußlos und hochmütig vorbeizugehen an mir.


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